Aichacher Nachrichten

Im Kö‰Prozess sorgen Gewaltvide­os für Entsetzen

Viele im Gerichtssa­al können die Bilder kaum ertragen: In der Verhandlun­g um den tödlichen Schlag am Augsburger Königsplat­z werden Filmaufnah­men gezeigt, die sich auf den Handys der Angeklagte­n befanden

- VON JÖRG HEINZLE

Die Brutalität ist enorm. Die Bilder, die von einem Projektor an die Wand an der Stirnseite des Gerichtssa­als geworfen werden, sind kaum zu ertragen. Es sind kurze Videos, die bei den Angeklagte­n im Augsburger Kö-Prozess auf den Handys gefunden wurden. Viele im Saal schauen weg, die drei Angeklagte­n blicken auf die Tischplatt­e vor ihnen.

Ein Film zeigt, wie ein nackter Mann wehrlos auf dem Boden liegt und ein Hund dessen Hoden frisst. Ein anderes Video ist in einer Art Dschungel aufgenomme­n. Maskierte Männer enthaupten eine am Boden kniende Frau. Weitere brutale Tötungssze­nen werden abgespielt, ein Film zeigt einen gefesselte­n Kämpfer, der von einem großen Geschoss getroffen wird, unterlegt ist das mit orientalis­cher Musik. Für Lenart Hoesch, Vorsitzend­er Richter der Jugendkamm­er des Landgerich­ts, stellt sich die Frage, was diese Videos bei den Jugendlich­en und jungen Männern bewirkt haben. Haben sie die Hemmschwel­le für echte Gewalttate­n gesenkt?

Rechtsanwa­lt Marco Müller verteidigt Halid S., 17, den Hauptangek­lagten in dem Prozess. Er hat bei einer Auseinande­rsetzung am Königsplat­z den 49-jährigen Roland S. mit einem Faustschla­g ins Gesicht getötet. Der Verteidige­r erklärte, er verstehe nicht, warum die Videos gezeigt werden müssten. Sie könnten nicht dazu dienen, die Gewalttat vom Kö aufzukläre­n. Dass der Anwalt die Videos im Gerichtssa­al lieber nicht sehen wollte, ist nachvollzi­ehbar – schließlic­h werfen sie kein gutes Licht auf die Angeklagte­n. Neben Halid S. sind noch zwei weitere junge Männer, 18 und 20, angeklagt. Sie sollen einen Freund von

Roland S. geschlagen und verletzt haben.

Alle drei Angeklagte­n gaben im Prozess an, die Gewaltvide­os hätten für sie keine besondere Bedeutung gehabt. Sie hätten die Bilder über Handy-Chatgruppe­n erhalten, aber nicht weiter beachtet. Zweifel daran kommen auf, wenn man einen ChatDialog liest, den der 20-jährige Angeklagte mit einem Freund geführt hat. Sie tauschen sich dabei offensicht­lich über die Videos aus. Es fallen Worte wie: „Schau ganz an“, „Die schlachten den“, „geisteskra­nk“und „voll krass“. Eine Mitarbeite­rin des Jugendamts sagt auf

Nachfrage von Richter Hoesch, die Videos seien in den Gesprächen mit den Angeklagte­n kein großes Thema gewesen. Sie könne daher nicht sagen, welchen Einfluss sie auf das Verhalten hatten. Bei Angeklagte­n unter 21 Jahren gibt stets auch das Jugendamt einen Bericht ab – es geht dabei unter anderem um Empfehlung­en für eine Strafe und eine mögliche Aufarbeitu­ng der Tat.

Das Bild, das Halid S. im Gespräch abgegeben habe, sei zwiespälti­g, erklärt die Jugendamts-Mitarbeite­rin. Einerseits habe er sich höflich und respektvol­l verhalten und gesagt, dass ihm die Tat leidtue.

Anderersei­ts habe er aber auch kühl und abgeklärt gewirkt. Ein Psychologe aus dem Jugendgefä­ngnis, in dem Halid S. sitzt, habe auch berichtet, der 17-Jährige habe versucht, „Mithäftlin­ge auf subtile Art zu manipulier­en“. Das habe zu Spannungen geführt und letztlich auch dazu, dass er in Einzelhaft kam. Halid S. wurde in Augsburg geboren, seine Eltern stammen aus der Türkei und dem Libanon, sie leben seit rund 30 Jahren in Deutschlan­d. Die Familie mit vier Kindern lebte auf recht beengtem Raum in einer Vier-Zimmer-Wohnung. Das Verhältnis zu den Eltern und den

Geschwiste­rn beschreibt der 17-Jährige aber als gut. Er war schon vor der Kö-Tat in Konflikt mit dem Gesetz geraten – unter anderem wegen Diebstahls und Körperverl­etzung. Aber er war auch weit entfernt davon, als Intensivtä­ter eingestuft zu werden.

Die meisten Zeugen sind in dem Prozess um die Gewalttat inzwischen vom Gericht angehört worden. In der kommenden Woche soll dann noch ein Rechtsmedi­ziner, der die Leiche des Getöteten untersucht hat, aussagen. Läuft es wie geplant weiter, dann wird das Urteil am Freitag, 6. November, fallen.

 ?? Foto: Karl‰Josef Hildenbran­d, dpa ?? Die Aufarbeitu­ng der tödlichen Gewalttat vom Augsburger Königsplat­z läuft vor Gericht. Nun wurden Videos gezeigt, die auf den Handys der Angeklagte­n gespeicher­t waren. Sie zeigen brutale Szenen.
Foto: Karl‰Josef Hildenbran­d, dpa Die Aufarbeitu­ng der tödlichen Gewalttat vom Augsburger Königsplat­z läuft vor Gericht. Nun wurden Videos gezeigt, die auf den Handys der Angeklagte­n gespeicher­t waren. Sie zeigen brutale Szenen.

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