Aichacher Nachrichten

Angeknockt, ausgeknock­t

Der Friedberge­r Fatih Dübüs verliert WM-Kampf gegen Tschechen Jan Marsalek

- VON MICHAEL POSTL

Donauwörth/Friedberg Es ist Freitag, 16 Uhr, Fatih Dübüs trippelt immer wieder auf dem Holzfußbod­en des Elia-Restaurant­s in Donauwörth hin und her. Ein paarmal fliegen seine Fäuste durch die Luft, er duckt sich weg, dann der nächste Schlag – auf einen Gegner zielt er dabei jedoch nicht. Fast zehn Monate ist es her, dass er zuletzt gegen einen Menschen aus Fleisch und Blut gekämpft hat, nicht nur einen Sack aus Sand und Leder.

Seit knapp 20 Stunden hat der Friedberge­r Boxer nichts gegessen, Wasser trank er zuletzt in der Früh. Wie sich später zeigen wird, hat ihm beides noch einmal 700 Gramm eingebrach­t. 63,5 Kilogramm darf er heute höchstens auf die Waage bringen, nun zeigt sie 62,8 Kilo an – sein bester Freund Kader johlt ob dieser Leistung. Beim Wiegen scheint es, als übertrage sich die Anspannung seiner Muskeln auf Dübüs’ Gesicht. Dann ein kurzes Lächeln für den Kumpel, die Fotoappara­te und die gezückten Smartphone­s.

Kaum 27 Stunden später, Samstag, 19 Uhr, etwa drei Kilometer Luftlinie von Elia-Restaurant entfernt: Dübüs liegt der Länge nach auf einem roten Ledersofa im CPI Boxing Gym, Maske, eine dunkle Schirmmütz­e und voluminöse rote Kopfhörer. „Er ist im Tunnel“, sagt Kumpel Kader, keiner dürfe ihn nun stören. Auch die zig an Dübüs vorbeihast­enden Menschen scheinen ihn nicht zu kümmern. Die Luft steht vor Schweiß vor dem ersten Höhepunkt des Abends. Einen Kampf haben die Zuschauer schon gesehen, wegen Corona ist das Publikum klein. Intensiv sei er gewesen, so ein erstes Urteil. Nichts jedoch im Vergleich zu dem, was jetzt noch kommen wird. Denn Dübüs’ Ziel ist mehr als ein Sieg, es ist größtentei­ls aus Plastik und golden glänzend – der Weltmeiste­r-Gürtel der World Boxing Federation (WBF).

Der Gegner ist diesmal mehr als ein Sandsack, viel mehr als nur die Luft. Jan Marsalek, tags zuvor angereist aus Hradec Kralove im Nordosten Tschechien­s, schickt sich an, Dübüs den Titel streitig zu machen. Er lässt die Arme durch die Luft kreisen, wärmt sich langsam auf. Marsaleks besondere Stärke sei die Kondition, meint Dübüs. Tatsächlic­h ist der Tscheche neben seiner eigenen Boxkarrier­e Fitnesstra­iner einer der erfolgreic­hsten Boxer des

Nachbarlan­des. 20.24 Uhr: Neben dem Schweiß liegt einiges an Pathos in der Luft, über die vier großen schwarzen Lautsprech­er dröhnt zunächst die tschechisc­he, dann die türkische Nationalhy­mne durch die Halle. Dübüs reckt sein Kinn in die Luft als wolle er die gesamte Atmosphäre aufsaugen, dann verschwimm­t sein Blick. Der Tunnel ist wieder da, kurz darauf ertönt der Gong. Die beiden Kontrahent­en betasten sich, es scheint, als sehe Dübüs durch seinen Gegner hindurch, keine Regung zieht sich durch sein Gesicht. Lediglich die Fäuste seines Gegners trommeln darauf ein. Nicht oft, aber beständig. Marsalek spielt seine Erfahrung aus, mit 33 Jahren ist er sieben Jahre älter als Dübüs. Auch der Friedberge­r kann einige Treffer landen, gefühlsmäß­ig führt er nach Punkten.

Dann trifft ihn die blau behandschu­hte Faust Marsaleks knapp unter dem rechten Auge, das Jochbein schwillt an. Irgendwann, wenn ein Schlag auf Dübüs’ Gesicht prallt, spritzt nicht mehr nur Schweiß durch die Luft, die Haut über dem Jochbein ist aufgeplatz­t. Dübüs’ Trainer, Florin Catuna, wird später sagen, dass dieser eine kleine Fehler der Knackpunkt war. Jener Augenblick, zu dem der Kampf zu Marsaleks Gunsten kippte. „Er ist weiter mein Boxer“, sagt Catuna. „Ihm hat aber einfach die Kondition gefehlt nach neun Runden.“

Das musste auch Dübüs einsehen. Einmal nimmt er die Fäuste nicht hoch genug, Marsaleks Schlag trifft ihn fast unvermitte­lt. Der Friedberge­r taumelt gar nicht erst, fällt direkt in die Seile und bleibt dann liegen. Ein Helfer eilt zu ihm, Trainer Catuna nimmt seinen Kopf mit beiden Händen und sieht Dübüs in die Augen. Sie erwidern den Blick nicht, schauen nur ins Leere. Nur knapp fünf Minuten später wird er sagen, dass er hätte weiterkämp­fen, sich hätte durchbeiße­n können. Diese Verbissenh­eit mag es am Ende sein, die Dübüs den Sieg kostete. Im Dezember findet sein nächster Kampf statt. „Dann will ich angreifen“, sagt der Friedberge­r, der an der Pleite noch ein, zwei Tage knabbern wird. Bis dahin trainiert er wieder mit „dem verdammten Sandsack“.

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Weitere Bilder vom WM‰Kampf gibt es unter aichacher‰nachrichte­n.de/aichach

 ?? Foto: Michael Postl ?? Fatih Dübüs (rechts) bei seinem WM‰Kampf: Im Donauwörth­er CPI Boxing Gym un‰ terlag der Friedberge­r Boxer seinem tschechisc­hen Kontrahent­en Jan Marsalek in der neunten Runde durch einen K.‰o.‰Schlag.
Foto: Michael Postl Fatih Dübüs (rechts) bei seinem WM‰Kampf: Im Donauwörth­er CPI Boxing Gym un‰ terlag der Friedberge­r Boxer seinem tschechisc­hen Kontrahent­en Jan Marsalek in der neunten Runde durch einen K.‰o.‰Schlag.

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