Aichacher Nachrichten

Brustkrebs: Abtasten hat ihr das Leben gerettet

Lea Demirbas ist 35 Jahre alt, als sie etwas in ihrer Brust ertastet. Wie sich herausstel­lt, ist es Krebs. Die Augsburger­in ist sich sicher, dass sie wegen ihrer Achtsamkei­t heute noch lebt

- VON MIRIAM ZISSLER

Im Mai 2019 ertastet Lea Demirbas etwas in ihrer Brust. Es sei wie ein „Knubbel“gewesen, ein verschiebb­arer, fester Knoten, etwa so groß wie der Kopf einer Stecknadel. Die damals 35-Jährige wollte das abklären lassen und ging zu ihrem Frauenarzt. Das sei bestimmt ein Fibrom, eine gutartige Geschwulst, sie solle das weiter beobachten, hieß es. Monate vergingen, der „Knubbel“wuchs. Lea Demirbas war achtsam. Seit eine Freundin mit 29 Jahren an Brustkrebs erkrankt war, tastete die Augsburger­in regelmäßig unter der Dusche ihre Brüste ab. Angst habe sie eigentlich keine gehabt. Keine Vorerkrank­ungen in der Familie, nur wenige Jahre die Pille genommen, zwei Kinder gestillt und ja auch erst 35. Trotzdem bestand sie einige Wochen später beim Frauenarzt auf einer Mammografi­e, bei der die Brust geröntgt wird. Im November war nach der Mammografi­e und anschließe­nder Biopsie klar: Der „Knubbel“ist ein bösartiges Karzinom. Brustkrebs.

Zur Behandlung begibt sich Demirbas in die Augsburger Uniklinik. Prof. Nina Ditsch leitet dort das Brustzentr­um und betreut mit dem Team der Klinik die Therapie der heute 36-jährigen Demirbas. „Lieber einmal zu viel abgeklärt, als zu wenig“, lautet ihre Devise. Beiden Frauen ist das Thema Früherkenn­ung wichtig – sie engagieren sich dafür, dass Frauen ihren Körper im Blick haben.

Seit knapp 20 Jahren arbeitet Ditsch als Ärztin und hat in dieser Zeit festgestel­lt, dass Patienten ein gutes Gespür für ihren Körper haben. Mit einer Vermutung oder einem komischen Gefühl lägen sie oft nicht daneben. Daneben gebe es auch genetische Anhaltspun­kte, etwa wenn schon eine oder mehrere Frauen in der Familie an Brustkrebs erkrankt waren. Bevor die Ärztin im vergangene­n Jahr an die Augsburger Uniklinik wechselte und Prof. Dr. Christian Dannecker, Direktor der Klinik für Frauenheil­kunde und Geburtshil­fe, folgte, arbeitete sie viele Jahre am Brustzentr­um an der Frauenklin­ik der Universitä­t München (LMU) und baute dort den Bereich der klinischen Genetik für erblichen Brustkrebs und andere gynäkologi­schen Veranlagun­gen mit auf. „Die Schauspiel­erin Angelina Jolie hat den BRCA-Gentest berühmt gemacht. Aber natürlich haben wir auch schon vorher damit gearbeitet“, sagt sie.

Aufgrund einer Mutation des BRCA-1- und BRCA-2-Gens bestehe bei manchen Menschen eine prozentual höhere Wahrschein­lichkeit, an Brust- oder Eierstockk­rebs zu erkranken. Nina Ditsch hat schon viel Leid gesehen. Großmütter und Mütter, die die Krankheit durch ihre Gene an ihre Töchter und Enkelinnen weitergege­ben hätten und ihre Augen vor den möglichen Folgen verschloss­en. Durch eine Genuntersu­chung bei bestimmten Formen von Brust- und Eierstockk­rebs, darüber hinaus bei gehäuften Auftreten von Krebs bei Familienmi­tgliedern könne man das Risiko „schwarz auf weiß“auf das Papier bringen. Letztlich sei es ein Zusatzkrit­erium, dass zu einer Erkrankung führen kann. „Die Wahrschein­lichkeit einer möglichen Vererbung“, betont sie.

Bevor Lea Demirbas mit ihrer

Therapie begann, ließ sie ebenfalls ihre Gene testen. Bei ihr fanden die Ärzte keine Genverände­rung, die mit einem hohen Risiko einhergeht. „Viele Menschen wollen einfach wissen, warum sie an Krebs erkranken“, sagt sie. Nicht für jeden gibt es einen Hinweis dafür. In den vergangene­n Monaten erhielt die 36-Jährige zahlreiche Chemos, sie wurde operiert, bestrahlt und macht seit dem Frühjahr eine Antikörper­therapie. „Im Anschluss werde ich jahrelang Tabletten nehmen müssen“, sagt sie und ist trotz allem froh, dass bei ihr bislang alles gut geklappt hat. Die Mutter zweier Kinder arbeitet wieder und wird nicht müde, in ihrem Freundeskr­eis das Thema Abtasten anzusprech­en.

Auf ihrem Instagram-Account schreibt Demirbas im Oktober, der seit 1985 internatio­nal als Brustkrebs­monat begangen wird und die Vorbeugung, Erforschun­g und Behandlung von Brustkrebs ins öffentlich­e Bewusstsei­n rücken soll: „Ich möchte diesen Post noch mal dafür nutzen, um eindringli­ch daran zu erinnern, einmal im Monat die Brüste abzutasten. Um es in aller

Deutlichke­it zu sagen: Es hat mir das Leben gerettet.“Sie sei keine „Brustkrebs-Aktivistin“, aber aufgrund ihrer Erfahrung ist es ihr ein Anliegen, dass sich mehr Frauen abtasten, regelmäßig zur Vorsorgen gehen und so bösartige Tumore frühzeitig erkannt werden können. Lea Demirbas: „Zwei Monate, bevor ich das erste Mal etwas in meiner Brust ertastete, war ich selber bei meiner jährlichen Vorsorgeun­tersuchung beim Frauenarzt. Damals wurde nichts gefunden. Wenn ein Jahr ohne Abtasten verstriche­n wäre, hätte der Tumor ungestört wachsen können.“

Prof. Nina Ditsch investiert ebenfalls viel Zeit in Beratung und Informatio­n. Sie arbeitet in verschiede­nen Bereichen mit Brustkrebs­initiative­n, wie vor Ort mit Mamazone zusammen. Für den Verein Brustkrebs Deutschlan­d übernimmt sie telefonisc­he Sprechstun­den. Ditsch: „Regelmäßig­e Untersuchu­ngen sind wichtig, damit eine frühe Diagnose eine gute Prognose ermögliche­n kann.“Sie plädiert auf mehr Achtsamkei­t. Lea Demirbas hat das ihr Leben gerettet.

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Foto: Klaus Rainer Krieger Patientin Lea Demirbas (links) im Gespräch mit ihrer Ärztin Nina Ditsch an der Uniklinik Augsburg.

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