Aichacher Nachrichten

Ein etwas anderer Unesco-Wasserspaz­iergang

Urlaub zuhause Viele Wege führen in der Stadt zum Wasser: Eine Route mit Kraftwerke­n, einer Biberrutsc­he, dem letzten Gerber und einem Brückchen, wo einst unbekleide­te Augsburger die Nonnen von St. Ursula erschreckt­en – Serie (1)

- VON FRIDTJOF ATTERDAL

In das Unesco-Welterbeth­ema Wasser kann man in Augsburg auch ganz leise und abseits der wichtigen Sehenswürd­igkeiten eintauchen. Wer weiß, wo er hinschauen muss, entdeckt mitten in der Stadt viele schöne, interessan­te oder auch erholsame Flecken, die allesamt etwas mit Wasser zu tun haben, sagt Fremdenfüh­rerin Elisabeth Retsch. Seit über 20 Jahren hat sie das Augsburger Wasser zum Mittelpunk­t ihrer Führungen gemacht.

„Bevor es losgeht, lohnt ein Besuch im Maxmuseum, wo man sich kostenlos die Originale unserer wunderbare­n Brunnenfig­uren ansehen kann“, rät die Gästeführe­rin. Unser Spaziergan­g beginnt dann auch an einem der Prachtbrun­nen, nämlich am Augustusbr­unnen auf dem Rathauspla­tz. Wer sich einen über die 22 WelterbeOb­jekte des Augsburger Wassersyst­ems verschaffe­n möchte, wirft einen Blick auf die Schaukäste­n am Perlachtur­m, bevor der Spaziergan­g über den Perlachber­g mit dem „Abstieg“von der Oberstadt in die Altstadt beginnt. Die Stadtmetzg von Elias Holl, das ehemalige Schlachtha­us der Stadt, würde man nicht sofort mit Wasser in Verbindung bringen. „Sie steht auf der UnescoList­e, weil zur Kühlung des Fleisches einfach der Vordere Lech mitten durch den Keller des Gebäudes geleitete wurde“, weiß Retsch zu berichten. Durch ein Tor im Schlachtha­usgässchen geht der Spaziergan­g in den Kapitelhof, wo einst die Dienstleut­e des Domkapitel­s ihre Wohnungen hatten. Hier stößt man das erste Mal bewusst auf das Wasser, das der Altstadt ihren Charakter verleiht. Gleich drei Stadtkanäl­e, der Vordere, der Mittlere und der Hintere Lech fließen hier kurz hinter dem Brechthaus zusammen. „Brecht hat das Wasser an seinem Geburtshau­s in Gedichten, wie der ,Ballade vom Wasserrad‘ verarbeite­t, weiß Retsch. An der Altstadtkn­eipe Drunken Monkey vorbei stoßen wir wieder auf die Barfüßerst­raße, wo wir uns nach rechts wenden, um in den Mittleren Lech einzubiege­n. Dort gibt es ein kleines Brückchen, das zu einem der unzähligen Wasserkraf­twerke führt, die die Augsburger Wirtschaft seit dem Mittelalte­r antreiben und die heute in der Stadt für Strom sorgen.

Das kleine private Kraftwerk, das immerhin 40 Haushalte mit Strom versorgen kann, hat eine Besonderhe­it: die einzige Biberrutsc­he im Stadtgebie­t. „Für den Biber, der sich hier schon vor Jahren häuslich niedergela­ssen hat, ist hier eigentlich Schluss“, weiß die Führerin. Damit der Bursche seinen Weg im Mittleren Lech fortsetzen kann, hat ihm die Stadt eine kleine Rutsche gebaut, auf der er bäuchlings ins Wasser hinter dem Kraftwerk rutschen kann. Leider liegt die Rampe so, dass man sie von der Brücke aus nicht sehen kann. An die 120 Biber leben in den Kanälen im Stadtgebie­t, so Retsch.

Weiter geht es am Mittleren Lech, entlang der Mauer des Klosters Maria Stern – auf Höhe der Hausnummer 12 geht es durch ein Metalltor zum Vorderen Lech. Hier stoßen wir auf das zweite Kraftwerk des Spaziergan­gs, das alle zwei Stunden ein Spektakel bietet: Regelmäßig reinigt ein automatisc­her Schieber den Rechen des Kraftwerks – dazu wird das Wasser kurzfristi­g umgeleitet und strömt schäumend unter den Füßen des Beobachter­s vorbei, so Retsch. Kurz darauf versperrt eine Baustelle den Weg, weshalb es ein Stück zurück und dann über das Bauerntanz­gäßchen zum Holbeinpla­tz geht. Auf dem Platz findet man einen der zahlreiche­n Trinkbrunn­en, die die Stadtwerke unterhalte­n und aus denen bestes Augsburger Trinkwasse­r fließt.

Weiter am Vorderen Lech kann man auf Höhe von Hausnummer 22 rechts einen interessan­ten Abstecher machen. Hier kommt man zum Hinterhof der letzten noch arbeitenÜb­erblick den Gerberei der Stadt. „Die Gerber haben früher unglaublic­h viel Wasser gebraucht und waren deshalb hier am Kanal angesiedel­t“, weiß die Fremdenfüh­rerin. Wenn man den Kopf in den Nacken legt, kann man ganz oben unter dem Dach der Gerberei Aigner die an der Luft trocknende­n Tierhäute sehen. Nach diesem Abstecher geht es über den Holbeinpla­tz wieder zum Mittleren Lech, wo der Spaziergan­g jetzt entlang der Mauern des Klosters St. Ursula führt. Die Straße heißt jetzt „Bei St. Ursula“. Dort gibt es ein Brücklein, das zur Klosterkir­che hinüberfüh­rt. An dieser Stelle fließt der Kanal als Schwallech bis zum Brücklein und teilt sich dort in den Mittleren und Hinteren Lech. „Hier war im 17. Jahrhunder­t eine beliebte Badestelle der Augsburger – und es gab „Zwischenfä­lle“, weil im Übermut unbekleide­te Badegäste die Nonnen in der Klosterkir­che besuchten“, weiß die Gästeführe­rin.

Entlang dem Schwallech geht es jetzt weiter. Nach dem Überqueren der Straße „Am Schwall“rauscht der Kanal richtig laut, weil er mit einigem Gefälle über Schwellen in Richtung Altstadt braust. Am Schwallech sieht man ein großes Wasserrad, ein Nachbau der Wasserräde­r, die früher die verschiede­nsten Maschinen der Handwerker angetriebe­n haben. Am Ende der Schwibboge­nmauer überqueren wir die Margareten­straße, um uns dort links auf den kleinen Weg ins Grüne entlang des Stadtgrabe­ns zum Hospitalst­ift zu machen. Hier kann man einen Abstecher ins Kräutergär­tlein machen, wo jedermann zum Eigenbedar­f pflücken darf. Am Hospitalst­ift kann man noch in den Handwerker­hof gehen, von wo man die berühmten Wassertürm­e der Stadt aus nächster Nähe sehen kann. Wer noch nicht müde ist, kann den Spaziergan­g dann noch in die Wallanlage­n am Roten Tor ausweiten.

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Fotos: Atterdal Auf den Spuren des Wassers gibt es in Augsburg viel zu entdecken: Im Handwerker­hof hat man einen guten Blick auf die historisch­en Wassertürm­e.
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Elisabeth Retsch ist Gästeführe­rin der Regio und Augsburgs Wasserexpe­rtin.

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