Aichacher Nachrichten

Von der Hand in den Mund

-

Franziska Schmid, Memmingen 1944 zogen meine Eltern von Stuttgart ins Allgäu, wo meine Mutter her war. In Stuttgart waren schwere Bombenangr­iffe, mein Vater wollte seine Familie in Sicherheit wissen, denn er wurde noch in den Krieg eingezogen, den er nicht überlebt hatte.

Als der Krieg dann zu Ende war, begann das große Hungern. Das Land war voll von Flüchtling­en und Vertrieben­en, die alle versorgt werden mussten. Auch meine Mutter musste kämpfen, stand sie doch mit vier Kindern zwischen sechs und elf Jahren alleine da. Es begann eine harte Zeit. Das, was es auf Lebensmitt­elmarken zu kaufen gab, reichte nicht aus, um den großen Hunger zu stillen. Wir waren gezwungen zu den Bauern zu gehen, um zu hamstern. Oft wurde uns die Tür vor der Nase verriegelt. Aber es gab auch barmherzig­e Bauern, wir baten dann um etwas Milch oder ein Ei.

Meine beiden Brüder mussten in den Ferien bei den Bauern Vieh hüten und auch beim Heuen und auf dem Feld arbeiten. Mama sagte immer, zwei Esser weniger. Außerdem nutzten wir, was die Natur uns schenkte. Es fing an, wenn die Beeren im Wald reif waren, dann gingen wir jeden Tag dorthin. Zuerst in die Heidelbeer­en, das war sehr mühsam und abends tat uns der

Rücken weh. Dann kamen die Himbeeren, die leichter zu pflücken waren. Zum Essen gab es trockenes Brot, auf das wir Beeren drückten, es schmeckte wunderbar.

War die Beerenzeit zu Ende, kam die Kornernte. Wir gingen mit einem Handwagen auf die abgeerntet­en Felder und klaubten die Weizenähre­n auf, die noch vereinzelt lagen, das war harte Arbeit. Wir banden sie zu kleinen Büscheln. Jeden Tag ging das so. Mama sagte immer, wir müssen so viel Ähren lesen, dass wir Mehl für den ganzen Winter haben. Ein Bauer war so nett und hat uns unseren Weizen gedroschen. Von der Gemeinde bekamen wir einen Schein, der bestimmte, welche Mühle unser Korn mahlen durfte, es war immer ein Festtag, mit so viel Mehl heimzukomm­en. Mama backte dann immer einen Apfelplatz mit den mageren Zutaten, die wir hatten.

Dann kam die Apfelzeit, wir sammelten mit unserem Handwagen die Äpfel, die der Wind von den Bäumen geschüttel­t hat, aber nur von denen am Straßenran­d, darum waren wir oft zehn bis 15 Kilometer unterwegs. Danach kamen die Kartoffeln. Bei einem Bauern half die ganze Familie Kartoffel klauben. Als Lohn bekamen wir Kartoffeln, die das ganze Jahr reichen mussten.

Newspapers in German

Newspapers from Germany