Wie Hündin Finja Leben rettet
Notfälle Wenn eine Person vermisst wird, zählt jede Minute. Die Rettungshundestaffel der hiesigen DLRG absolviert etwa 40 Einsätze pro Jahr. Hundeführerin Verena Kohnle und ihr Vierbeiner müssen viel trainieren
Um ein Waldgebiet von einer Größe von 50000 Quadratmetern nach einer vermissten Person abzusuchen, werden 50 Menschen benötigt – Finja schafft das alleine innerhalb einer Stunde, auch nachts. Finja ist die Australian-Kelpi-Hündin von Rettungshundeführerin Verena Kohnle. Sie arbeitet ehrenamtlich bei der DLRG (Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft).
Wenn Finja von Frauchen ihre gelbe Kenndecke – ein Geschirr mit Glöckchen, auf dem DLRG-Rettungshund steht – angezogen bekommt, weiß die Hündin sofort, dass sie jetzt arbeitet. Die beiden sind seit elf Jahren ein Team: „Man baut eine besondere Verbindung zu seinem Hund auf, wenn man auch zusammen arbeitet“, sagt die Leiterin der Rettungshundestaffel. Finja ist ein anhänglicher Hund, Streicheleinheiten sind ihr sehr wichtig und ihr Frauchen lässt sie selten aus dem Blick. Auch bei der Suche nach einem vermissten Menschen stimmen sich die Rettungshundeführerin und Finja immer wieder ab: „Weiter“, ruft Kohnle ihrer Hündin zu, und die rennt vorweg und schnüffelt. Immer wieder kommt die Hündin zurück und rauscht auf Kommando wieder los.
Was jeden Hund, egal welcher Rasse, für die Ausbildung zum Rettungshund auszeichne, sei die besondere Riechleistung. Für die Hunde ist jede Rettung gleichzeitig Spiel und Ernst. „Wenn Finja jemanden findet, dann bekommt sie ihr Futter. Findet sie niemanden, dann gibt es auch nichts. Die Hunde wissen also, dass es immer toll ist, jemanden zu finden“, erklärt Kohnle den Antrieb der Hunde.
Kohnles Hündin ist ein sogenannter Verbeller: „Finja bellt, wenn sie jemanden gefunden hat. So gibt sie mir und den anderen Bescheid, das ist ihre Anzeigeart“, erläutert Kohnle. Es ist ein bestimmtes, energisches Bellen, womit sie ihren Fund anzeigt. Kohnle und ihre Kollegen erkennen das sofort. Andere Hunde sind Rückverweiser oder Bringsler. Rückverweiser kommen nach einem Fund zu ihrem Hundeführer und springen ihn an, dann führen sie ihn an der Leine zu der vermissten Person. Bringsler haben ein sogenanntes Bringsel am Halsband hängen – ein oft neonfarbenes, kleines Lederstück – welches sie bei einem Fund ins Maul nehmen und dann zu ihrem Hundeführer zurücklaufen, der dann genau weiß, was das Signal bedeutet.
Wie ein Hund seinen Fund anzeigt, entscheide sich nach etwa einem Jahr Training: „Das kommt auf den Hund an. Wie Menschen haben Hunde ihren eigenen Charakter und es zeigt sich mit der Zeit, welche Anzeigeart der Hund bevorzugt“, erklärt die Staffelleiterin. Schon im Alter von acht Wochen könne das Training für einen Rettungshund beginnen: „Wir fangen damit an, dass der Welpe im Kreis um einen Menschen herumläuft, der sein Futter in einer Schüssel hat. Mit der Zeit werden die Kreise dann größer“, erklärt Kohnle das Vorgehen.
Die Ausbildung zum Rettungshund dauert für jedes Einsatzgebiet zwei bis drei Jahre. Finja ist für Flächenund Wasserortung ausgebildet. Alle zwei Jahre werden die Teams geprüft. „Dabei werden soDie wohl Hund als auch Mensch auf die Probe gestellt. Der Hund muss 30000 Quadratmeter Waldgebiet in 20 Minuten absuchen und den versteckten Menschen finden. Der Hundeführer muss sich vom Hund den Fund anzeigen lassen und die Erstversorgung leisten“, erläutert Kohnle, die seit 2011 ehrenamtlich bei der DLRG arbeitet. Diese wiederholten Prüfungen seien besonders wichtig, denn „es geht um Menschenleben, da muss man sich auf den Hund verlassen können. Denn wenn ein Hund ein Waldgebiet abgesucht hat, dann wird dort nicht noch mal gesucht. Da darf nichts übersehen werden“, macht Kohnle deutlich.
Damit das klappt, trainieren Hunde und Menschen an jedem Wochenende acht Stunden und zusätzlich zwei Stunden in der Woche. In Augsburg herrscht dabei laut Kohnle eine Anwesenheitspflicht von 70 Prozent. Da müsse dann auch die Familie, der Partner und der Freundeskreis hinter der ehrenamtlichen Tätigkeit stehen, bemerkt Kohnle, auch die vielen Fahrten, immerhin etwa 6000 Kilometer im Jahr mit dem Privatauto, müsse ein Ehrenamtlicher einplanen.
Bei der Teamarbeit zwischen Mensch und Hund geht es oft ums Überleben, etwa 40 Einsätze bestreitet die Rettungshundestaffel der DLRG Augsburg im Jahr. Der Großteil davon sind Flächenrettungen, bei denen vermisste Personen gesucht werden, oft in Waldgebieten. Ein weiterer Einsatzbereich sind die Wasserortungen, bei denen die Hunde den Tauchern anzeigen, wo sie nach einem Vermissten suchen sollen. Die Hunde können bei der Wasserortung das Gebiet auf 50 Meter eingrenzen, und das in bis zu 26 Metern Wassertiefe. Auch wenn bei dieser Art des Einsatzes keine Leben mehr gerettet werden können, empfindet Kohnle diese als sehr wichtig, weil sie so „den Angehörigen ihre Vermissten zurückgeben können, und diese die Möglichkeit haben, sich zu verabschieden. Das ist unser Ziel“.
Die Augsburger Hundestaffeln (auch BRK und Malteser arbeiten mit Hunden zusammen) arbeiten auf ehrenamtlicher Basis. Das Einsatzgebiet der DLRG erstreckt sich von Schwabmühlhausen bis Oettingen und von Pöttmes bis Zusmarshausen.
Mit ihren elf Jahren könnte Kohnles Hündin eigentlich in Rente gehen, das will sie aber, laut der Ehrenamtlichen, nicht: „Finja ist noch fit und hat so viel Spaß an der Arbeit. Das ist nicht wie bei uns Menschen, wir freuen uns auf die Rente, für Finja wäre das schlimm, wenn wir jetzt aufhören würden“, erklärt Kohnle.