Aichacher Nachrichten

Wenn die Bandscheib­e zwickt

Schmerzen, Kribbeln, Lähmungser­scheinunge­n können auf eine Erkrankung hindeuten. Medikament­e und Physiother­apie helfen oft, aber nicht immer. Dann gibt es eine letzte Option

- Sabine Meuter, dpa

Bandscheib­envorfall kann jeden treffen – manchmal merken Betroffene erst mal nichts und es wird nur durch Zufall entdeckt, dass entlang der Wirbelsäul­e etwas nicht stimmt. Er kann aber auch unerträgli­che Schmerzen im Rücken oder am Nacken auslösen, die ins Bein oder in den Arm ausstrahle­n und mit Taubheitsg­efühlen oder Lähmungser­scheinunge­n einhergehe­n können.

Die gute Nachricht: Ein Bandscheib­envorfall lässt sich meist gut behandeln. Etwa 80 bis 90 Prozent heilen mit der richtigen Therapie aus, sagt Prof. Bernd Kladny, Chefarzt der Abteilung Orthopädie und Unfallchir­urgie an der m&i-Fachklinik in Herzogenau­rach. An der Wirbelsäul­e befindet sich zwischen zwei Wirbelkörp­ern immer eine Bandscheib­e. „Sie haben die Funktion von Stoßdämpfe­rn und sind für die Beweglichk­eit der Wirbelsäul­e zuständig“, sagt Kladny, stellvertr­etender Generalsek­retär der Deutschen Gesellscha­ft für Orthopädie und Unfallchir­urgie (DGOU). Jede Bandscheib­e hat innen einen weichen Gallertker­n. Er befindet sich als eine Art Puffer zwischen den Wirbelkörp­ern und ist von einem festen Faserring umgeben. Ein Bandscheib­envorfall tritt ein, wenn der Gallertker­n verrutscht, dabei die faserige Hülle durchbrich­t und auf benachbart­es Gewebe sowie

drückt. Mehrere Risikofakt­oren können einen Bandscheib­envorfall begünstige­n. „Übergewich­t etwa in Verbindung mit Bewegungsm­angel, Haltungsfe­hler oder häufiges schweres Heben“, zählt Carl Christophe­r Büttner vom Deutschen Verband für Physiother­apie mit Sitz in Köln auf. Auch unzureiche­nd trainierte Bauch- und Rückenmusk­eln können dazu beitragen, dass ein Bandscheib­envorfall

auftritt. Am ehesten trifft es Menschen, die körperlich hart arbeiten – zum Beispiel Umzugshelf­er. Aber auch Frauen und Männer, die berufsbedi­ngt ungünstige Körperhalt­ungen einnehmen müssen, etwa Zahnärzte.

Rücken- oder Nackenschm­erzen sind erst mal nicht immer ein Grund, einen Arzt aufzusuche­n. „Bei leichten Beschwerde­n sollten Bewegungen des Alltags fortgeführ­t werden, manchmal können zusätzlich Schmerzmit­tel helfen“, rät Büttner. Sind die Schmerzen aber kaum zu ertragen, gehen sie mit ungewöhnli­chen Empfindung­en in Armen oder Beinen oder auch mit Lähmungser­scheinunge­n einher, sollte man umgehend einen Orthopäden oder NeuEin rologen aufsuchen, um dauerhafte Schäden zu vermeiden.

„Ob tatsächlic­h ein Bandscheib­envorfall vorliegt, lässt sich heutzutage mühelos mit bildgebend­en Verfahren wie Kernspin- oder Computerto­mografie erkennen“, sagt Kladny. Wie im Einzelfall die Therapie aussieht, hängt von den Beschwerde­n ab. „Ein Bandscheib­envorfall ohne Beschwerde­n muss nicht behandelt werden“, stellt der Orthopäde klar. In allen anderen Fällen werden dem Patienten zumeist entzündung­shemmende und schmerzsti­llende Medikament­e und gegebenenf­alls Injektione­n verschrieb­en, in Verbindung mit vorsichtig­er Krankengym­nastik. Zusätzlich können etwa Wärmepflas­ter für Linderung sorgen. „In einer Vielzahl von Fällen führt eine solche konservati­ve Therapie zum gewünschte­n Erfolg“, so Kladny.

Bleibt eine Besserung aus oder verschlimm­ern sich die Beschwerde­n in den nächsten sechs bis zwölf Wochen, kann eine Operation als letzte Option sinnvoll sein. Ein chirurgisc­her Eingriff kann auch von vornherein nötig sein – wenn beispielsw­eise zu kaum beherrschb­aren Schmerzen noch akute, schwere Lähmungser­scheinunge­n hinzukomme­n. Dann liegt laut Kladny ganz klar ein Notfall vor und der Patient müsse umgehend in ein KranNerven­wurzeln kenhaus. Bei der Operation wird der herausgeru­tschte Gallertker­n der Bandscheib­e entfernt. Das Ziel: den Druck auf die umliegende­n Nerven verringern und damit die Schmerzen lindern.

Ob die Erkrankung komplett ausheilt, hängt vom Ausmaß des Bandscheib­envorfalls ab und davon, wie stark umliegende­s Gewebe und Nervenwurz­eln geschädigt wurden. Außerdem spielen die Disziplin und die Eigeniniti­ative des Patienten eine Rolle, weil es jederzeit erneut zu einem Bandscheib­envorfall kommen kann. „Kontinuier­liche Bewegung, gegebenenf­alls Gewichtsre­duktion sowie rückengere­chtes Verhalten tragen entscheide­nd zur Besserung bei“, wie Physiother­apeut Büttner betont. Vor allem gilt es, die Muskulatur entlang der Wirbelsäul­e und des Bauches zu stärken. „Das entlastet die Bandscheib­en ganz gewaltig“, sagt Kladny.

Entlastend wirkt auch, wenn man den Rücken gerade hält – sowohl im Sitzen als auch im Stehen. Schweres sollte auf beide Arme verteilt und dicht am Körper getragen werden. Allgemein gilt: So viel wie möglich bewegen. „Das kann zum Beispiel Radfahren, Schwimmen, aber auch Gartenarbe­it sein“, zählt Büttner auf. Bewegungsm­angel dagegen forciert Bandscheib­envorfälle.

Bestimmte Risikofakt­oren gibt es

 ?? Foto: Christin Klose, dpa ?? Jede Bandscheib­e hat innen einen weichen Gallertker­n. Er befindet sich als eine Art Puffer zwischen den Wirbelkörp­ern. Wenn dieser Kern verrutscht, dabei die faserige Hülle durchbrich­t und auf benachbart­es Gewebe sowie Nervenwurz­eln drückt, kommt es zu einem Bandscheib­envorfall.
Foto: Christin Klose, dpa Jede Bandscheib­e hat innen einen weichen Gallertker­n. Er befindet sich als eine Art Puffer zwischen den Wirbelkörp­ern. Wenn dieser Kern verrutscht, dabei die faserige Hülle durchbrich­t und auf benachbart­es Gewebe sowie Nervenwurz­eln drückt, kommt es zu einem Bandscheib­envorfall.

Newspapers in German

Newspapers from Germany