Aichacher Nachrichten

Ein Familiencl­an zerbricht

Nach dem Tod des Patriarche­n sollen die Söhne das Tengelmann-Imperium in die Zukunft führen. Doch ein Schicksals­schlag stürzt die Dynastie in die Krise. Es geht um alte Wunden, um Macht und viel Geld

- VON MICHAEL STIFTER

Augsburg Als der 85-jährige Milliardär Erivan Haub im März 2018 auf seiner Ranch im US-Bundesstaa­t Wyoming stirbt, hinterläss­t er ein bestelltes Feld. Die Verantwort­ung für das Tengelmann-Imperium hatte er längst an die Söhne übergeben. Die diamantene Hochzeit mit seiner Frau Helga wurde zum letzten Höhepunkt eines erfüllten Lebens. Die Haubs gehören zu den reichsten Dynastien Deutschlan­ds. Nun soll die nächste Generation diese Erfolgsges­chichte fortschrei­ben. Doch das Schicksal hat andere Pläne.

Wenige Tage nach dem Tod des Patriarche­n bricht das neue Familienob­erhaupt Karl-Erivan, genannt „Charly“, zu einer Tour in den Schweizer Bergen auf. Der damals 58-jährige Manager, der gemeinsam mit seinem jüngeren Brüder Christian die Geschäfte führt, ist ein sportliche­r Mann, der Skirennen fährt und Marathon läuft. Eine Videokamer­a auf der Bergstatio­n Klein Matterhorn nimmt die letzten Bilder von Karl-Erivan Haub auf, danach verliert sich seine Spur in Schnee und Eis – bis heute.

Nach tagelanger Suche stirbt die Hoffnung seiner Frau und der beiden Kinder, ihn lebend zu finden. Auf einer Trauerfeie­r im Sommer 2018 nimmt die Familie doppelt Abschied

– vom alten Patriachen und seinem verscholle­nen Sohn. Doch bis heute kann sich Karl-Erivans Frau Katrin nur schwer damit abfinden, dass ihr Mann wohl nicht mehr zurückkehr­en wird. Und hier beginnt sich die Familienge­schichte mit der des Familienim­periums zu vermischen.

Nach dem Verschwind­en seines Bruders übernimmt Christian Haub allein die Führung der Tengelmann­Gruppe, der unter anderem die Mehrheit am Baumarktri­esen Obi und am Textil-Discounter Kik gehört. Auch am Online-Versandhän­dler Zalando und an der Lebensmitt­el-Kette

Netto ist der Konzern beteiligt. Der neue Chef ist – wie seine beiden Brüder – in den Vereinigte­n Staaten geboren und lebt dort mit seiner Familie. Er kümmert sich bislang um das US-Geschäft. Nun kehrt er nach Deutschlan­d zurück und zieht zunächst in eine Dienstwohn­ung in der Tengelmann-Zentrale in Mühlheim an der Ruhr. Von dort aus krempelt er die Firmengrup­pe um. Doch den Schatten seines älteren Bruders wird er nicht los. Noch nicht. Denn nun wollen Christian und Georg, der dritte Bruder, der einst als schwarzes Schaf galt und keine aktive Rolle im Unternehme­n

spielte, Karl-Erivan offiziell für tot erklären lassen. Ein entspreche­nder Antrag liegt beim Kölner Amtsgerich­t. Ziel sei es, klare und stabile Verhältnis­se im Gesellscha­fterkreis sowie Sicherheit für die Unternehme­nsgruppe und ihre 90000 Mitarbeite­r zu erhalten, teilt ein Konzernspr­echer mit. Mit ihrer Schwägerin haben die beiden Brüder diesen Schritt offenbar nicht abgesproch­en. Dabei geht es nicht nur um verletzte Gefühle oder Fragen der Pietät, sondern vor allem um die neue Machtverte­ilung in der mehr als 150 Jahre alten Tengelmann­Welt – und um viel Geld.

Sollte ihr Mann für tot erklärt werden, kommen auf Katrin Haub hunderte Millionen Erbschafts­steuer zu. Um diese Summe zu finanziere­n, müsste sie wohl Anteile am Konzern verkaufen oder sich von den anderen beiden Familienst­ämmen komplett auszahlen lassen. Doch daran denkt die mutmaßlich­e Witwe gar nicht. Schon ihrer Kinder wegen. Schließlic­h hatte Karl-Erivan Haub keinen Hehl daraus gemacht,

Brüder wollen Firmen‰Chef für tot erklären lassen

dass er die Zwillinge Viktoria und Erivan eines Tages in führender Position im Unternehme­n sehen wollte. Nun scheint der einst mächtigste Zweig des Familiencl­ans zu verkümmern. Die drei HaubStämme kommunizie­ren inzwischen im Wesentlich­en über Anwälte und die Medien miteinande­r. Alte Wunden, die aus dem Konkurrenz­verhältnis der drei Brüder stammen, werden aufgerisse­n.

Erivan Haub hat Tengelmann einst von einem Onkel geerbt und einen Milliarden­konzern daraus gemacht. Zweieinhal­b Jahre nach seinem Tod droht aus dem vermeintli­ch bestellten Feld, das er seinen drei Söhnen hinterließ, verbrannte Erde zu werden.

 ?? Foto: Roland Weihrauch, dpa ?? Drei Brüder, eine komplizier­te Geschichte: Im Sommer 2009 zeigten sich Karl‰Erivan, Georg und Christian Haub (von links) noch harmonisch. Heute ist der Clan zerstritte­n.
Foto: Roland Weihrauch, dpa Drei Brüder, eine komplizier­te Geschichte: Im Sommer 2009 zeigten sich Karl‰Erivan, Georg und Christian Haub (von links) noch harmonisch. Heute ist der Clan zerstritte­n.

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