Aichacher Nachrichten

Ab 22 Uhr geht in Augsburg nichts mehr

Weil es immer mehr Corona-Infektione­n gibt, gelten auch im Nachtleben strengere Regeln. Ein Rundgang in der Innenstadt zeigt, wie die Menschen damit umgehen

- VON JONAS VOSS

Es ist Samstagabe­nd, kurz vor 22Uhr, und in der Haifischba­r sind die Stühle bereits auf Tische und Bänke gestapelt, Gäste sind gerade erst aus dem Laden geströmt. Michael, Barkeeper, Kellner und seit vielen Jahren Teil der Haifischba­r, räumt auf. Sperrstund­e in Augsburg. Weil sich die aktuellen Corona-Infektione­n binnen einer Woche etwa verdreifac­ht haben und der Inzidenzwe­rt aus sieben Tagen weit über der Grenze von 50 liegt. Letzte Woche, sagt Michael, habe man noch bis tief in die Nacht offen gehabt – und jetzt das. Nein, er könne sich nicht erinnern, wann die Bar zuletzt an einem Wochenende so früh zumachte. Aber – und hier hebt er seine Hand, sie verharrt kurz in der Luft und sinkt rasch wieder – es helfe ja nichts, da müsse man durch.

Wer an diesem Wochenende durch die Innenstadt ziehen wollte, musste zwei Dinge beachten: Früh dran sein und Mundschutz auf. Wer sich etwa an der bei Nachtschwä­rmern beliebten Tankstelle am Leonhardsb­erg gegen 21.15 Uhr noch mit alkoholisc­hen Getränken versorgen wollte, war zu spät dran. Ab 21 Uhr sind die Kühlzellen dort verschloss­en – auch wenn auf der städtische­n Website ein Verkaufsve­rbot ab 22 Uhr nachzulese­n ist. Eine Clique steht vor dem Bier, der Blick geht auf das Schloss, schnell geht es wieder hinaus in diese Corona-Nacht.

Von der Tankstelle sind es nur wenige Meter bis zum Prager Stüberl – eine Kneipe, die bei vielen jungen Menschen einen gewissen Kultstatus genießt. Es ist halb zehn, acht Gäste klammern sich an ihr Helles, ihren Weißwein und die Zigarette. Wirtin Renata Behrendt wischt bereits den Tresen und sagt, „wir alle sind ein freies Leben gewöhnt“. Die jetzigen Einschränk­ungen seien schon hart – aber schlimmer werde es doch, wenn man nichts unternehme. Einige der Gäste sehen das ähnlich, andere erklären, das alles sei unnötig.

Ähnlich hin- und hergerisse­n sind Baris und seine Jungs. Die fünf haben sich ganz in der Nähe des Prager Stüberls in Freien eine Ecke gesucht, es gibt Wodka mit Energydrin­ks. Bei zweien baumelt die Maske am Kinn, drei tragen sie. „Unserer Meinung nach geht es bei Corona immer auf die jungen Leute, das ist Mist.“Jetzt, wo alles so früh zumache, würden sie sich eben bei jemandem zuhause treffen, irgendwo im Stadtgebie­t – wer krank sei, komme halt nicht. Die Wodkaflasc­he wird geöffnet, es wird nachgesche­nkt, gelacht, ein wenig gefeiert.

Es ist mittlerwei­le Viertel vor

und auf der Maxstraße ist einiges los. Gruppen und Grüppchen schlendern über die Ausgehmeil­e, beinahe ausnahmslo­s sitzt der Mund-Nasen-Schutz dort, wo er hingehört. Viele Bars sind so voll, wie es Corona erlaubt, an manchen Eingängen drängen sich Raucher oder solche, die einen letzten Drink suchen. Die Cocktailba­r Peaches ist zu, vor dem Pantheon-Café sind die Tische voll, Menschen hüllen sich in dicke Jacken und schwere Decken.

Am Herkulesbr­unnen steht einsam ein Bus des Ordnungsam­tes, niemand sitzt drin. Polizeifah­rzeuge patrouilli­eren in der Innenstadt, Beamte selbst sind zu dieser Zeit auf der Maxstraße allerdings nicht zu sehen. Was sich im Laufe des Abends aber noch ändern wird.

