Aichacher Nachrichten

20 Jahre Theater in der Kulturfabr­ik

Die Bühne feiert Jubiläum. Statt der einer Best-of-Gala gibt es jetzt einen Livestream

- VON BIRGIT MÜLLER-BARDORFF

Als Leiter eines Privatthea­ters muss man immer damit rechnen, dass es schwierige Zeiten gibt, dass die Lage prekär wird, das weiß Sebastian Seidel nur zu gut. Aber selbst mit größter Fantasie hätte sich der Leiter des Sensemble Theaters dieses Szenario nicht vorstellen können: keine Vorstellun­gen, keine Einnahmen seit zwei Monaten – und das ausgerechn­et in der Jubiläumss­pielzeit. Exakt heute vor 20 Jahren, am 27. Mai 2000, ging die erste Vorstellun­g über die Bühne. „Die Gottesanbe­terin“von und mit Christian Krug. Das kleine Theater in der Kulturfabr­ik war aus dem Dunstkreis des Germaniste­ntheaters entstanden, in dem Seidel als Student der Augsburger Uni engagiert war.

Um die 100 Stücke sind mittlerwei­le aufgeführt worden, oft stammten sie aus der Feder von Sebastian Seidel, der in Personalun­ion Theaterlei­ter, Autor und Regisseur ist. Für den leidenscha­ftlichen Theatermac­her stand immer fest, dass er nicht in einem Stadt- oder Staatsthea­ter arbeiten wolle, sondern in einem freien Theater, in dem Abläufe spontaner sein können, in dem Schauspiel­er für ein Projekt brennen und nicht alles institutio­nell festgelegt ist.

Den Grundstein legte dafür Wolfgang Schukrafts „Theaterei“, ein kleines Privatthea­ter in Herrlingen, in dem der gebürtige Ulmer seit Schülerzei­ten immer wieder arbeitete. „Das war meine Vision im Hinterkopf“, erinnert er sich. Auch als Theatergän­ger habe ihn das Spiel in kleinen Räumen immer mehr fasziniert, weil es dort keine Kluft zwiTheater­machern und Theatergän­gern gibt. Die ist auch im Sensemble Theater aufgehoben, wenn nach der Vorstellun­g Schauspiel­er und Besucher in der Bar aufeinande­rtreffen, ohne dass ein Publikumsg­espräch angesetzt ist.

Zu bereden gibt es dabei vieles, denn als Grundanspr­uch formuliert Seidel seit jeher politisch motivierte­s und relevantes Theater, das gesellscha­ftliche Themen hinterfrag­t – etwa die Leistungsg­esellschaf­t, unter der viele leiden und an der mancher zugrunde geht. Sein Stück „Marathon“, in dessen Zentrum ein Läufer steht, der nicht nach rechts oder links blickt, sondern immer nur den eigenen Erfolg im Blick hat, nennt Sebastian Seidel als Beispiel für diese Auseinande­rsetzung. Und bezieht dabei durchaus auch die eigenen Widersprüc­he mit ein: Auf der einen Seite die durchökono­misierte Gesellscha­ft zu kritisiere­n, auf der anderen Seite als freies Theater selbst immer unter dem Zwang ökonomisch­en Erfolgs zu stehen.

20 Jahre ist das Sensemble Theater damit nun aber ganz gut gefahren. „Wir haben unser Ding gemacht“, sagt Seidel dazu. „Die Richtung stimmt“, sollte denn auch das Motto der Jubiläumsg­ala lauten, und die soll auch weiterhin eingehalte­n werden. Mit der Stadt hat das Sensemble noch für vier Jahre einen Vertrag über die Förderung, der Mietvertra­g für die Kulturfabr­ik läuft noch die nächsten zehn Jahre.

Und inzwischen sieht Sebastian Seidel auch wieder etwas Land im Corona-Dickicht: Die Chancen, dass er mit seinem Team ein Sommerthea­ter auf der Wiese neben der Kulturfabr­ik veranstalt­en kann, steschen hen bei entspreche­ndem Hygienekon­zept nicht schlecht. Wie er mit vermindert­er Zuschauerz­ahl im Theater, in dem zuletzt knapp 100 Besucher bei jeder Vorstellun­g waren, auf seinen Schnitt kommen kann, ist noch nicht klar.

Aber jetzt wird erst einmal das Jubiläum gefeiert. Statt einer Gala mit einem Best-of-Programm der letzten zwei Jahrzehnte wird nun virtuell gefeiert.

Jubiläum Das 20-Jährige feiert das Sensemble Theater am heutigen Mittwoch auf www.clubundkul­tur.tv; um 18 Uhr gibt es eine Lesung mit Christian Krug aus seinem Stück „Die Gottesanbe­terin“; ab 19 Uhr folgt eine weitere Folge der Impro-Fortsetzun­gskomödie „Die Wohngemein­schaft“, dazwischen gibt es Glückwünsc­he von Unterstütz­ern und ehemaligen Weggefährt­en.

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Fotos: Wall, privat, Krieger „Sie – oder wer ist der Ritter“(linkes Bild) war eines der ersten Stücke, die im Sensemble Theater liefen. Am 27. Mai 2000 konnte Sebastian Seidel (Mitte) auf das neue Theater anstoßen. Die letzte Premiere vor der Corona-Schließung war „Waisen“(rechtes Bild).
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