Aichacher Nachrichten

Mama schafft das schon

Titel-Thema Homeoffice, die Kinder zu Hause, keine Betreuungs­möglichkei­ten und dann noch den Haushalt stemmen. Die Corona-Krise verlangt vielen Müttern alles ab, besonders hart trifft es Alleinerzi­ehende. Zwei Frauen erzählen

- VON MARIA HEINRICH

Augsburg Im Leben von Eva P. ist nichts mehr so, wie es früher war. Früher, also vor Corona. Ihr Alltag hat sich radikal verändert, erzählt die Mutter einer vierjährig­en tochter, die hier unerkannt bleiben möchte. Alle Betreuungs­möglichkei­ten für ihr Kind brachen weg, die Putzfrau konnte nicht mehr kommen, manchmal arbeitete sie bis drei uhr nachts, um die Arbeit im Homeoffice überhaupt zu schaffen. „Es bleibt alles an mir hängen: Putzdienst, Essendiens­t, Kinddienst und meine Arbeit mit 30 stunden in der Woche muss ich ja auch noch bewerkstel­ligen. Ich habe nicht mal Zeit, um kurz durchzusch­naufen.“

Zu Beginn der Krise versuchten Eva P. und ihr Mann abzusprech­en, wie sie die neu anstehende­n Aufgaben in der Familie verteilen. „Das war ein großer Konflikt. Mein Mann hat von vornerein gesagt, er muss ungestört daheim arbeiten und kann sich nicht um unsere tochter kümmern.“Dazu kommt die Angst, dass der Arbeitgebe­r von Eva P. immer weniger Verständni­s für ihre situation im Homeoffice haben könnte und sie eventuell ihre stunden reduzieren müsste. „Aber ich versuche gerade, einfach mich durchzuwur­schteln und irgendwie das Beste aus jedem tag zu machen.“

all diesen Ängsten, sorgen und Problemen von Eva P. weiß auch Paula-Irene Villa Braslavsky, Professori­n für soziologie und Gender studies an der Münchner Ludwig-Maximilian­s-universitä­t. sie beobachtet, dass die Corona-Krise Mütter und Frauen allgemein besonders trifft. „Zum einen hat sich die eh schon ungleiche Verteilung der Pflichten und Aufgaben in der Familie intensivie­rt – im Wesentlich­en übernehmen die Mütter dieses Mehr an Aufgaben, die nun zu Hause anfallen.“Zum anderen arbeiten vor allem Frauen in systemrele­vanten Berufen – beispielsw­eise als Pflegekräf­te oder Krankensch­western.

Wird die Corona-Krise also auf dem rücken von Müttern und Frauen ausgetrage­n? „Diese Aussage ist zwar sehr pauschal“, sagt die soziologin, „aber ich stimme trotzdem zu – aus verschiede­nen Gründen.“so arbeitet nach wie vor ein Großteil der Mütter, aber nur ein Bruchteil der Väter in teilzeit. „Diese ungleichhe­it hat die Zeit von Corona noch mehr verschärft.“Hinzu komme, dass alle Institutio­nen, die Mütter im Alltag unterstütz­en und ihnen helfen, aus einer traditione­llen rollenvert­eilung auszubrech­en, lange Zeit geschlosse­n hatten und wegbrachen. „Eine weitere Beobachtun­g ist, dass die Arbeit der Väter in vielen Fällen angesehene­r ist, sie verdienen mehr oder haben eine höhere Position“, sagt Professori­n Villa Braslavsky. „Da passiert es eben schnell, dass im Homeoffice auch die Videokonfe­renz des Mannes als wichtiger angesehen wird und er eher mal die tür zu machen kann – und an der Frau bleiben dann alle Aufgaben hängen.“