Laut Polizeiber­icht stritten gegen 22 Uhr zwei alkoholisi­erte Männer lautstark in einem Café. Als Polizisten sie hinaus begleitete­n, riss sich einer der Männer los und stürzte. Als die Beamten ihn fixierten, leistete er „massiven Widerstand“, etwa durch Faustschlä­ge und Tritte. Die Einsatzkrä­fte mussten Pfefferspr­ay einsetzen und dem 22-Jährigen Handschell­en anlegen. Ein Alkoholtes­t ergab einen Wert von über 2,4 Promille. Die zweite Person, ein 18-Jähriger, versuchte sich loszureiße­n, als er seine Ausweisdok­umente vorzeigen sollte. Er hatte über 1,7 Promille. Beide Männer wurden in Gewahrsam genommen, zwei Polizisten waren nicht mehr dienstfähi­g.

Kurz vor diesem Ereignis liegt die Straße belebt, aber friedlich dar. Ein junger Mann in einer Art Prinzessin­nenkostüm saugt an einer E-Zigarette. Ufuk Kilic feiert seinen Junggesell­enabschied – vor ein paar Tagen wollten seine Freunde mit ihm noch nach Frankfurt oder Hamburg, da „wo richtig was abgeht“. Corona vereitelte diese Pläzehn ne. Jetzt sitzen die Allgäuer hier in einer Cocktailba­r. Er könne nicht alles nachvollzi­ehen, was von der Politik beschlosse­n werde, sagt der junge Mann mit Drink in der Hand.

Sein Junggesell­enabschied sei ihm dabei weniger wichtig, seine Hochzeit dafür umso mehr: Kilic wollte am 31. Oktober heiraten, das muss er nun wohl alles verschiebe­n. Auf wann? Ungewiss. Darüber sorgen kann man sich auch morgen noch, Kilic und seine Freunde sind heute Abend gut drauf – trinken, lachen, Corona dominiert nicht alles.

Das würde auch Markus Zeren gerne weiter so sehen – allein, es fällt dem Gastronome­n zusehends schwer. Er betreibt das Annapam in der Bäckergass­e, um halb zehn gibt es hier am Samstagabe­nd für die Gäste die letzte Runde. „Seit Donnerstag wurden viele Reservieru­ngen abgesagt, das liegt meinem Empfinden nach nicht unbedingt an der Sperrstund­e.“Schließlic­h würden auch Regeln wie das Zusammense­in von fünf Personen oder zwei Haushalten Gruppen daran hindern, zu kommen. Dabei hat er gerade erst den Keller ausgebaut, um mehr Gäste coronakonf­orm bewirten zu können. „Ich glaube, das wird die nächsten Monate so weitergehe­n.“Aber: Alles sei besser als ein erneuter Lockdown. Es ist kurz nach 22 Uhr, als die letzten Gäste hier aufbrechen.

Da sind Anja und ihre Freundinne­n schon weg. Die drei Studentinn­en waren etwas trinken, mit der Sperrstund­e hätten sie kein Problem, sagt Anja. „Wir verzichten ja nicht für uns gerade auf ein paar Dinge, sondern für andere – besonders für Risikogrup­pen. Man kann sich damit arrangiere­n.“Die drei Frauen schließen ihre Fahrräder auf, sie wollen den Abend in einer ihrer Wohnungen ausklingen lassen.

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Fotos: Annette Zoepf An dieser Tankstelle am Leonhardsb­erg erhielten Nachtschwä­rmer schon ab 21 Uhr kein Bier mehr.
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Ufuk Kilic (Bildmitte im Kostüm) feierte Samstagnac­ht seinen Junggesell­enabschied in der Maxstraße. Seine Hochzeit muss er wohl verschiebe­n.
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Annapam‰Wirt Markus Zeren hatte weniger Gäste als erwartet. Er akzeptiert die Co‰ rona‰Regeln – Hauptsache es komme kein erneuter Lockdown, sagt er.

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