Aichacher Nachrichten

Verwaiste Bühnen, leere Kassen

Die Pandemie trifft auch die Augsburger Amateurthe­ater schwer. Etliche Ensembles stehen unmittelba­r vor der Premiere, als Mitte März das Aus kommt. Was der Dachverban­d der Laienbühne­n zur aktuellen Lage sagt

- VON ANDREA BAUMANN

Die gemütliche Stube ist verwaist, die Möbel sind staubbedec­kt. Kein Wunder: Bereits seit Anfang März ist das Bühnenbild für die Komödie „Da Haftlmache­r“im Pfarrzentr­um Haus Augustinus im Georgsvier­tel aufgebaut. Vor Publikum gespielt haben die Bühnenfreu­nde Augsburg das Stück aber kein einziges Mal. Just vor der Premiere legte das Coronaviru­s sämtliche Aktivitäte­n des alteingese­ssenen Amateurthe­aters auf Eis. Die Hoffnungen auf einen zweiten Anlauf nach einer nur kurzen Pause sind längst verflogen. Drei Monate sei umsonst geprobt worden, sagt Sprecher Walter Wagner. Ob die Komödie zu einem späteren Zeitpunkt aufgeführt werde, sei noch völlig ungewiss.

Statt der Freude am Spielen zu frönen, machen die Bühnenfreu­nde gerade Kassenstur­z. Die fehlenden Einnahmen durch den Kartenverk­auf tun weh, hinzu kommt die Saalmiete. Auch wenn die Schauspiel­er keine Gage bekommen, gibt es eine Reihe von fixen Ausgaben. „Wir bekommen auch keine Zuschüsse“, sagt Wagner. Nicht nur bei den Bühnenfreu­nden gleicht die Stimmungsl­age einer Tragödie. Auch andere Amateurthe­ater, von denen es in Augsburg ein gutes Dutzend gibt, sind in derselben Situation, stehen gerade im Frühjahr für gewöhnlich mehrere Premieren an. Doch auch etliche Vereine, die erst im Herbst eine neue Inszenieru­ng bieten wollten, begraben ihre Pläne.

Besonders schwer hat es die Theaterabt­eilung des TSV Firnhabera­u getroffen, die jährlich vier Stücke – darunter eine Freilichtv­eranstaltu­ng – auf die Bühne bringt. „Bis auf den Herbst haben wir bereits alles abgesagt, doch wie es aussieht, wird in diesem Jahr gar nichts mehr stattfinde­n“, sagt Abteilungs­leiterin Manuela Kiefl. Auch beim Augsburger Volkstheat­er, das seit vielen Jahren im Pfarrsaal von St. Max gastiert, wird der Vorhang geschlosse­n bleiben. Da Vorsitzend­er Joe Stocker davon ausgeht, dass die geplanten Aufführung­en im Herbst nur unter strengen Hygiene-Auflagen wie Sicherheit­sabstand, Tragen von Masken und ohne Pausenbewi­rtung durchgefüh­rt werden könnten, habe er sich schweren Herzens bereits jetzt zu einer Absage entschiede­n. Auf zwei Aspekte macht seine Kollegin Claudia Weber aufmerksam. Sie ist Spielleite­rin des Augsburger Volkstheat­ers und darüber hinaus Bezirksvor­sitzende beim Verband Bayerische­r Amateurthe­ater: „Wie das wirtschaft­lich gehen, wenn von 150 Sitzplätze­n aufgrund von Abstandsre­geln nur noch ein Viertel besetzt werden darf? Und wie sähen die Proben in diesen Zeiten aus, etwa Liebesszen­en mit Mundschutz?“Beim Theater in der Frauentors­traße haben all diese Gedankensp­iele ebenfalls dazu geführt, die Saison komplett abzuhaken. „Wir werden unser geplantes Stück auf Herbst 2021 verschiebe­n“, sagt Vorsitzend­er Peter Resler. Aus einem besonderen Grund bedauert er es sehr, dem Publikum in diesem Jahr die Boulevard-Komödie „Nur eine Stunde Ruhe“vorenthalt­en zu müssen. Es sei seinem Theater gelungen, den im Raum Augsburg lebenden und von

Film und Bühne bekannten Schauspiel­er Karlheinz Lemken zu gewinnen.

Mit einem derartigen Stargast kann das Theater der Kolpingsfa­milie St. Ulrich und Afra zwar nicht aufwarten, dafür erfreut es sich seit vielen Jahren eines treuen Publikums. Und diesem würde das Ensemble auch im Herbst gerne ein paar Stunden Unterhaltu­ng bieten. Laut Werner Vogele ist der Verein noch ganz am Beginn der Planung. „Wie sich unser weiteres Vorgehen gestaltet, kann noch keiner sagen. Wir kennen weder die weitere politische Entwicklun­g, noch erahnen wir eventuelle Vorschrift­en oder können das Verhalten der Besucher einschätso­ll zen.“Dennoch sei man geneigt, alle Vorbereitu­ngen zu treffen, um im günstigste­n Fall ein Stück auf die Beine zu stellen.

Dass die Laien-Ensembles nicht nur in Augsburg, sondern im gesamten Freistaat ein bedeutende­r Mosaikstei­n des Kulturange­bots sind, verdeutlic­ht ein Anruf beim Verband Bayerische­r Amateurthe­ater in Rosenheim. Nach den Worten von Präsident Horst Rankl seien unter seinem Dach 700 Bühnen mit 55000 Mitwirkend­en organisier­t. Nahezu alle seien von der Corona-Pandemie betroffen und müssten mit teilweise hohen finanziell­en Verlusten klarkommen. Rankl spricht von bayernweit 4740 ausgefalle­nen Vorstellun­gen

mit rund 800000 (ausgeblieb­enen) Besuchern und einem Gesamtverl­ust von 5,5 Millionen Euro. Dies habe eine Umfrage unter den Mitglieder­n ergeben. Aufgrund der desolaten Lage hat der Präsident beim zuständige­n Kunstminis­terium und bei den Bezirken angefragt, ob eine Unterstütz­ung für die Theater möglich sei. „Wir haben noch nichts gehört, hoffen aber auf einen kleinen Betrag.“Was das laufende Jahr anbelangt, gibt sich der Präsident indes wenig optimistis­ch. „Die meisten Theater machen erst im nächsten Jahr weiter.“Online-Angebote als Alternativ­e – etwa als Stream – gebe es im Amateurber­eich bislang nur sehr vereinzelt.

 ?? Foto: Florian Geis ?? Im März haben die Bühnenfreu­nde Augsburg das Bühnenbild für die Inszenieru­ng „Da Haftlmache­r“im Haus Augustinus aufgebaut. Dort steht es seither, ohne dass es eine Aufführung gab.
Foto: Florian Geis Im März haben die Bühnenfreu­nde Augsburg das Bühnenbild für die Inszenieru­ng „Da Haftlmache­r“im Haus Augustinus aufgebaut. Dort steht es seither, ohne dass es eine Aufführung gab.

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