Verwaiste Bühnen, leere Kassen
Die Pandemie trifft auch die Augsburger Amateurtheater schwer. Etliche Ensembles stehen unmittelbar vor der Premiere, als Mitte März das Aus kommt. Was der Dachverband der Laienbühnen zur aktuellen Lage sagt
Die gemütliche Stube ist verwaist, die Möbel sind staubbedeckt. Kein Wunder: Bereits seit Anfang März ist das Bühnenbild für die Komödie „Da Haftlmacher“im Pfarrzentrum Haus Augustinus im Georgsviertel aufgebaut. Vor Publikum gespielt haben die Bühnenfreunde Augsburg das Stück aber kein einziges Mal. Just vor der Premiere legte das Coronavirus sämtliche Aktivitäten des alteingesessenen Amateurtheaters auf Eis. Die Hoffnungen auf einen zweiten Anlauf nach einer nur kurzen Pause sind längst verflogen. Drei Monate sei umsonst geprobt worden, sagt Sprecher Walter Wagner. Ob die Komödie zu einem späteren Zeitpunkt aufgeführt werde, sei noch völlig ungewiss.
Statt der Freude am Spielen zu frönen, machen die Bühnenfreunde gerade Kassensturz. Die fehlenden Einnahmen durch den Kartenverkauf tun weh, hinzu kommt die Saalmiete. Auch wenn die Schauspieler keine Gage bekommen, gibt es eine Reihe von fixen Ausgaben. „Wir bekommen auch keine Zuschüsse“, sagt Wagner. Nicht nur bei den Bühnenfreunden gleicht die Stimmungslage einer Tragödie. Auch andere Amateurtheater, von denen es in Augsburg ein gutes Dutzend gibt, sind in derselben Situation, stehen gerade im Frühjahr für gewöhnlich mehrere Premieren an. Doch auch etliche Vereine, die erst im Herbst eine neue Inszenierung bieten wollten, begraben ihre Pläne.
Besonders schwer hat es die Theaterabteilung des TSV Firnhaberau getroffen, die jährlich vier Stücke – darunter eine Freilichtveranstaltung – auf die Bühne bringt. „Bis auf den Herbst haben wir bereits alles abgesagt, doch wie es aussieht, wird in diesem Jahr gar nichts mehr stattfinden“, sagt Abteilungsleiterin Manuela Kiefl. Auch beim Augsburger Volkstheater, das seit vielen Jahren im Pfarrsaal von St. Max gastiert, wird der Vorhang geschlossen bleiben. Da Vorsitzender Joe Stocker davon ausgeht, dass die geplanten Aufführungen im Herbst nur unter strengen Hygiene-Auflagen wie Sicherheitsabstand, Tragen von Masken und ohne Pausenbewirtung durchgeführt werden könnten, habe er sich schweren Herzens bereits jetzt zu einer Absage entschieden. Auf zwei Aspekte macht seine Kollegin Claudia Weber aufmerksam. Sie ist Spielleiterin des Augsburger Volkstheaters und darüber hinaus Bezirksvorsitzende beim Verband Bayerischer Amateurtheater: „Wie das wirtschaftlich gehen, wenn von 150 Sitzplätzen aufgrund von Abstandsregeln nur noch ein Viertel besetzt werden darf? Und wie sähen die Proben in diesen Zeiten aus, etwa Liebesszenen mit Mundschutz?“Beim Theater in der Frauentorstraße haben all diese Gedankenspiele ebenfalls dazu geführt, die Saison komplett abzuhaken. „Wir werden unser geplantes Stück auf Herbst 2021 verschieben“, sagt Vorsitzender Peter Resler. Aus einem besonderen Grund bedauert er es sehr, dem Publikum in diesem Jahr die Boulevard-Komödie „Nur eine Stunde Ruhe“vorenthalten zu müssen. Es sei seinem Theater gelungen, den im Raum Augsburg lebenden und von
Film und Bühne bekannten Schauspieler Karlheinz Lemken zu gewinnen.
Mit einem derartigen Stargast kann das Theater der Kolpingsfamilie St. Ulrich und Afra zwar nicht aufwarten, dafür erfreut es sich seit vielen Jahren eines treuen Publikums. Und diesem würde das Ensemble auch im Herbst gerne ein paar Stunden Unterhaltung bieten. Laut Werner Vogele ist der Verein noch ganz am Beginn der Planung. „Wie sich unser weiteres Vorgehen gestaltet, kann noch keiner sagen. Wir kennen weder die weitere politische Entwicklung, noch erahnen wir eventuelle Vorschriften oder können das Verhalten der Besucher einschätsoll zen.“Dennoch sei man geneigt, alle Vorbereitungen zu treffen, um im günstigsten Fall ein Stück auf die Beine zu stellen.
Dass die Laien-Ensembles nicht nur in Augsburg, sondern im gesamten Freistaat ein bedeutender Mosaikstein des Kulturangebots sind, verdeutlicht ein Anruf beim Verband Bayerischer Amateurtheater in Rosenheim. Nach den Worten von Präsident Horst Rankl seien unter seinem Dach 700 Bühnen mit 55000 Mitwirkenden organisiert. Nahezu alle seien von der Corona-Pandemie betroffen und müssten mit teilweise hohen finanziellen Verlusten klarkommen. Rankl spricht von bayernweit 4740 ausgefallenen Vorstellungen
mit rund 800000 (ausgebliebenen) Besuchern und einem Gesamtverlust von 5,5 Millionen Euro. Dies habe eine Umfrage unter den Mitgliedern ergeben. Aufgrund der desolaten Lage hat der Präsident beim zuständigen Kunstministerium und bei den Bezirken angefragt, ob eine Unterstützung für die Theater möglich sei. „Wir haben noch nichts gehört, hoffen aber auf einen kleinen Betrag.“Was das laufende Jahr anbelangt, gibt sich der Präsident indes wenig optimistisch. „Die meisten Theater machen erst im nächsten Jahr weiter.“Online-Angebote als Alternative – etwa als Stream – gebe es im Amateurbereich bislang nur sehr vereinzelt.