Aichacher Nachrichten

Wenn Kindergart­enkinder „kneippen“gehen

Das Kinderhaus Wurzelkind­er im Pöttmeser Ortsteil Handzell mit rund 90 betreuten Kindern orientiert sich an der Philosophi­e von Pfarrer Kneipp. Doch was bedeutet „Kneippen“für den Tagesablau­f in einem Kindergart­en?

- VON HENRIETTE DEURING

Pöttmes‰Handzell Wer vom Kneippen spricht und dabei nur an Senioren im Storchenga­ng denkt, der hat weit gefehlt. Längst ist die Philosophi­e von Sebastian Kneipp bei den Allerjüngs­ten angekommen. Im Kinderhaus Wurzelkind­er in Handzell (Pöttmes) zum Beispiel spielt die Kneipp-Therapie eine zentrale Rolle. Das ist schwabenwe­it einmalig. Das Thema Kneipp findet sich immer wieder im Alltag des Kinderhaus­es. Doch wie funktionie­rt eine „Kneipp-Kur“im Kinderhaus?

Kneippen draußen ist an diesem herbstlich­en Donnerstag nicht mehr angesagt, dafür ist es mittlerwei­le schon zu kalt. Doch die wegweisend­en fünf Säulen nach Kneipp, bestehend aus Kräutern, Bewegung, Wasser, Lebensordn­ung und Ernährung, bieten auch noch andere Möglichkei­ten für die 91 Mädchen und Buben. Leiterin Anke Heil erzählt, der Kneipp-Einfluss sei im Alltag immer zu spüren.

Einmal pro Woche findet ein größeres Projekt statt. Wasseranwe­ndungen wie Fuß- und Armbäder, kneippen im hauseigene­n Kneippbeck­en, Kochen, Kräuterleh­re, Luftbäder, Tau- oder Schneelauf­en – die Liste der Aktivitäte­n ist lang. Heil erklärt, dass dabei vor allem die Achtsamkei­t für den eigenen Körper, die Wahrnehmun­g und eine gesunde Lebensweis­e geschult werde – und das schon bei den Jüngsten.

Auch in der Regenbogen­gruppe stehen an diesem Donnerstag Anwendunge­n nach Kneipp auf dem Programm: Eine Fußmassage mit Kastanien, Lavendel-Armbäder und Turnen. Ob die Kinder Lust haben? Auf diese Frage von Gruppenlei­terin Margit Grabler ertönt ein einstimmig­es „Jaaa!“Im Nebenzimme­r stehen schon die kleinen Plastikwan­nen bereit, alle mit warmen Wasser gefüllt. Im Hintergrun­d läuft leise Entspannun­gsmusik. Mit Argusaugen beobachten die Mädchen und Buben, wie Erzieherin Andrea Lichtenste­rn vorsichtig Lavendelöl in das Wasser tropft. Sofort strömt der intensive Duft durch das Zimmer. Schnell krempeln die Kinder ihre Pulloverär­melchen nach oben und klettern auf die Stühle, um die Arme in die Wannen zu strecken. Dass die Kinder begeistert auf solche Kneipp-Angebote reagieren, kann Andrea Lichtenste­rn nur bestätigen. Sie ist selbst von den positiven Auswirkung­en überzeugt. Nach einem Armbad mit Lavendel seien alle ruhiger und entspannte­r, erzählt sie. Und tatsächlic­h: Während von nebenan noch das Geschrei tobender Kinder zu hören ist, werden die Mädchen und Buben im Raum ganz still und gelassen. Manch einer entspannt sich dabei sogar so sehr, dass plötzlich ein leises „Ich muss aufs Klo“ertönt.

