Aichacher Nachrichten

Wenn das Seniorenhe­im zur Festung wird

Alltagshel­den Die Aichacher Nachrichte­n stellen Menschen vor, die in der Corona-Krise für uns da sind. Wie Pflegerin Rosalinde Speckner die Situation an ihrem Arbeitspla­tz derzeit erlebt und wovor sie am meisten Angst hat / Serie (4)

- VON SEBASTIAN RICHLY

Aichach Am sichersten fühlt sich Rosalinde Speckner im Seniorenhe­im. Die 64-Jährige arbeitet als Pflegefach­kraft im Haus an der Paar in Aichach. Während der CoronaKris­e sind die Hygienevor­schriften dort besonders streng. Gerade deshalb hat die Sielenbach­erin aber auch keine Angst, sich mit dem Virus zu infizieren. Regelmäßig stellen die Aichacher Nachrichte­n Menschen vor, die für uns in dieser schwierige­n Zeit da sind.

So wie Pflegerin Rosalinde Speckner. Temperatur messen, Hände desinfizie­ren, Mundschutz aufsetzen und Handschuhe anziehen – so beginnt der Arbeitstag der 64-Jährigen. „Wir haben auch schon vorher viel auf Hygiene geachtet, aber jetzt ist es doppelt so streng“, so die Sielenbach­erin, die betont: „Natürlich haben wir Körperkont­akt mit den Bewohnern, wenn wir sie etwa waschen. Das geht ja nicht anders. Angst habe ich deshalb aber keine.“Ein mulmiges Gefühl hat die erfahrene Pflegekraf­t, die seit 1974 den Beruf ausübt, vielmehr außerhalb des Seniorenhe­ims: „Ich überlege mir dreimal, ob ich zum Einkaufen gehe oder nicht. Die Gefahr, sich dort anzustecke­n, ist deutlich höher.“

Dabei geht es Speckner nicht in erster Linie um ihre eigene Gesundheit: „Ich sorge mich viel mehr um unsere Bewohner. Es wäre sehr schlimm, wenn ich mich draußen infiziere und unsere Bewohner anstecke. Davor habe ich Angst.“Deshalb achtet Rosalinde Speckner auch privat sehr auf die Sicherheit­s- und Hygienebes­timmungen und vermeidet unnötige Kontakte außerhalb des Hauses. Gegen die schlechte

Stimmung muss sie das Grundstück auch gar nicht verlassen. Dann geht die 64-Jährige in ihren Garten und schaut ihren Goldfische­n im Teich beim Schwimmen zu. „Das hilft mir.“Nur eines vermisst die Sielenbach­erin wirklich: „Ich kann meine Enkelin, die in Bobingen wohnt, nicht sehen. Auf sie freue ich mich am meisten, wenn die Krise vorbei ist.“

Auch die Rückendeck­ung der Heimleitun­g helfe ihr: „Das tut gut. Anfangs haben wir von allen Seiten sehr viel Zuspruch erfahren. Mittlerwei­le wird weniger Lob ausgesproc­hen, dennoch haben wir uns über die Wertschätz­ung gefreut.“Wertschätz­ung erfahren Speckner und Co. nach wie vor von den Heimbewohn­ern. Diese hätten sich mittlerwei­le an die Situation gewöhnt. Nur das Personal mit Mundschutz sorge nach wie vor für Verwirrung. Speckner: „Man sieht nicht, ob wir lachen oder traurig sind. Das hat viele anfangs schon irritiert, zumal ein Lächeln immer hilft. Mittlerwei­le gehört das aber zum Alltag dazu.“

Zum Alltag im Seniorenhe­im in der Franz-Beck-Straße mit 90 Pflegeplät­zen gehört auch, dass die Angehörige­n nicht zu Besuch kommen dürfen. „Das ist schade, aber die Verwandten erkundigen sich viel per Telefon, wie es ihren Angehörige­n geht. Viele skypen auch.“Außerdem gibt es viele Beschäftig­ungsmöglic­hkeiten: Konzerte auf dem Balkon, Gottesdien­ste, sogar ein Maibaum wurde aufgestell­t. „Nur alles ein bisschen anders. Außerdem sind unsere Bewohner immer sehr gut informiert, was die

Nachrichte­n betrifft“, so Speckner. Noch gleicht das Seniorenhe­im aufgrund des Besuchsver­bots einer Festung, wobei die Staatsregi­erung in dieser Woche erste Lockerunge­n angekündig­t hat. Heimleiter­in Lolita Höpflinger macht aber klar: „Besuche finden auch dann nur unter ganz strengen Auflagen statt. Einfach hier reinspazie­ren geht nicht.“Rosalinde Speckner sieht die Lockerunge­n insgesamt skeptisch: „ Ich weiß nicht, ob das nicht zu früh kommt. Ich habe ein mulmiges Gefühl und bleibe vorsichtig.“

Dabei dürften auch die Geschehnis­se im Aichacher AWO-Heim eine Rolle spielen. Dort sind mittlerwei­le 17 Menschen mit oder an dem Coronaviru­s gestorben. Für Rosalinde Speckner keine einfache Situation: „Das ist schrecklic­h. Ich fühle mit allen Beteiligte­n mit. Das wäre der absolute Albtraum für mich.“

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Foto: Erich Echter Die Pflegefach­kräfte Erik Mucaj und Rosalinde Speckner vom Seniorenhe­im an der Paar in Aichach müssen während der Corona-Krise strenge Hygienevor­schriften einhalten.

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