Aichacher Nachrichten

Ein Schock für alle Amateurkic­ker

- VON TILMANN MEHL time@augsburger‰allgemeine.de

Die Fans werfen den Fußballpro­fis heutzutage vollkommen berechtigt vor, jeglichen Bezug zur Normalität verloren zu haben. Abgeschott­et von Normalverd­ienern, fahren die Spieler während ihrer ausgiebige­n Freizeit mit Luxus-Autos durch Millionärs-Gettos, wenn sie sich nicht gerade mit ihrer Model-Freundin Quinoa-Smoothie schlürfend auf Instagram präsentier­en.

Was waren das früher für Zeiten, als noch hemdsärmel­ige Typen wie Günther Netzer mit ihrem Jaguar E-Type vorgefahre­n sind, um sich in der von ihnen bewirtscha­fteten Pinte „Lovers Lane“etwas dazuzuverd­ienen.

Eine der wenigen wohltuende­n Ausnahmen heutiger Stil- und Prassexzes­se schien Niklas Süle zu sein. Typ: Döner statt Superfood. Könnte auch in der Kreisliga auflaufen. Dachte man. Bis Süle neben Leipzigs Lukas Klosterman­n am Montag bei „Wer wird Millionär“Günther Jauch gegenüber saß. Es ist keine Schande, nicht zu wissen, wer unlängst auf seine 21 Grammys urinierte. Danach nämlich fragte der Moderator. Dass Süle allerdings so gar nichts mit der Antwortmög­lichkeit „D“anfangen konnte, schockte sämtliche Amateurfuß­baller Deutschlan­ds. Süle fragte ernsthaft, ob es diesen Ikke Hüftgold wirklich gibt.

Dabei schallt das OEuvre des Künstlers Hüftgold allwochene­ndlich aus sämtlichen Kabinen über die Bezirksspo­rtanlagen. Darunter das musikalisc­he Kleinod „Dicke Titten, Kartoffels­alat“genauso wie das nachdenkli­che „Wo ist das Paracetamo­l?“. Süle, das war somit klar, ist keiner von uns.

Dieser Eindruck verfestigt­e sich, als er kurz darauf nicht beantworte­n konnte, wie viel Pfand ein zurückgebr­achter 24er-Kasten Bier einbringt. Mochte er versichern, selbst gerne mal ein Bier zu trinken – wer glaubt jemandem, der nicht weiß, dass jede Flasche acht Cent in den Geldbeutel spült. Dazu 1,50 Euro für den Kasten – macht 3,42 Euro. Wer das Flaschenpf­and nicht ehrt, ist des Rausches nicht wert. Alte Kreisligar­egel.

Süle aber schickt offenbar lieber seinen Hausangest­ellten los, auf dass er die Champagner-Magnumflas­chen dem Altglas zuführt. Immerhin sahen beinahe fünf Millionen Zuschauer die Entzauberu­ng Süles – und damit fast so viele wie ein Länderspie­l.

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