„Alle haben rote Ohren bekommen“
Interview Die Band Eisbrecher covert Klassiker der deutschen Musikgeschichte. Sänger Alex Wesselsky über seine düstere Version von „Skandal im Sperrbezirk“und den David Bowie von Wien
Sie waren ja in der bisherigen CoronaKrisenzeit richtig aktiv. Unter anderem haben Sie zusammen mit Gil Ofarim, Henning Wehland (H-Blocks) und Doro Pesch deren großen Hit „Für immer“von 1993 noch einmal neu aufgenommen. Hat sicher Spaß gemacht?
Alex Wesselsky: Natürlich, die Idee dazu hatte ja der Radiosender Rockantenne. Als klar war, dass wir alle in den Lockdown rutschen, wurde „Für immer“als große Hymne angeboten. Das sollte ein Zeichen für die gesamte Rock-Community sein, in der Krise zusammenzuhalten.
Kam aber gut an, obwohl die Nummer schon einige Jahre auf dem Buckel hat …
Wesselsky: Ich wurde auch oft auf der Straße auf das Lied angesprochen. Das passiert mir bei Eisbrecher-Songs nicht so oft. Aber Doros Nummer hat schon das gewisse Etwas. Das hat schon den Hauch von „Das große Wir“. Klingt für manchen sicher ein bisschen kitschig, aber packt die Leute da, wo das Herz wohnt.
Ich kann mir aber vorstellen, auf Ihr Album „Schicksalsmelodien“, das am Freitag erscheint, werden Sie dann auch häufig angesprochen. Ihre Band Eisbrecher covert da 14 Klassiker der deutschen Musikgeschichte wie „Skandal im Sperrbezirk“, „Out of the Dark“oder „Der Goldene Reiter“. Das Video von „Skandal im Sperrbezirk“ist dabei schon recht düster. Besagte Rosi, um die es im Lied ja geht, tritt da als Prostituierten-Mörderin in Erscheinung …
Wesselsky: Ja, wir covern ja ältere Songs. Rosi ist älter geworden und wir sind älter geworden und das Video ist ziemlich düster geworden. Das stammt von einem jungen Regisseur, der auch schon für Sido gearbeitet hat. Ich finde es gelungen. Aber klar, da erntet man schon mal den einen oder anderen Shitstorm. Aber ich würde auch ungern ein Album machen, das allen gefällt.
Was hat Ihnen früher am besten gefallen?
Wesselsky: Als Song war das schon „Skandal im Sperrbezirk“. Das war so schnell wie der Heavy Metal. Eine unglaubliche Nummer. Dann dieser Text. Da haben alle rote Ohren bekommen und der Bayerische Rundfunk wollte es gar nicht spielen. Ein Wort wie Nutte gibt’s ja heute gar nicht mehr. Farbige dürfen ja auch nicht mehr in eine Weihnachtskrippe (lacht). Dann natürlich Falco. Er hat die Sprache neu erfunden und den Muff des Schlagers aus dem Lodenmantel gehauen. Zudem hat er der deutschen Sprache das rollende „R“ausgetrieben. 1986 habe ich Falco in
München in der Alabamahalle gesehen. Das war für mich der David Bowie von Wien. Und dann natürlich Extrabreit. „Hurra, die Schule brennt“oder „Junge, wir können so heiß sein“. Das war feinster Garagen-Rock mit sozialkritischen Aspekten. Auch Trio darf bei dieser Aufzählung nicht fehlen. „Da Da Da“oder „Lass mich rein, lass mich raus“ist schon exzellenter Minimalismus. Die Kunst der Reduktion.
Haben Sie schon Resonanz von den Original-Interpreten bekommen? Wesselsky: Ja, drei Künstler haben uns gelobt. Das waren Joachim Witt (Goldener Reiter), Attila von Powerwolf (Stoßgebete) und Doro Pesch (Are we are). Von Günther Sigl, dem Sänger von Spider Murphy, hab ich noch nichts gehört. Aber vielleicht schickt mir der nur eine Briefbombe (lacht).
Für Ihre Alben die „Hölle muss warten“und „Schock“wurden Sie mit einer Goldenen Schallplatte ausgezeichnet. Wird „Schicksalsmelodien“ein ähnlicher Volltreffer?
Wesselsky: Keine Ahnung. Dass wir am Freitag gleich auf Platz eins einsteigen, ist unwahrscheinlich. Die Ärzte und Bruce Springsteen bringen ebenfalls neue Alben raus. Aber wenn wir unter den ersten fünf sind, befinden wir uns in guter Gesellschaft.
Dann ist aber Schluss mit der Coverei. Nächstes Jahr folgt wieder ein richtiges Eisbrecher-Album …
Wesselsky: Wir wissen seit kurzem, dass es am 12. März 2021 erscheinen wird.
Wie heißt es?
Wesselsky: Liebe macht Monster.
Interview: Wolfgang Langner
● Alex Wesselsky, geboren 1968 in Augsburg, gründete 2003 die Rockband Eisbrecher