Aichacher Nachrichten

Mehr als 1000 alte Obstbäume im Wittelsbac­her Land erfasst

Projektzie­l ist Erhalt der alten Sorten. Landkreis Aichach-Friedberg legt auf drei Hektar Kreisgut-Fläche östlich von Aichach als Erhaltungs­garten an und bildet Obstbaumpf­leger aus

- VON GERLINDE DREXLER

Aichach Der Hügelshart­er Gravenstei­ner ist eine Apfelsorte, die es fast ausschließ­lich im Wittelsbac­her Land gibt. Ebenso der „Schöner aus Gebenhofen“. Das ergab eine Zählung von alten Apfel- und Birnenbäum­en, die im Rahmen des Leader-Kooperatio­nsprojekte­s „Erhaltung der Obstsorten­vielfalt in Nordschwab­en“durchgefüh­rt worden war. 6500 Obstbäume wurden insgesamt erfasst, davon über 1000 im Landkreis. Hans-Thomas Bosch, Pomologe und Projektlei­ter, präsentier­te die Ergebnisse am Samstag vor rund 100 Zuhörern im Kreuzgratg­ewölbe in Aichach.

Viele Kilometer legten Bosch und seine Helfer zurück, um die alten Bäume zu erfassen. Über 260 Adressen standen auf seiner „Reiseliste“, die ihn quer durch das Wittelsbac­her Land sowie in die Landkreise Augsburg, Donau-Ries und NeuUlm führte. Warum es für ihn so wichtig war, vor Ort zu sein, begründete er so: „Wenn Sie nur Quellen nutzen und nicht draußen waren, werden Sie nur einen Bruchteil abbilden können.“Von 2016 bis 2019 lief das Projekt, bei dem unter Federführu­ng des Vereins Monheimer Alb-Altmühljur­a die Streuobste­rfassung in Schwaben komplettie­rt werden sollte.

„Ganz viele Menschen haben sich über die Zeit hinweg engagiert“, sagte Landrat Klaus Metzger. Zum Beispiel die Gartenbauv­ereine und Gartenbesi­tzer, die Standorte von alten Obstbäumen meldeten, Mitarbeite­r der jeweiligen Landratsäm­ter und Ehrenamtli­che, die das Projekt unterstütz­ten. Wie zum Beispiel Wendelin Schuster aus Sielenbach. Er hat in seinem Garten nicht nur einen großen Bestand an alten Obstbaumso­rten. Der Gärtnermei­ster machte auch an den dokumentie­rten Bäumen im Landkreis den Reiserschn­itt, um sie für die Nachzucht zu erhalten.

Den Bestand im Wittelsbac­her Land dokumentie­rte der Projektlei­ter unter anderem in Freienried (Gemeinde Eurasburg), Friedberg und dem Stadtteil Ottmaring, Schorn (Markt Pöttmes), Rehling, Edenried (Stadt Aichach) und Rieden (Gemeinde Dasing). Mit den 6500 Bäumen, die er im gesamten Projektgeb­iet erfasst hatte, war Bosch überzeugt: „Anhand dieser Zahl kann man sagen, dass wir das wesentlich­e Sortiment abgebildet haben.“

Sicher bestimmen konnten der Pomologe und sein Team bisher 210 Apfel- und 71 Birnensort­en. Von weiteren 76 Apfel- und Birnensort­en würden sie bisher den Sortenname­n noch nicht kennen, so der Projektlei­ter. „Es wird immer schwierige­r, den Bezug zur Historie herzustell­en“, sagte Bosch mit Blick auf die mindestens 100 Jahre, die die Obstbäume alt sind. Auch unbekannte Sorten seien erhaltensw­ert, betonte er. „Man braucht sie genauso wie Sorten mit Namen zum Beispiel als Genpool.“

Zu den beiden regionalty­pischen Sorten, die es bis auf Ausnahmen nur im Wittelsbac­her Land gibt, gehört der Hügelshart­er Gravenstei­ner. Von den 44 erfassten Bäumen stehen 39 im Landkreis, fünf im Landkreis Augsburg. 23 von 25 dokumentie­rten Bäumen der Sorte „Schöner aus Gebenhofen“sind ebenfalls im Wittelsbac­her Land. Nur jeweils einen Baum fand Bosch in den Landkreise­n Augsburg und Donau-Ries.

Zu den gefährdete­n Sorten gehören im Landkreis Salemer Klosterapf­el, Martiniapf­el und Nimmermür. Hier konnte Bosch jeweils nur noch einen Baum erfassen. Als gefährdete regionalty­pische Birnensort­e bezeichnet­e er die Schwäbisch­e Wasserbirn­e. In einer Abschlussb­roschüre, die voraussich­tlich Mitte November erscheinen wird, können die Ergebnisse nachgelese­n werden.

Warum der ganze Aufwand, um den Bestand an alten Obstsorten zu erfassen? Das fasste Landrat Metzger so zusammen: „Die Sortenviel­falt ist ein bedeutende­s genetische­s Erbe, das ohne unser Engagement nicht überdauern kann.“Die Ergebnisse der Erfassung, auch aus weiteren schwäbisch­en Landkreise­n, werden zentral in der Versuchsst­ation für Obstbau in Schlachter­s (Landkreis Lindau) aufbewahrt. Um das genetische Erbe praktisch zu sichern, stellt der Landkreis beim alten Kreisgut eine rund drei Hektar große Fläche zur Verfügung, auf der ein Obsterhalt­ungsgarten eingericht­et werden soll (wir berichtete­n).

In einem neuen Leader-Projekt geht es um die Pflege des Gartens. Der Landkreis plane dafür die Ausbildung von 20 qualifizie­rten Obstbaumpf­legern, sagte Kreisfachb­eraterin Manuela Riepold. Die kostenlose­n Kurse sollen nächstes Jahr beginnen. Riepold wünscht sich junge Teilnehmer, die „die Pflege des Erhaltungs­gartens über viele Jahre umsetzen können“.

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Foto: Rose Böttcher (Symbolbild) Im Rahmen des Leader‰Kooperatio­nsprojekte­s „Erhaltung der Obstsorten­vielfalt in Nordschwab­en“wurden im Wittelsbac­her Land 1000 alte Obstbäume erfasst.
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Etliche Besucher der Abschlussv­eranstaltu­ng hatten Äpfel mit‰ gebracht, um sie von dem Pomologen und Agraringen­ieur Hans‰Thomas Bosch (links) bestimmen zu lassen.
 ?? Fotos: Gerlinde Drexler ?? Alte Apfel‰ und Birnensort­en zu erhalten, ist das Ziel des Lead‰ er‰Kooperatio­nsprojekte­s. Auf einem Plakat sind ein Teil der alten Sorten festgehalt­en.
Fotos: Gerlinde Drexler Alte Apfel‰ und Birnensort­en zu erhalten, ist das Ziel des Lead‰ er‰Kooperatio­nsprojekte­s. Auf einem Plakat sind ein Teil der alten Sorten festgehalt­en.

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