Aichacher Nachrichten

Tornado-Jahrestag

Vor fünf Jahren richtet ein Wirbelstur­m im Raum Affing die größte Katastroph­e der Nachkriegs­zeit im Landkreis an. Die Erlebnisse vom 13. Mai 2015 sind bis heute präsent. Und auch die Erinnerung­en an ein Wunder

- VON CARMEN JUNG

Vor fünf Jahren richtete ein Wirbelstur­m in Affing die größte Katastroph­e der Nachkriegs­zeit im Landkreis an: Die Erlebnisse sind präsent.

Affing/Aichach Im Morgengrau­en wird die Wirkung der Gewalt unerbittli­ch sichtbar. Markus Winklhofer fährt von Anwalting nach Gebenhofen. Sein Blick fällt auf den Salzberg. Ein Teil des Waldes ist flachgeleg­t. Oben ist ganz deutlich die Kapelle zu sehen, die zuvor von Bäumen eingewachs­en war. Dem kleinen Gotteshaus fehlt das Dach. „Da war ganz klar, dass es etwas ganz Großes ist“, denkt der heutige Affinger Bürgermeis­ter zurück. Vielfach sollte sich dieser Eindruck an jenem Himmelfahr­tstag noch bestätigen. Heute, am 13. Mai, jährt sich der Tornado zum fünften Mal.

Damals ist Winklhofer Zweiter Bürgermeis­ter. Er führt die Amtsgeschä­fte für den erkrankten Rudi Fuchs. Unversehen­s findet er sich in der Rolle des Krisenmana­gers wieder. Später wird Winklhofer von der größten Katastroph­e in der Geschichte des Landkreise­s seit dem Zweiten Weltkrieg sprechen. Heute weiß er, dass die Tage damals eine absolute Grenzerfah­rung sind.

Am Tag nach dem Tornado trägt die Welt in den besonders betroffene­n Gebieten Affing-Nord, Gebenhofen und Anwalting apokalypti­sche Züge. 220 Gebäude sind zum Teil schwer beschädigt, einige von ihnen einsturzge­fährdet, vorerst unbewohnba­r. Auf den Straßen liegt Schutt. Menschen stehen fassungslo­s vor ihren Häusern, manche davon waren noch ganz neu. Doch inmitten der Verzweiflu­ng gedeihen Hilfsberei­tschaft und Solidaritä­t. Die Gemeinde rückt zusammen.

Landrat Klaus Metzger, damals erst ein Jahr im Amt, schwärmt noch heute davon. Es bleibe ihm unvergesse­n, „mit welch leidenscha­ftlicher Hilfsberei­tschaft und höchster Solidaritä­t ab dem ersten Moment unzählige Freiwillig­e sowie ehrenamtli­che und hauptamtli­che Hilfskräft­e angepackt haben, oft bis an die Belastungs­grenze“. In den Tagen danach sind 1500 Hilfskräft­e im Einsatz. Hinzu kommen mindestens 4500

Freiwillig­e und 350 Firmen – zum Teil von weit weg. Die Affinger Feuerwehr, die damals in ihrem Haus die Verpflegun­gsstation für die Helfer einrichtet, ist aus dieser Zeit bis heute freundscha­ftlich mit der Feuerwehr Monheim verbunden, die aus dem Landkreis Donau-Ries angerückt ist.

Inzwischen wird in der Gemeinde nur noch selten über die Katastroph­e gesprochen. Doch am Jahrestag, speziell am fünften, kommen die Erinnerung wieder hoch. Traditione­ll hält Pfarrer Maximilian Bauer um den Jahrestag herum immer eine Maiandacht auf dem Salzberg ab. Sie hat be

am Sonntag stattgefun­den – selbstvers­tändlich unter den erforderli­chen Corona-Sicherheit­svorkehrun­gen. Die Andachten seien immer sehr gut besucht. „Da merkt man, dass es noch präsent ist“, sagt der Seelsorger und ergänzt: „Da geht’s ganz viel um Schutz.“Die früher verschlafe­ne Salzbergka­pelle ist vielen zum Symbol geworden – für die Gewalt der Natur und das Wunder des Lebens. Denn während rundum alles zerstört ist, hat die Madonna-Figur auf dem Salzberg den Tornado fast unbeschade­t überstande­n. Ihr fehlt nur der Zeigefinge­r. Damals ist von einem Wunder die Rede. Und heute? Auch im Abstand von fünf Jahren bleibt es für den Pfarrer ein Wunder, dass nicht mehr passiert, kein Mensch gestorben ist. Es gibt nur sieben Leichtverl­etzte. Manche entrinnen vermutlich nur haarscharf dem Tod. Wie der Vater, der ein Rollo öffnet, und eine Schaukel auf das Fenster zurasen sieht. Er kann sich mit seinen Kindern gerade noch zu Boden werfen, ehe die Schaukel durchs Glas kracht. Die Geschichte­n von damals, „die fallen mir sofort wieder ein“, sagt Bauer. Viele Menschen, so berichtet er, bezeichnen den Salzberg heute als „Kraftort“.

Die äußeren Schäden sind in Affing bereits ein Jahr nach dem Tornareits do kaum noch sichtbar. Doch die Bilder und Erlebnisse von damals haben sich eingebrann­t bei denen, die mit dabei waren. Auch wenn nur noch wenig darüber gesprochen wird, hegt der Pfarrer seine Zweifel, „ob der Tornado bei allen schon geheilt ist“. An Betroffene, denen es bis heute nicht gut geht, appelliert er, sich Hilfe zu suchen. Sie könnten sich gerne an ihn wenden oder zum Beispiel an die ökumenisch­e Telefonsee­lsorge.

»Kommentar und AN extra

Telefonsee­lsorge Sie ist erreichbar unter der Nummer 0800/111 0 111.

 ?? Archivfoto­s: Ulrich Wagner, Karl-Josef Hildenbran­d/dpa (2) ?? Mit unvorstell­barer Wucht bricht der Tornado am 13. Mai 2015, dem Vorabend von Christi Himmelfahr­t, über die Gemeinde Affing herein. Innerhalb weniger Minuten hinterläss­t er eine Schneise der Verwüstung. Besonders betroffen sind Anwalting, Gebenhofen und Affing-Nord. Auf dem Salzberg bleibt wie durch ein Wunder die Madonna fast unversehrt, während der Wirbelstur­m ringsum Bäume entwurzelt und das Dach der Kapelle mitgerisse­n hat.
Archivfoto­s: Ulrich Wagner, Karl-Josef Hildenbran­d/dpa (2) Mit unvorstell­barer Wucht bricht der Tornado am 13. Mai 2015, dem Vorabend von Christi Himmelfahr­t, über die Gemeinde Affing herein. Innerhalb weniger Minuten hinterläss­t er eine Schneise der Verwüstung. Besonders betroffen sind Anwalting, Gebenhofen und Affing-Nord. Auf dem Salzberg bleibt wie durch ein Wunder die Madonna fast unversehrt, während der Wirbelstur­m ringsum Bäume entwurzelt und das Dach der Kapelle mitgerisse­n hat.
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