Neue Besuchsregeln machen Senioren zu schaffen
Aufgrund der gestiegenen Infektionen gelten für Besuche in Augsburger Pflegeeinrichtungen verschärfte Maßnahmen. Manche Angehörige haben dafür kein Verständnis. Sie machen sich Sorgen um die Heimbewohner
berühre und an der Hand nehme, könne man noch ihre Aufmerksamkeit erlangen, sagt die Tochter. Auch für die Geschwister Berker ist das Besucherzimmer, das auch das „Haus am Schäfflerbach“eingerichtet hat, keine Option.
Bruder und Schwester holten bislang die Mutter, die noch gut zu Fuß sei, immer zu einem Spaziergang ab. Das Besucherzimmer sei zu ungemütlich, habe keine Wohnzimmeratmosphäre. „Das kann man höchstens mit Menschen machen, die noch bei klarem Verstand sind“, meint Berrin Berker. Sie und ihr Bruder finden, dass die Kollateralschäden durch die Corona-Maßnahmen größer seien als die Gefahr durch Covid-19. „Es heißt immer, die Alten müssten jetzt besonders geschützt werden. Aber wie es ihnen wirklich geht, dafür interessiert sich keiner“, echauffiert sich der 54-jährige Murat Berker. Seine Schwester ist überzeugt: „Wenn unsere Mutter geistig noch fit wäre, würde sie lieber das Risiko in Kauf nehmen, an einem Virus sterben zu können, als auf den Besuch ihrer Kinder und auf Gemeinschaft zu verzichten.“
Dass nicht jeder der Angehörigen diese Ansicht teilt, weiß Eckard Rasehorn von der Geschäftsführung der Arbeiterwohlfahrt, die in Augsburg mehrere Pflegeheime betreibt. „An uns werden Beschwerden von beiden Seiten herangetragen. Manche finden die Maßnahmen zu lax, andere wiederum zu streng.“Einen Königsweg gebe es nicht. „Man muss abwägen, inwieweit man Heimbewohner zu deren Schutz isolieren will“, sagt Rasehorn.
Im Christian-Dierig-Haus in Pfersee etwa, in dem unter den 136 Bewohnern auch viele dement sind, hat die AWO nach dem Lockdown entschieden, dass zumindest ein Besucher unter gewissen Vorkehrungen mit auf das Zimmer eines Bewohners darf. Angesichts des aktuellen Anstiegs der Infektionszahlen in Augsburg habe man die potenziellen Besucher pro Bewohner auf drei Personen reduziert. „Kümmern sich die Angehörigen konsequent darum, dass beide eine Maske tragen, ist ein Ansteckungsrisiko minimiert. Es muss auch keine Glasscheibe dazwischen sein. Viel wichtiger ist es, ein Zimmer gut zu lüften.“Rasehorn weiß, dass das Heim auf die Vernunft der Angehörigen vertrauen muss und dies nicht ganz risikofrei ist. „Wir haben Glück, dass auch Angehörige Mitglieder unseres Heimbeirates sind und sie in dem Konzept involviert waren.“
Ein großes Thema sind die Besuchsregelungen derzeit auch bei der städtischen Altenhilfe, die in
Augsburg fünf Senioreneinrichtungen mit insgesamt 800 Plätzen und rund 650 Mitarbeitern betreibt. Grundsätzlich werde dort die gültige Regel – pro Bewohner eine Person pro Tag – nach Angaben von Sprecherin Daniela Frumert „rigide“durchgezogen. Besucher müssten sich anmelden, würden registriert und müssten sich unter Umständen die Körpertemperatur messen lassen. Je nach Einrichtung und Besuchszeiten gebe es darüber hinaus unterschiedliche Szenarien. „Teilweise finden die Besuche auf den Zimmern und teilweise in bestimmten Arealen des Heims statt.“Gerade in letzterem Fall müsse die Dauer der Begegnung auf eine Stunde begrenzt werden, um möglichst viele Besuche unter Wahrung der Abstandsregeln zu ermöglichen.
Bei aller Reglementierung gibt es in den städtischen Häusern trotz gestiegener Corona-Zahlen weiter Einzelfallregelungen, um „menschlich handeln zu können“. Frumert nennt ein Beispiel: „Bei Bewohnern in der letzten Lebensphase dürfen auch zwei Angehörige ins Zimmer.“Noch gegenwärtig sind die Bilder aus dem Frühjahr während des Lockdowns, als vielerorts Senioren starben, ohne dass Angehörige sie nochmals sehen oder ihre Hand halten konnten.
Auch in den Seniorenzentren der Caritas Augsburg (CAB) haben sich in dieser Woche die Besuchsregeln aufgrund der Gesetzeslage verschärft. „Bislang konnten mehrere Angehörige kommen, auch waren an einem Tag mehrere Besuche innerhalb des jeweils festgelegten Zeitrahmens möglich“, erläutert Petra Fischer das Prozedere der vergangenen Monate. Nun müsse ein Besucher pro Tag und Bewohner genügen. „Wir empfehlen eine Stunde.“Die Begegnungen finden laut Fischer in eigens eingerichteten Zonen – etwa in der umfunktionierten Cafeteria – statt oder auf dem Zimmer. Lebten dort zwei Senioren, achte man darauf, dass die Besuche gestaffelt seien. „Teilweise sprechen sich die Angehörigen untereinander ab.“Fischer weiß, wie wichtig Bewohnern und Angehörigen der regelmäßige Kontakt ist. „Wir hoffen sehr, dass es nicht wieder zu einem kompletten Besuchsverbot kommt.“
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● 7TageInzidenz:
● aktuell positiv Getestete:
● Todesfälle bisher: 16 313
● CoronaPatienten auf Intensiv station: 5 (davon 2 beatmet)
● Intensivbetten frei: 32