Ärzte fordern mehr Impfstoff gegen Grippe
Bisher verfügbare Menge reicht offenbar nicht für alle Risikopatienten
Berlin In der Debatte um den Nutzen von Grippe-Impfungen in Corona-Zeiten warnen Kinder- und Jugendärzte vor einer Unterversorgung mit Impfstoff. Laut einer Empfehlung des Robert-Koch-Instituts sollten sich Risikogruppen und Menschen über 60 gegen die Influenza impfen lassen, um schwere Influenza-Verläufe zu verhindern und Engpässe in Krankenhäusern zu vermeiden. Das Problem: In Deutschland wird mit maximal 26 Millionen Impfdosen gerechnet. „Wenn man von 83 Millionen Menschen in diesem Land ausgeht und davon diejenigen abzieht, die noch kein halbes Jahr alt sind, dann ist selbsterklärend, dass diese Menge nur ausreichen kann, wenn man von einer nach wie vor niedrigen Impfrate ausgeht“, sagte der Präsident des Berufsverbandes der Kinderund Jugendärzte, Thomas Fischbach, unserer Redaktion.
Das zuständige Paul-Ehrlich-Institut vermeldete mit Stand letzten Freitag rund 19,1 Millionen bislang verfügbare Dosen. „Uns ist unter den derzeitigen Bedingungen wichtig, dass diejenigen geimpft werden können, die in den Indikationsbereich fallen, also zum Beispiel chronisch kranke Kinder oder eben auch ältere Menschen“, sagte Fischbach. Derzeit reiche die Impfstoffmenge aber offenbar nur für rund zwei Drittel der Risikopatienten. „Also selbst die würde man nicht alle erreichen.“
Während in der Schweiz eine Diskussion darüber entbrannt ist, es Großbritannien gleichzutun und zuerst die Kinder gegen Grippe zu impfen, konzentriert sich die Impfstrategie in Deutschland vorzugsweise auf die Älteren. Diese von der Ständigen Impfkommission beim Robert-Koch-Institut vertretene Sichtweise hält Fischbach für sinnvoll. Er betonte gleichzeitig aber die Notwendigkeit, auch die Kleinen zu impfen. „Denn wir wissen, dass die
Kinder das sogenannte Feuer der Influenza sind. Sie erkranken erst und stecken dann die anderen an. Anders als bei Corona übrigens“, erklärte Fischbach. „Unser Verband setzt sich deshalb für eine generelle Grippe-Impfung für alle Altersgruppen ein“, ergänzte der Kölner Mediziner und betonte, dass dafür aber eben „mehr Impfdosen hergestellt werden“müssten.
Impfungen in Apotheken, wie sie jetzt im Rahmen eines Modellprojekts in einigen Bundesländern möglich sind, lehnt der Verband mit seinen rund 12 000 Kinder- und Jugendärzten ab. „Jetzt auf einmal sollen Apotheker, die ja keine medizinische Ausbildung haben, eine medizinische Leistung erbringen“, kritisierte Fischbach. Die Arztpraxen seien im Gegensatz zu den Apotheken auf die besonderen Bedürfnisse der Impfpatienten eingerichtet. In
Trotz Corona keine höhere Impfbereitschaft
Apotheken gebe es oftmals nicht einmal einen passenden Raum. Außerdem würden Apotheker pro Impfung 12,61 Euro erhalten, zusätzlich werde der Impfstoff erstattet. Ärzte bekamen bisher zwischen 7,47 Euro und 9,43 Euro.
Die Zahl der Impf-Willigen ist im Übrigen, wenn es um die Grippe geht, bisher nicht gestiegen, hat Fischbach in seiner Praxis beobachtet. „Das wundert mich vor dem Hintergrund, dass an anderer Stelle die Angst vor Corona ja stellenweise fast schon hysterisch ist“, sagte er. „Wahrscheinlich wird die Gefahr von Corona im Vergleich zur Grippe nicht korrekt bewertet. In der Grippesaison 2017/2018 hatten wir 25 000 Tote zu beklagen.“
An diesem Mittwoch will sich Bundesgesundheitsminister Jens Spahn zur Grippe-Impfung in Zeiten von Corona äußern. Im
schätzt Stefan Lange die Lage ein.