Dass das Armbad nicht nur zum Entspannen geeignet ist, wissen die

der Regenbogen­gruppe auch schon. Es sei gut für die Durchblutu­ng, ruft ein Mädchen. Ein anderer Bub erzählt eifrig, dass es sich auch als Vorbeugung gegen Erkältunge­n eigne. „Für das Immunsyste­m“, lernen sie von Lichtenste­rn. Auf die natürliche Stärkung der eigenen Abwehrkräf­te wird im Kinderhaus Wurzelkind­er besonders großen Wert gelegt. Kinderhaus­leiterin Heil liegt dabei besonders die Naturverbu­ndenheit und das Wissen, dass die Natur einem viel schenke, am Herzen. Daher haben die Erzieherin­nen auch zusammen mit den Kindern extra ein Hochbeet, eine Kräutersch­necke und eine Wildblumen­wiese im Garangeleg­t. Das vermeintli­che Unkraut wie beispielsw­eise Ringelblum­en und Spitzweger­ich werden dann zusammen mit den Kindern verkocht und beispielsw­eise zu Hautcremes verarbeite­t.

Das Kinderhaus in Handzell hat die offizielle Kneipp-Zertifizie­rung im Sommer vergangene­n Jahres erhalten, erzählt die Leiterin. Es ist das erste Kinderhaus in ganz Schwaben, sagt Heil nicht ohne Stolz. Das davor verfolgte Montessori-Prinzip nimmt zwar immer noch Einfluss, bildet aber nun nicht mehr den Schwerpunk­t. Anlass des Umschwenke­ns waren zwei Kollegen, die bereits das Kneipp-Zertifikat hatten, erzählt sie. So haben die AnKinder wendungen des Wörishofer Pfarrers ihren Weg in den Kinderhaus­alltag gefunden. In einer mehrtägige­n Fortbildun­g ließen sich dann auch Heil und ihre anderen Kolleginne­n schulen, um ihr Wissen an die Kinder weitergebe­n zu können.

Allerdings profitiert nicht nur der Nachwuchs von der Kneipp-Philosophi­e, sondern auch die Eltern der in der Einrichtun­g in Handzell betreuten Kinder werden integriert. Zusätzlich zu Elternaben­den rund um das Thema, werden einmal im Monat Neuigkeite­n und Tipps per App an die Eltern weitergege­ben. Die Resonanz sei durchweg positiv, berichtet Heil. Sie wisse, dass die Kinder auch viel in die Familien traten gen. Das bestätigt Andrea Lichtenste­rn. Sie ist sich sicher, dass die Kinder noch am gleichen Tag daheim erzählen wollen, dass man Lavendelsä­ckchen zum besseren Einschlafe­n auch selber machen kann, sagt sie schmunzeln­d.

Heil ist überzeugt vom Erfolg des Prinzips. „Ich habe schon das Gefühl, dass die Kinder öfter anwesend sind. Sie sind einfach abgehärtet­er“, berichtet sie. Auch ansonsten glaubt die Leiterin, dass die fünf Säulen nach Kneipp den Kindern eine gute Basis für die Zukunft gebe. „Sie werden das Wissen nicht mehr vergessen. Sie verinnerli­chen, dass es gut für Gesundheit und Umwelt ist“, sagt Heil.

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Fotos: Henriette Deuring Diese Kinder genießen ein Lavendel‰Armbad mit Erzieherin Andrea Lichtenste­rn im Kneipp‰Kindergart­en in Handzell. Es ist die einzige Einrichtun­g dieser Art in ganz Schwa‰ ben.
 ??  ?? Wasserheil­kunde, Ernährung, Heilkräute­r, Bewegung und Lebensordn­ung bilden die fünf Säulen nach Kneipp.
Wasserheil­kunde, Ernährung, Heilkräute­r, Bewegung und Lebensordn­ung bilden die fünf Säulen nach Kneipp.
 ??  ?? Erzieherin­nen und Kinder haben im Kneipp‰Kindergart­en in Handzell eine Kräuter‰ schnecke angelegt.
Erzieherin­nen und Kinder haben im Kneipp‰Kindergart­en in Handzell eine Kräuter‰ schnecke angelegt.

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