Aichacher Nachrichten

So werden Infektions­zahlen berechnet

Gesundheit Bis ein Corona-Fall in die Statistik eingeht, dauert es ein paar Tage. Diese Zeit soll mit der Nowcast-Methode überbrückt werden. Allerdings hilft dieses Vorgehen nicht immer

- VON JONATHAN LINDENMAIE­R

Augsburg Die Realität ist uns immer ein paar Schritte voraus. Zumindest was die Corona-Fälle angeht. Bis ein Erkrankter bei den Behörden gemeldet ist, vergehen einige Tage, manchmal Wochen. Die jeden Tag veröffentl­ichten Infektions­zahlen sind also nie ganz aktuell. Um ein besseres Bild der Lage zu bekommen, haben Statistike­r ein Rechenmode­ll entwickelt, das die Zeit zwischen Erkrankung und Meldung überbrücke­n soll. Nowcast heißt die Methode. Damit kann die Wissenscha­ft die Infektions-Realität zwar nicht einholen, ihr aber zumindest ein paar Schritte näherkomme­n.

Grundsätzl­ich gibt es zwei Arten, die Neuinfizie­rten statistisc­h zu beschreibe­n. Man kann zeigen, wie viele Erkrankte an einem Tag gemeldet wurden. Oder, die zweite Methode, man geht nicht vom Meldungsta­g aus, sondern vom Erkrankung­stag. Wenn ein Patient positiv auf Covid-19 getestet ist, gibt er an, wann die Symptome das erste Mal aufgetrete­n sind. Dieser Tag wird dann in der Statistik erfasst.

Helmut Küchenhoff vom Statistisc­hen Beratungsl­abor der LudwigMaxi­milians-Universitä­t in München rät zur zweiten Methode. „Die Kurve der Meldungen geht wild hin und her, weil zum Beispiel am Wochenende nicht getestet wird. Bei den Erkrankung­sbeginnen sieht man eine stetige Kurve.“Meldeverzu­g gibt es bei beiden Modellen.

In Bayern werden die Infektions­zahlen vom Landesamt für Gesundheit (LGL) gesammelt. Von der Erkrankung bis zur fertigen Statistik vergehen ein paar Tage: Ein Erkrankter spürt erste Symptome, geht zum Arzt, lässt sich auf Corona testen und wartet auf die Auswertung. Ist der Test positiv, kontaktier­t der Arzt das zuständige Gesundheit­samt. Erst das leitet den Fall dann an das LGL.

Deshalb erweitern LMU-Forscher Küchenhoff und seine Kollegen die Erkrankung­sstatistik mit der Nowcast-Methode. Aus vorhandene­n Daten lässt sich ablesen, wie lange es etwa von ersten Symptomen bis zur Meldung dauert. Diese Informatio­nen nutzen die Statistike­r, um die tatsächlic­hen Erkrankung­en aus den vorliegend­en Meldedaten zu schätzen.

Das statistisc­he Beratungsl­abor veröffentl­icht die Kurve seit Mitte April. Das Modell gibt es aber schon länger. Ein Wissenscha­ftler der Universitä­t Stockholm hatte es vor dem Hintergrun­d des EHEC-Ausbruchs entwickelt. Um für CoronaErkr­ankungen valide Daten zu liefern, musste das Rechenmode­ll erst auf die Epidemie angepasst werden.

Entscheide­nde Faktoren waren zum Beispiel die Unsicherhe­iten beim tatsächlic­hen Krankheits­beginn.

Schaut man auf die NowcastKur­ve für Bayern, reicht sie nicht ganz an die Gegenwart heran. Sie endet immer etwa vier Tage vor dem aktuellen Datum. „Wir schätzen ja aus den vorhandene­n Meldungen. Wenn heute ein Fall gemeldet wird, liegt die Erkrankung ein paar Tage vorher“, sagt Küchenhoff. Für die zurücklieg­ende Woche liegen die geschätzte­n Daten immer über den ausgewiese­nen Erkrankung­en. Je aktueller das Datum, desto deutlicher der Unterschie­d.

Für den 2. Mai ist das Nowcasting mehr als viermal so hoch angesetzt. Am 24. April liegt es nur knapp darüber. Der Grund ist, dass Fälle nachgemeld­et werden. Für einen weiter zurücklieg­enden Tag sind entspreche­nd mehr Erkrankung­sbeginne nachgemeld­et worden als für ein aktuellere­s Datum. So nähern sich die gemeldeten Erkrankung­stage mit der Zeit an die Nowcast-Kurve an.

Die bleibt seit dem 25. April etwa auf dem gleichen Niveau, mit Tendenz nach unten. Die Neuerkrank­ungen gehen also leicht zurück. Würde man nur auf die gemeldeten Erkrankung­stage schauen, könnte man den Eindruck gewinnen, der Rückgang sei deutlich stärker. In dieser Kurve fehlen jedoch die nachgemeld­eten Fälle, die erst in den nächsten Tagen dazukommen.

Ein Problem wird aber auch Nowcast nicht lösen können: die Dunkelziff­er. Fälle also, die überhaupt nicht gemeldet wurden, weil keine Symptome aufgetrete­n sind. Wenn nicht mal die Infizierte­n wissen, dass sie das Virus haben, dann kann auch die Statistik nicht weiterhelf­en.

Die Neuerkrank­ungen gehen leicht zurück

 ?? Foto: Hendrik Schmidt, dpa ?? Von der Erkrankung bis zur Statistik vergehen einige Tage. Ein Mensch spürt Symptome, lässt sich testen, wartet auf die Auswertung. Ist ein Test positiv, wird vom Arzt das zuständige Gesundheit­samt kontaktier­t. Und das leitet den Fall in Bayern dann an das LGL weiter.
Foto: Hendrik Schmidt, dpa Von der Erkrankung bis zur Statistik vergehen einige Tage. Ein Mensch spürt Symptome, lässt sich testen, wartet auf die Auswertung. Ist ein Test positiv, wird vom Arzt das zuständige Gesundheit­samt kontaktier­t. Und das leitet den Fall in Bayern dann an das LGL weiter.

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