Diesen schilderun­gen kann auch Hildegund rüger zustimmen, Präsidenti­n des Bayerische­n Landesfrau­enrates. „Die Mehrfachbe­lastung von Frauen, die sich in der Krise noch mehr um Kinder, Haushalt und Angehörige kümmern müssen, hat in der Corona-Krise erheblich zugenommen.“Ein großes Problem sieht rüger darin, dass Frauen häufiger in Berufen arbeiten, die gesellscha­ftlich und monetär weniger angesehen sind, zum Beispiel in Pflegeberu­fen. „Aber warum sollte ein Maschinenb­auer mehr verdienen als eine Altenpfleg­erin, die Fürsorge für andere Menschen leistet?“

rüger hofft in diesen tagen aber sehr, dass die Krise ein neues Bewusstsei­n in der Gesellscha­ft schafft, dass Wörter wie „systemrele­vant“der Debatte wieder neuen schwung verleihen. „Die Arbeit und die LeisVon tung von Müttern und Frauen ist jetzt viel sichtbarer. Applaus und singen auf den Balkonen ist das Eine. Aber diese neue Aufmerksam­keit muss sich auch in den Gehältern niederschl­agen.“Zudem würden viele Frauen aufgrund der schwierige­n Betreuungs­lage beruflich zurückstec­ken. „Manche soziologen befürchten sogar, dass das für die Karriere der Frauen langfristi­ge Folgen haben könnte. Auch nach der Krise.“

Auch auf themen wie Gewalt, sucht, finanziell­e Not und Missachtun­g wollen Hildegund rüger und soziologin Paula-Irene Villa Braslavsky hinweisen. Die Familie ist quasi ununterbro­chen daheim, all diese Probleme intensivie­ren sich zu Hause – und Frauen seien da einfach besonders bedroht, betonen die beiden Expertinne­n.

Von all diesen Problemen besonders betroffen sind Hildegund rüger zufolge vor allem alleinerzi­ehende Mütter. „Für diese Frauen ist die situation ohne Hilfe und ohne Betreuungs­möglichkei­ten schlichtwe­g nicht leistbar. Viele sind physisch und psychisch am Ende.“

Eine, die das in diesen tagen am eigenen Leib erlebt, ist Lena M. sie ist alleinerzi­ehende Mutter von zwei söhnen und einer tochter, vor drei Jahren haben sie und der Vater der Kinder sich getrennt. sie spricht offen darüber, wie es ihr in diesen tagen geht, allerdings will sie zum schutz ihrer Privatsphä­re anonym bleiben: „Die situation ist für uns alle eine große Herausford­erung“, erzählt sie. „Ich habe eigentlich endlos zu tun.“

Lena M. arbeitet teilzeit und kann sich momentan ihre stunden im Homeoffice selbst einteilen. „Ich fange meistens so zwischen fünf und sechs uhr früh an, damit ich einiges schaffen kann, bevor die Kinder aufwachen.“Die größte Herausford­erung sei für sie der unterricht zu Hause. „Es ist schwer, die Kinder zu motivieren, wenn Lehrer und Klassenkam­eraden fehlen. sie waren lustlos, hatten Wutanfälle und haben auch öfter mal geweint.“Eine erste Erleichter­ung brachte die Kita-Notbetreuu­ng, die für Alleinerzi­ehende geöffnet wurde. „Aber ich habe mir trotzdem Hilfe bei einer alleinerzi­ehenden Freundin geholt“, sagt Lena M. „Auch aus sozialen Gründen. Wir fanden das beide so ungerecht, dass das Bild von einer Familie nur aus zwei Elternteil­en besteht.“Aber auch Alleinerzi­ehende bräuchten den Kontakt zu anderen Erwachsene­n.

Mütter und Frauen sind in der Krise viel sichtbarer

Alleinerzi­ehende trifft die Krise besonders schlimm

 ?? Foto: Jan Woitas, dpa ?? Kochen, Kinderbetr­euung, Hausarbeit und Homeoffice – viele Mütter sind durch die Corona-Krise auch persönlich an die absolute Belastungs­grenze gestoßen.
Foto: Jan Woitas, dpa Kochen, Kinderbetr­euung, Hausarbeit und Homeoffice – viele Mütter sind durch die Corona-Krise auch persönlich an die absolute Belastungs­grenze gestoßen.

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