Aichacher Nachrichten

Wie Hündin Finja Leben rettet

Notfälle Wenn eine Person vermisst wird, zählt jede Minute. Die Rettungshu­ndestaffel der hiesigen DLRG absolviert etwa 40 Einsätze pro Jahr. Hundeführe­rin Verena Kohnle und ihr Vierbeiner müssen viel trainieren

- VON CAROLIN FEST

Um ein Waldgebiet von einer Größe von 50000 Quadratmet­ern nach einer vermissten Person abzusuchen, werden 50 Menschen benötigt – Finja schafft das alleine innerhalb einer Stunde, auch nachts. Finja ist die Australian-Kelpi-Hündin von Rettungshu­ndeführeri­n Verena Kohnle. Sie arbeitet ehrenamtli­ch bei der DLRG (Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellscha­ft).

Wenn Finja von Frauchen ihre gelbe Kenndecke – ein Geschirr mit Glöckchen, auf dem DLRG-Rettungshu­nd steht – angezogen bekommt, weiß die Hündin sofort, dass sie jetzt arbeitet. Die beiden sind seit elf Jahren ein Team: „Man baut eine besondere Verbindung zu seinem Hund auf, wenn man auch zusammen arbeitet“, sagt die Leiterin der Rettungshu­ndestaffel. Finja ist ein anhänglich­er Hund, Streichele­inheiten sind ihr sehr wichtig und ihr Frauchen lässt sie selten aus dem Blick. Auch bei der Suche nach einem vermissten Menschen stimmen sich die Rettungshu­ndeführeri­n und Finja immer wieder ab: „Weiter“, ruft Kohnle ihrer Hündin zu, und die rennt vorweg und schnüffelt. Immer wieder kommt die Hündin zurück und rauscht auf Kommando wieder los.

Was jeden Hund, egal welcher Rasse, für die Ausbildung zum Rettungshu­nd auszeichne, sei die besondere Riechleist­ung. Für die Hunde ist jede Rettung gleichzeit­ig Spiel und Ernst. „Wenn Finja jemanden findet, dann bekommt sie ihr Futter. Findet sie niemanden, dann gibt es auch nichts. Die Hunde wissen also, dass es immer toll ist, jemanden zu finden“, erklärt Kohnle den Antrieb der Hunde.

Kohnles Hündin ist ein sogenannte­r Verbeller: „Finja bellt, wenn sie jemanden gefunden hat. So gibt sie mir und den anderen Bescheid, das ist ihre Anzeigeart“, erläutert Kohnle. Es ist ein bestimmtes, energische­s Bellen, womit sie ihren Fund anzeigt. Kohnle und ihre Kollegen erkennen das sofort. Andere Hunde sind Rückverwei­ser oder Bringsler. Rückverwei­ser kommen nach einem Fund zu ihrem Hundeführe­r und springen ihn an, dann führen sie ihn an der Leine zu der vermissten Person. Bringsler haben ein sogenannte­s Bringsel am Halsband hängen – ein oft neonfarben­es, kleines Lederstück – welches sie bei einem Fund ins Maul nehmen und dann zu ihrem Hundeführe­r zurücklauf­en, der dann genau weiß, was das Signal bedeutet.

Wie ein Hund seinen Fund anzeigt, entscheide sich nach etwa einem Jahr Training: „Das kommt auf den Hund an. Wie Menschen haben Hunde ihren eigenen Charakter und es zeigt sich mit der Zeit, welche Anzeigeart der Hund bevorzugt“, erklärt die Staffellei­terin. Schon im Alter von acht Wochen könne das Training für einen Rettungshu­nd beginnen: „Wir fangen damit an, dass der Welpe im Kreis um einen Menschen herumläuft, der sein Futter in einer Schüssel hat. Mit der Zeit werden die Kreise dann größer“, erklärt Kohnle das Vorgehen.

Die Ausbildung zum Rettungshu­nd dauert für jedes Einsatzgeb­iet zwei bis drei Jahre. Finja ist für Flächenund Wasserortu­ng ausgebilde­t. Alle zwei Jahre werden die Teams geprüft. „Dabei werden soDie wohl Hund als auch Mensch auf die Probe gestellt. Der Hund muss 30000 Quadratmet­er Waldgebiet in 20 Minuten absuchen und den versteckte­n Menschen finden. Der Hundeführe­r muss sich vom Hund den Fund anzeigen lassen und die Erstversor­gung leisten“, erläutert Kohnle, die seit 2011 ehrenamtli­ch bei der DLRG arbeitet. Diese wiederholt­en Prüfungen seien besonders wichtig, denn „es geht um Menschenle­ben, da muss man sich auf den Hund verlassen können. Denn wenn ein Hund ein Waldgebiet abgesucht hat, dann wird dort nicht noch mal gesucht. Da darf nichts übersehen werden“, macht Kohnle deutlich.

Damit das klappt, trainieren Hunde und Menschen an jedem Wochenende acht Stunden und zusätzlich zwei Stunden in der Woche. In Augsburg herrscht dabei laut Kohnle eine Anwesenhei­tspflicht von 70 Prozent. Da müsse dann auch die Familie, der Partner und der Freundeskr­eis hinter der ehrenamtli­chen Tätigkeit stehen, bemerkt Kohnle, auch die vielen Fahrten, immerhin etwa 6000 Kilometer im Jahr mit dem Privatauto, müsse ein Ehrenamtli­cher einplanen.

Bei der Teamarbeit zwischen Mensch und Hund geht es oft ums Überleben, etwa 40 Einsätze bestreitet die Rettungshu­ndestaffel der DLRG Augsburg im Jahr. Der Großteil davon sind Flächenret­tungen, bei denen vermisste Personen gesucht werden, oft in Waldgebiet­en. Ein weiterer Einsatzber­eich sind die Wasserortu­ngen, bei denen die Hunde den Tauchern anzeigen, wo sie nach einem Vermissten suchen sollen. Die Hunde können bei der Wasserortu­ng das Gebiet auf 50 Meter eingrenzen, und das in bis zu 26 Metern Wassertief­e. Auch wenn bei dieser Art des Einsatzes keine Leben mehr gerettet werden können, empfindet Kohnle diese als sehr wichtig, weil sie so „den Angehörige­n ihre Vermissten zurückgebe­n können, und diese die Möglichkei­t haben, sich zu verabschie­den. Das ist unser Ziel“.

Die Augsburger Hundestaff­eln (auch BRK und Malteser arbeiten mit Hunden zusammen) arbeiten auf ehrenamtli­cher Basis. Das Einsatzgeb­iet der DLRG erstreckt sich von Schwabmühl­hausen bis Oettingen und von Pöttmes bis Zusmarshau­sen.

Mit ihren elf Jahren könnte Kohnles Hündin eigentlich in Rente gehen, das will sie aber, laut der Ehrenamtli­chen, nicht: „Finja ist noch fit und hat so viel Spaß an der Arbeit. Das ist nicht wie bei uns Menschen, wir freuen uns auf die Rente, für Finja wäre das schlimm, wenn wir jetzt aufhören würden“, erklärt Kohnle.

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Foto: Silvio Wyszengrad Üben für den Ernstfall: Hundeführe­rin Verena Kohnle und Finja finden vermisste Personen.

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