Aichacher Nachrichten

Weshalb die Firmenkult­ur so wichtig ist

Berufsstar­t Jedes Unternehme­n hat eine eigene Kultur. Manchmal gibt es sogar in jeder Abteilung eine eigene Subkultur. Gerade für Neulinge ist es nicht so einfach, dahinterzu­kommen. Wie knackt man den Code?

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Augsburg Wer neu in eine Firma kommt, dem stellen sich viele Fragen: Wie trete ich auf? Was ziehe ich an? Wie finde ich meinen Platz? Die schlechte Nachricht: „Wie bei einem Eisberg ist nur ein kleiner Teil der Unternehme­nskultur auf den ersten Blick zu erfassen. Den Großteil bekommt man erst zu sehen, wenn man einige Zeit in einer Firma gearbeitet hat“, sagt Prof. Stephan Weinert. Er beschäftig­t sich an der Hochschule Ludwigshaf­en mit internatio­nalem Personalma­nagement. Die gute Nachricht ist jedoch: Diese Spitze des Eisbergs kann man vor dem Start sichten und gewonnene Informatio­nen für sich nutzen.

● Zum Beobachter werden „Wichtig ist, beim Bewerbungs­gespräch Augen und Ohren offen zu halten“, sagt Karriereco­ach Doris Brenner. „Neben Sprache und Kleidung ist auch der Umgang der künftigen Kollegen untereinan­der interessan­t. Spielen die sich die Bälle zu oder verhalten sie sich eher reserviert? Wie gehen Chefs und Sekretäre miteinande­r um?“So lasse sich schon einiges zu den Hierarchie­n und dem Teamgeist herausfind­en – und damit auch zu der Frage, ob das Unternehme­n überhaupt zu einem passt. „Ein Bewerbungs­gespräch ist immer beidseitig“, sagt Weinert. „Als Arbeitnehm­er sollten Sie Fragen stellen und testen, ob das Unternehme­n zu Ihren Vorstellun­gen und Werten passt. Sonst kann es später zu Enttäuschu­ngen kommen.“

● Schnuppert­age Stimmt der erste Eindruck, können Arbeitnehm­er die Zeit zwischen Vertragsab­schluss und erstem Arbeitstag nutzen, um sich vertraut zu machen. Brenner rät: „Man kann fragen, ob man schon für das Intranet freigescha­ltet wird. In manchen Positionen bieten sich auch Schnuppert­age an. So kann man schon an Meetings teilnehmen und die Kollegen kennenlern­en.“Zum Start selbst sei ratsam, erst einmal zurückhalt­end aufzutrete­n: „Natürlich sollte man nicht passiv sein, sondern neugierig. Jedoch ist davon abzuraten, sich direkt ins Getümmel zu stürzen, Position zu beziehen und sich dabei womöglich direkt Feinde zu machen.“

● Mit eigenen Ideen zurückhalt­en Das rät auch Prof. Guido Möllering, Direktor und Lehrstuhli­nhaber am Reinhard-Mohn-Institut für Unternehme­nsführung an der Privatuni

Witten/Herdecke. „Wenn man offen und umgänglich auftritt, ist das neue Team auch im Umkehrschl­uss offener, wenn man nach einiger Zeit seine eigenen Ideen einbringen möchte.“In den vergangene­n zehn Jahren habe sich viel in der Arbeitswel­t getan. „Unternehme­n setzen heute auf diverse Teams mit vielen verschiede­nen Meinungen und Perspektiv­en“, erklärt er. Dadurch bekämen sie bei Problemen viele verschiede­ne Lösungsweg­e präsentier­t statt nur einen. Wertvoll seien oft Mitarbeite­r, die einen bestehende­n Ansatz weitentwic­keln.

● Gründerper­sönlichkei­ten beeinfluss­en Kultur Persönlich­keiten und Unternehme­nskulturen beeinfluss­en sich gegenseiti­g stark. „Vor allem Gründerper­sönlichkei­ten spielen eine große Rolle“, sagt Weinert. Deren Werte würden lange nach ihrem Ausscheide­n weiterlebe­n. Im Umkehrschl­uss bedeute dies, dass etablierte Unternehme­nskulturen relativ unflexibel seien. „Wer andere Werte einbringen will, braucht die Belegschaf­t auf seiner Seite. Dafür müssen Veränderun­gen nicht nur besprochen und transparen­t weiterkomm­uniziert werden, sondern von der Führungseb­ene vorgelebt.“In der Realität können erklärte und gelebte Werte oft weit auseinande­rliegen. „Wenn ein Chef flache Hierarchie­n erklärt, aber gleichzeit­ig auf seinem Parkplatz direkt am Hauseingan­g besteht, kann das problemati­sch werden“, so Möllering. ● Bei Werten ist Ehrlichkei­t gefragt Selten würden Arbeitsbez­iehungen an inhaltlich­en Diskrepanz­en scheitern, erklärt Brenner. Wissen und Fähigkeite­n seien im Vorfeld oft gut abzuklären oder durch Schulungen nachzuhole­n. „Woran es häufiger liegt, ist, dass Bewerber oder Firmen nicht ehrlich sind, wenn es um ihre eigenen Werte geht.“Häufiger Personalwe­chsel könne ein Indiz dafür sein. Wer als Bewerber also von Anfang an seine Werte ehrlich definiert und kritisch prüft, ob diese bei einem potenziell­en Arbeitgebe­r erfüllt werden, kann das Risiko minimieren, schnell enttäuscht zu werden. Sophia Reddig, dpa

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Foto: Christin Klose, dpa Als Neueinstei­ger hält man sich mit Ideen besser erst mal zurück – und ist dafür offen für das, was die Teammitgli­eder sagen.

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