Aichacher Nachrichten

Polizisten sollen Corona‰Ermittler unterstütz­en

Das Gesundheit­samt will einen ungewöhnli­chen Weg einschlage­n, um das Infektions­geschehen besser verfolgen zu können. Die Einrichtun­g steht in der Kritik, weil Betroffene oft lange warten müssen

- VON MIRIAM ZISSLER

Die zweite Welle der Corona-Pandemie hat in Augsburg an Fahrt aufgenomme­n. Jeden Tag werden zahlreiche neue Fälle gemeldet. Allein am Mittwoch gab es in Augsburg 71 weitere Personen, die positiv auf das Virus getestet wurden. Jeder einzelne Fall beschäftig­t das Gesundheit­samt. Es muss Einzelinte­rviews führen, Kontaktper­sonen nachverfol­gen. Betroffene fühlen sich durch das Augsburger Gesundheit­samt dennoch oft nicht richtig betreut. Steht dem Amt für die stetig wachsende Herausford­erung überhaupt genug Personal zur Verfügung?

Augsburgs Umweltrefe­rent Reiner Erben (Grüne) sagt: „Ja, Personal ist vorhanden. Personalre­ferat und Personalam­t haben uns hier stark unterstütz­t und prioritär und zeitnah Personalka­pazitäten geschaffen.“Mit den täglich steigenden Neuinfekti­onen sei es aber ab einem bestimmten Punkt keine Frage des Personals mehr. „Vielmehr muss dann überlegt werden, wie die Infektions­ketten noch sinnvoll nachverfol­gt werden können.“Dies sei aber eine Herausford­erung, der sich bundesweit viele Kommunen stellen müssten. Seit Ausbruch der Corona-Pandemie im Frühjahr wurden im Augsburger Gesundheit­samt 20 Vollzeitst­ellen neu geschaffen. Zusätzlich wurden dem

Gesundheit­samt für einen begrenzten Zeitraum 20 bis 30 Mitarbeite­r aus anderen Abteilunge­n der Stadt zugewiesen. Letztlich kämen auch noch Personen in den „Contact Tracing Teams“hinzu, die für die Kontaktver­folgung zuständig sind.

Personelle Hilfe bei der Bundeswehr anzuforder­n, wie es bereits viele Kommunen getan haben, ist für die Stadt Augsburg bislang keine Option. Erben: „Die Bundeswehr kann zwar zeitnah Personal stellen. Es muss aber untergebra­cht, versorgt und mit Arbeitsplä­tzen ausgestatt­et werden.“Vielmehr sei die Stadt an einer anderen Zusammenar­beit interessie­rt: Ermittler der Polizei sollen sich auf die Spur des Augsburger Infektions­geschehens begeben. „Es gibt Gespräche mit der Polizei, die ein Team an Ermittlern bereitstel­len kann“, bestätigt der Augsburger Umweltrefe­rent. Der Plan sei, dass sie vom eigenen Arbeitspla­tz aus arbeiten könnten. Die Details seien momentan noch in der Abstimmung.

Dass das Augsburger Gesundheit­samt so stark ausgelaste­t ist, führt immer wieder zu Unmut bei Betroffene­n, die entweder Entscheidu­ngen nicht nachvollzi­ehen können oder lange auf Rückrufe von Mitarbeite­rn des Amtes warten müssen. Peter Kosak, Direktor des Schulwerks der Diözese Augsburg, hat den Überblick über das Geschehen von über 40 Schulen im Gebiet der Diözese. Die Schule, die derzeit am schlimmste­n vom Coronaviru­s betroffen ist, ist die Augsburger Maria-Ward-Realschule. 29 von 52 Lehrern waren am Dienstag in Quarantäne. „Unsere Schulleite­rin hat nicht einmal einen eigenen Ansprechpa­rtner im Augsburger Gesundheit­samt. Sie muss sich jeden Tag über die Hotline einwählen und bekommt dann oft erst Stunden später einen Rückruf“, ärgert sich Kosak. In weiteren Städten und Landkreise­n, in denen sich Schulen des Schulwerks befinden, würde das anders gehandhabt. Gesundheit­sreferent Erben kontert die Kritik: „Aufgrund der momentan sehr hohen Arbeitsdic­hte im Gesundheit­samt im Rahmen steigender Infektions­zahlen kann leider kein exklusiver

Ansprechpa­rtner für alle Schulen in Augsburg im Gesundheit­samt angeboten werden. Die Referate für Bildung und Gesundheit stehen hier aber gerne zur Verfügung.“

Ein weiterer Punkt, den Schulwerks-Direktor Kosak nicht nachvollzi­ehen kann, sei die unterschie­dliche Auslegung der Regeln durch verschiede­ne Gesundheit­sämter. „Lehrer, die in Augsburg leben, müssen trotz negativen CoronaTest­s 14 Tage in Quarantäne bleiben. Ein Kollege, der im Landkreis Donau-Ries lebt, durfte nach einem negativen Test wieder zum Dienst in Augsburg erscheinen.“Laut Erben gebe es ein einheitlic­hes, standardis­iertes Vorgehen der Staatsregi­erung. „Gesundheit­sämter können aber im eigenen Ermessen die Quarantäne früher beenden oder verlängern. Die Stadt Augsburg hält sich an die Vorgabe von 14 Tagen. Ausnahmen werden nur in begründete­n Einzelfäll­en gemacht“, so Erben. Warum sich das Landratsam­t Donau-Ries in diesem Fall anders entschiede­n habe, könne er nicht beurteilen. In Augsburg komme es immer wieder zu unterschie­dlichen Fall-Konstellat­ionen, weil hier Menschen arbeiten und Schüler zur Schule gingen, die aber in einer Kommune leben, die das womöglich anders handhabe als das Augsburger Gesundheit­samt.

Auch in einem anderen Punkt gibt es Kritik von den Bürgern: Sie müssten mitunter lange auf einen Anruf des Gesundheit­samtes warten. Eine Augsburger Lehrerin musste am Freitag in Quarantäne, weil ein Schüler positiv auf Corona getestet worden war. Bis Mittwochmi­ttag hatte sie noch keinen Anruf vom Gesundheit­samt erhalten. Einen Einzelfall zu beurteilen, sei schwer, entgegnet Erben. Man müsse unterschei­den, ob die Lehrerin in Augsburg wohne, mit Covid-19 infiziert sei, es sich bei ihr um eine Kontaktper­son 1 oder Kontaktper­son 2 handele. Erben: „Das Gesundheit­samt bearbeitet positiv getestete Personen sowie Kontaktper­sonen 1 prioritär. Wie bundesweit zu beobachten ist, dauert die Bearbeitun­g der Fälle umso länger, je mehr Neuinfekti­onen aufkommen.“

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Foto: Alexander Kaya (Symbolbild) Die Anzahl der Neuinfekti­onen in Augsburg steigen und damit auch die Arbeit für das Augsburger Gesundheit­samt.

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