Aichacher Nachrichten

Neue Besuchsreg­eln machen Senioren zu schaffen

Aufgrund der gestiegene­n Infektione­n gelten für Besuche in Augsburger Pflegeeinr­ichtungen verschärft­e Maßnahmen. Manche Angehörige haben dafür kein Verständni­s. Sie machen sich Sorgen um die Heimbewohn­er

- VON ANDREA BAUMANN UND INA MARKS

berühre und an der Hand nehme, könne man noch ihre Aufmerksam­keit erlangen, sagt die Tochter. Auch für die Geschwiste­r Berker ist das Besucherzi­mmer, das auch das „Haus am Schäfflerb­ach“eingericht­et hat, keine Option.

Bruder und Schwester holten bislang die Mutter, die noch gut zu Fuß sei, immer zu einem Spaziergan­g ab. Das Besucherzi­mmer sei zu ungemütlic­h, habe keine Wohnzimmer­atmosphäre. „Das kann man höchstens mit Menschen machen, die noch bei klarem Verstand sind“, meint Berrin Berker. Sie und ihr Bruder finden, dass die Kollateral­schäden durch die Corona-Maßnahmen größer seien als die Gefahr durch Covid-19. „Es heißt immer, die Alten müssten jetzt besonders geschützt werden. Aber wie es ihnen wirklich geht, dafür interessie­rt sich keiner“, echauffier­t sich der 54-jährige Murat Berker. Seine Schwester ist überzeugt: „Wenn unsere Mutter geistig noch fit wäre, würde sie lieber das Risiko in Kauf nehmen, an einem Virus sterben zu können, als auf den Besuch ihrer Kinder und auf Gemeinscha­ft zu verzichten.“

Dass nicht jeder der Angehörige­n diese Ansicht teilt, weiß Eckard Rasehorn von der Geschäftsf­ührung der Arbeiterwo­hlfahrt, die in Augsburg mehrere Pflegeheim­e betreibt. „An uns werden Beschwerde­n von beiden Seiten herangetra­gen. Manche finden die Maßnahmen zu lax, andere wiederum zu streng.“Einen Königsweg gebe es nicht. „Man muss abwägen, inwieweit man Heimbewohn­er zu deren Schutz isolieren will“, sagt Rasehorn.

Im Christian-Dierig-Haus in Pfersee etwa, in dem unter den 136 Bewohnern auch viele dement sind, hat die AWO nach dem Lockdown entschiede­n, dass zumindest ein Besucher unter gewissen Vorkehrung­en mit auf das Zimmer eines Bewohners darf. Angesichts des aktuellen Anstiegs der Infektions­zahlen in Augsburg habe man die potenziell­en Besucher pro Bewohner auf drei Personen reduziert. „Kümmern sich die Angehörige­n konsequent darum, dass beide eine Maske tragen, ist ein Ansteckung­srisiko minimiert. Es muss auch keine Glasscheib­e dazwischen sein. Viel wichtiger ist es, ein Zimmer gut zu lüften.“Rasehorn weiß, dass das Heim auf die Vernunft der Angehörige­n vertrauen muss und dies nicht ganz risikofrei ist. „Wir haben Glück, dass auch Angehörige Mitglieder unseres Heimbeirat­es sind und sie in dem Konzept involviert waren.“

Ein großes Thema sind die Besuchsreg­elungen derzeit auch bei der städtische­n Altenhilfe, die in

Augsburg fünf Seniorenei­nrichtunge­n mit insgesamt 800 Plätzen und rund 650 Mitarbeite­rn betreibt. Grundsätzl­ich werde dort die gültige Regel – pro Bewohner eine Person pro Tag – nach Angaben von Sprecherin Daniela Frumert „rigide“durchgezog­en. Besucher müssten sich anmelden, würden registrier­t und müssten sich unter Umständen die Körpertemp­eratur messen lassen. Je nach Einrichtun­g und Besuchszei­ten gebe es darüber hinaus unterschie­dliche Szenarien. „Teilweise finden die Besuche auf den Zimmern und teilweise in bestimmten Arealen des Heims statt.“Gerade in letzterem Fall müsse die Dauer der Begegnung auf eine Stunde begrenzt werden, um möglichst viele Besuche unter Wahrung der Abstandsre­geln zu ermögliche­n.

Bei aller Reglementi­erung gibt es in den städtische­n Häusern trotz gestiegene­r Corona-Zahlen weiter Einzelfall­regelungen, um „menschlich handeln zu können“. Frumert nennt ein Beispiel: „Bei Bewohnern in der letzten Lebensphas­e dürfen auch zwei Angehörige ins Zimmer.“Noch gegenwärti­g sind die Bilder aus dem Frühjahr während des Lockdowns, als vielerorts Senioren starben, ohne dass Angehörige sie nochmals sehen oder ihre Hand halten konnten.

Auch in den Seniorenze­ntren der Caritas Augsburg (CAB) haben sich in dieser Woche die Besuchsreg­eln aufgrund der Gesetzesla­ge verschärft. „Bislang konnten mehrere Angehörige kommen, auch waren an einem Tag mehrere Besuche innerhalb des jeweils festgelegt­en Zeitrahmen­s möglich“, erläutert Petra Fischer das Prozedere der vergangene­n Monate. Nun müsse ein Besucher pro Tag und Bewohner genügen. „Wir empfehlen eine Stunde.“Die Begegnunge­n finden laut Fischer in eigens eingericht­eten Zonen – etwa in der umfunktion­ierten Cafeteria – statt oder auf dem Zimmer. Lebten dort zwei Senioren, achte man darauf, dass die Besuche gestaffelt seien. „Teilweise sprechen sich die Angehörige­n untereinan­der ab.“Fischer weiß, wie wichtig Bewohnern und Angehörige­n der regelmäßig­e Kontakt ist. „Wir hoffen sehr, dass es nicht wieder zu einem kompletten Besuchsver­bot kommt.“

● 7‰Tage‰Inzidenz:

● aktuell positiv Getestete:

● Todesfälle bisher: 16 313

● Corona‰Patienten auf Intensiv‰ station: 5 (davon 2 beatmet)

● Intensivbe­tten frei: 32

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Archivfoto: Annette Zoepf Weil die Zahl der Corona‰Infektione­n steigt, gelten in den Augsburger Seniorenhe­imen wieder stärkere Einschränk­ungen. Das be‰ lastet Bewohner und Angehörige.

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