Aichacher Nachrichten

„Ich würde nichts anders machen“

Schwarze Schafe des Sports Lance Armstrong hat sich zu sieben Tour-Siegen gedopt – ohne etwas zu bereuen

- VON ANDREAS KORNES

Augsburg Technisch gesehen ist Lance Armstrong kein Dopingsünd­er. Überstand er doch hunderte Tests während seiner Karriere, ohne aufzufalle­n. Einen positiven Test vertuschte der Radsport-Weltverban­d UCI, das war 1999. Und doch steht der inzwischen 48-jährige USAmerikan­er im Zentrum eines Dopingskan­dals, den viele als den größten der Sportgesch­ichte bezeichnen. Erst gewann er siebenmal die Tour de France. Dann wurden ihm alle Siege wieder aberkannt. Armstrongs Geschichte ist die eines beispiello­sen Aufstiegs – und eines ebenso beispiello­sen Absturzes.

Alles beginnt am Ende des vergangene­n Jahrtausen­ds. Der Radsport liegt nach der Festina-Affäre am Boden. Er sucht verzweifel­t nach neuen Helden – und findet Lance Armstrong. Dessen Geschichte war zu perfekt, als dass sie irgend jemanden kaltgelass­en hätte. Der Weltmeiste­r von 1993 war an Hodenkrebs erkrankt, Metastasen saßen in der Lunge, im Bauchraum und im Gehirn. Armstrong überwand die Krankheit und kehrte 1999 triumphal zurück. Als erster

schaffte er die Tour mit einer Durchschni­ttsgeschwi­ndigkeit von über 40 Stundenkil­ometer. Siebenmal in Folge gewann er das härteste Radrennen der Welt. Keiner war je besser. Was für eine Story.

Und doch gab es immer Gerüchte, dass es da nicht mit rechten Dinge zugehe. Es dauerte aber bis zur Affäre um den spanischen Dopingarzt Eufemiano Fuentes im Jahr 2006, ehe aus den Gerüchten ein handfester Verdacht wurde. Mit harter Hand und einer Heerschar teurer Anwälte war Armstrong stets gegen Kritiker vorgegange­n. Dann aber begann die Mauer des Schweigens zu bröckeln.

Ehemalige Teamkolleg­en erzählten von der herrischen Art, mit der Armstrong seine eigenen Teamkolleg­en und Gegner gleicherma­ßen beherrscht­e. Und sie berichtete­n davon, was sonst noch so hinter der Fassade des Supersport­lers Armstrong passierte.

Der Mann, der das Puzzle schließlic­h zusammenfü­gte und den Diktator zu Fall brachte, heißt TraMensch vis Tygart. Der Chef der amerikanis­chen Anti-Doping-Agentur Usada trotzte allen Widerständ­en und enttarnte „das am meisten ausgeklüge­lte, profession­ellste und erfolgreic­hste Dopingprog­ramm, das der Sport jemals gesehen hat“. 2012 wurde Armstrong lebenslang gesperrt, all seine Erfolge aus den Ergebnisli­sten gestrichen.

Der Überführte legte sein Geständnis ein Jahr später auf der größten Bühne ab, die das US-Fernsehen zu bieten hat. Gegenüber der Talk-Masterin Oprah Winfrey räumte er ein, gedopt zu haben. Ein letztes Spektakel. Millionen Menschen sahen zu. Bereut hat Armstrong nie. Kurz nach seinem Geständnis postete er ein Bild von sich, das ihn auf einem Sofa liegend zeigt.

An der Wand im Hintergrun­d hängen sieben gelbe Trikots. „Wir haben getan, was wir tun mussten, um zu gewinnen. Es war nicht legal, es war wahrschein­lich nicht die beste Entscheidu­ng, aber wir hätten sonst nicht gewonnen. Ich würde nichts anders machen, das habe ich schon mehrfach gesagt, ich würde nicht eine Sache anders machen“, sagte Armstrong später bei NBC Sports.

Finanziell kam Armstrong mit einem blauen Auge davon. Zwar verlor er alle Sponsoren und musste seine Krebsstift­ung verlassen. Unter anderem fünf Millionen Dollar Schadeners­atz zahlte er an die USRegierun­g, weil er für das Staatsunte­rnehmen US Postal gefahren war. Geblieben seien ihm rund 100 Millionen Dollar. Ganz okay dafür, dass das Geld mit einer der größten Betrügerei­en des Sports verdient worden war.

Dem Radsport ist Armstrong erhalten geblieben – wenn auch gegen dessen Willen. In einem Podcast kommentier­te er vergangene­s Jahr zusammen mit seinem alten Kumpel und Teamgefähr­ten George Hincapie jede Tour-Etappe. Die beiden hatten Anfang des Jahres auch die Teilnahme an einer gemeinsame­n fünftägige­n Radtour auf Mallorca angeboten. Je 30 000 Dollar kosteten die zwölf Tickets. Nun dürfte Corona diese Ausfahrt verhindert haben, die für September geplant war.

Bis heute wirken die Machenscha­ften Armstrongs nach. Der vierfache Tour-Sieger Chris Froome sagte gerade erst in einem Interview mit Cyclingnew­s.com, dass sich der Radsport noch immer dafür rechtferti­gen müsse. „Diese Ära hat den Sport extrem beschädigt. Aber ich glaube, die Zeiten haben sich geändert. Wir wissen, dass wir das Richtige tun. Wir haben nichts zu verbergen.“

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Foto: dpa Lance Armstrong: Oft kontrollie­rt, aber nie erwischt. Wenn doch einmal ein positiver Test aufgetauch­t ist, hat ihn der RadsportWe­ltverband UCI vertuscht.

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