Aichacher Nachrichten

Warum niemand mehr von Schonkost spricht

Nicht angebraten, fettarm, kaum gewürzt waren die Speisen, die helfen sollten. Und jetzt?

- Elena Zelle, dpa

Bei Schonkost denken wohl die meisten an labberiges und fades Krankenhau­s-Essen. Und der Begriff hält sich hartnäckig – obwohl es ihn eigentlich gar nicht mehr gibt. An seine Stelle ist die „angepasste Vollkost“getreten, bei der viel mehr auf individuel­le Bedürfniss­e eingegange­n werden soll.

Seinen Ausgang nahm das Ende der Schonkost durch einen Paradigmen­wechsel in der Medizin Ende der 70er Jahre: Die Schonung der Patienten verlor an Bedeutung, die Liegezeite­n wurden kürzer. Und auch die Ernährung veränderte sich. „Die Patienten wurden nicht mehr geschont, sondern sollten möglichst schnell stabilisie­rt werden, damit eine abwechslun­gsreiche und gesundheit­sfördernde Ernährungs­weise möglich ist“, erläutert Sabine Ohlrich-Hahn, Vizepräsid­entin des Verbandes der Diätassist­enten – Deutscher Bundesverb­and (VDD) und Mitarbeite­rin im Studiengan­g

Diätetik an der Hochschule Neubranden­burg. Bei der Schonkost ist das nicht der Fall: „Die Ernährung ist einseitig, es werden Dinge weggelasse­n, die eigentlich wichtig wären“, erläutert die Expertin. Außerdem werden nicht alle Bedarfe gedeckt. Als Beispiele nennt sie die unzureiche­nde Ballaststo­ffzufuhr und den Mangel an hochwertig­en Fetten. So eine Ernährung rege zudem nicht zum Essen an und trage auch nicht zum Wohlbefind­en bei.

1978 wurde der Begriff Schonkost durch den der „leichten Vollkost“ersetzt. Diese Ernährungs­weise sollte durch das Weglassen bestimmter Lebensmitt­el oder Garmethode­n zwar leichter verdaulich sein als die Vollkost, aber trotzdem den Bedarf in allen Bereichen abdecken.

Allerdings ist auch der Begriff der leichten Vollkost inzwischen überholt: 2019 wurde er im Leitfaden für Ernährungs­therapie in Klinik und Praxis (LEKuP) durch „angepasste

Vollkost“ersetzt. Hier sollen vor allem individuel­le Unverträgl­ichkeiten berücksich­tigt werden. „Gegessen werden kann, was vertragen wird“, erläutert Ohlrich-Hahn das Konzept. „Einer könnte täglich Brokkoli essen, der andere bekommt davon Blähungen. Und beide haben recht. Das ist ein Phänomen, das man nicht erklären kann.“

In der Regel merkt man im Laufe der Zeit, welche Lebensmitt­el Beschwerde­n

wie Bauchweh und Blähungen oder ein Völlegefüh­l auslösen und kann darauf verzichten. So ernährt man sich dann ganz im Sinne der angepasste­n Vollkost. Zwingend ratsam ist der Verzicht für Menschen mit chronisch-entzündlic­hen Darmerkran­kungen oder diagnostiz­ierten Lebensmitt­elintolera­nzen. Im Zweifel kann man ein Ernährungs­tagebuch führen und sollte Beschwerde­n ärztlich abklären lassen. Aber dies sei nur ein erster Schritt und reiche nicht aus, weil es das Problem in der täglichen Ernährung nicht löse, betont Ohlrich-Hahn. Schließlic­h müsse man auch Alternativ­en finden, um eine einseitige Ernährung zu vermeiden. Hier kann eine profession­elle Ernährungs­beratung helfen. Meist könne man seinem Körper vertrauen, sagt Prof. Diana Rubin aus dem Vorstand der Deutschen Gesellscha­ft für Ernährungs­medizin (DGEM). „Bei einer Durchfalle­rkrankung hat man in der

Regel keinen Appetit und isst automatisc­h fettarm und leichter verdaulich“, erläutert die Leiterin des Zentrums für Ernährungs­medizin am Vivantes Klinikum Berlin.

Auch nach größeren Operatione­n kann die Vollkost, selbst wenn sie angepasst ist, Beschwerde­n verursache­n. „Bei uns gibt es dann die sogenannte Basiskost“, erklärt Rubin. Nach Eingriffen an der Bauchspeic­heldrüse oder Magenentfe­rnungen stehen dann zum Beispiel zunächst Suppen, Brei, Weißbrot, Fruchtmus und vor allem eiweißreic­her Joghurt auf dem Speiseplan. Auch wenn Suppe, Brei und Co. nach wenig klingen: „Die Ernährung nach Operatione­n ist viel progressiv­er geworden. Früher gab es längere Nüchternph­asen und einen langsamere­n Kostaufbau“, weiß Rubin. „Heute können Patienten beispielsw­eise bereits einen Tag nach einer Blinddarme­ntfernung wieder leichte Vollkost essen.“

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Foto: Klose, dpa Nur Gemüse? Ausgewogen ist diese Er‰ nährung nicht immer.

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