Aichacher Nachrichten

Ein Doppelport­rät der Titanen

Beethoven und Mozart treffen sich mit der Bayerische­n Kammerphil­harmonie zu einer spannenden Begegnung. Mit dabei ist eines der größten Wunder der Musikgesch­ichte

- VON MANFRED ENGELHARDT

Gegensätze und Anklänge, Ähnlichkei­ten und unabhängig­e Prozesse – das Deutsche Mozartfest brachte in einem weiteren Konzert ein fesselndes „Doppelport­rät“der beiden großen Klassiker Beethoven und Mozart. Wieder wurden künstleris­che Vorstufen, spannungsv­olle Entwicklun­gen, Umbruch, Zeitenwend­e und Zeugnisse der Vollendung vorgeführt. Die Bayerische Kammerphil­harmonie präsentier­te im Kongress am Park Mozart und Beethoven mit zwei exemplaris­chen Werken. Beethovens Klavierkon­zert Nr. 2 folgte Mozarts „Jupiter“-Sinfonie. Am Vortag gab es vom musikalisc­hen Nachwuchs im Kleinen Goldenen Saal an diesem Wochenende so etwas wie „leichte“Kost mit Oboen-Stücken vor und nach Mozart zu hören. Die jungen Künstler Evelyn Renner und Anselm Wohlfarth (Oboe und Englischho­rn) boten feine Leckerbiss­en dieses wichtigen und die Literatur oft prägenden Instrument­s.

Das B-Dur-Klavierkon­zert op. 19, als Beethovens 2. Konzert bezeichnet, entstand eigentlich vor dem nominell ersten in C-Dur. Doch unabhängig von diesen Wirrnissen der exakten Chronologi­e des Werks wird deutlich, dass Beethoven an op. 19 sehr lange gearbeitet und seinen Zugang zum Genre des Klavierkon­zerts experiment­ell gesucht hat. Das Ergebnis ist eine spannende Phase im künstleris­chen Dasein des Klaviermus­iktitanen. Die Einleitung im ersten Satz ist lang, ausgedehnt, bietet thematisch­e Einstimmun­g auf den Grundton und erscheint mit eher eleganten Wendungen im klassische­n Faltenwurf. Die Kammerphil­harmonie, ohne Dirigent, von Konzertmei­ster Gabriel Adorjan geführt, ließ es an ebenmäßige­m Wohlklang nicht fehlen. Als dann die Solistin Sophie Pacini auf den Plan trat, schien sie spürbar beschleuni­gen, intensivie­ren zu wollen. Die 29-jährige Deutsch-Italieneri­n fand zusehends mit dem Partner in einen bezwingend­en Fluss, gefiel mit stromgelad­enen Läufen und atmender Phrasierun­g. Ein Höhepunkt des feinen Wechselspi­els war der Einsatz der Kadenz, die Beethoven erst später, nach ersten Aufführung­en komponiert hat: Das galante Spiel wird quasi von einer Fugenversi­on überrascht, in der Beethoven das Unkonventi­onelle seiner Sonaten ausbrechen lässt. Die Pianistin, EchoPreist­rägerin, „Beethoven-Beauftragt­e“bei BR-Klassik, ließ es in dieser Schlüsselp­assage, in der sogar Ahnungen an die späte Hammerklav­iersonate durchschim­mern, an wuchtig-bizarrer Brillanz nicht fehlen. Das beseelte Adagio hatte intensive gebetartig­e Momente, das Rondo-Finale mit seinen wunderbar faunischen Sprüngen im rasanten 6/8el-Takt war ein absoluter „Beethoven-Genuss“. Nach großem Beifall bot die fabelhafte Sophie Pacini mit Schubert/Liszt romantisch­e Gefühlswel­len.

Dem suchenden Beethoven folgte die fesselnde Vollendung bei Mozart. Die – vom geschäftse­ifrigen Verleger so genannte – „JupiterSin­fonie“ist eines der größten Wunder der Musikgesch­ichte. Mozart hat seine letzte Sinfonie ohne Auftrag geschriebe­n, wie die anderen beiden der drei Letzten, und sie auch nie gehört. Und sie ist die Vollendung dieser Trias, nach dem gebrochene­n, expressive­n Gestus der vorangegan­genen g-Moll-Sinfonie eine Zeugnis fast entrückter Heiterkeit – mit Verläufen und changieren­den Klanggesta­lten, die einer fasziniere­nden Dramaturgi­e folgen. Der 1. Satz mit seinen lohenden Auftaktbli­tzen des kurzen Themas, gefolgt von weichen Echo-Räumen, spricht die kräftige, klare Sprache der Formvollen­dung. Das Andante in seinen in sich gekehrten, scheinbar süß-melancholi­schen Stimmungsw­echseln provoziert immer wieder die Frage nach dem richtigen Tempo: Es ist kein Adagio. Schnelle Tempi lassen etwa die immer wieder einfließen­den zuckenden Nachschläg­e im melodische­n Strom den Eindruck von Flucht in der Ruhe entstehen, Gabriel Adorjan und sein Ensemble boten den metrischen Mittelweg, der Ruhe und Beklemmung vereint. Das flutende Menuett mit dem lapidaren Trio ist tänzerisch­er Gemütlichk­eit enthoben. Das Wunderwerk des Schlusssat­zes mit sofort einsetzend­er Fuge scheint alle Teile musikalisc­her Figuren und Themenspli­tter archaisch ins Universum zu schicken, werden indes mit dem „Magnet“einer grandiosen Formbeherr­schung bis zum triumphale­n Ende zusammenge­führt. Wie das Orchester, von Gabriel Adorjan am Konzertmei­sterpult geführt, dieses Werk in all seiner vielfältig­en Wucht ohne Dirigent realisiert­e, war hinreißend.

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Fotos: Michael Hochgemuth Ludwig van Beethovens Klavierkon­zert Nr. 2 interpreti­erten die Echo‰Preisträge­rin Sophie Pacini und die Bayerische Kammerphil­harmonie.
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Evelyn Renner und Anselm Wohlfarth boten leichte Kost auf der Oboe.

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