Aichacher Nachrichten

Einblicke in die 1000 Jahre alte Godehard‰Kapelle

Geschichte Bomben legten 1944 die vergessene Godehard-Kapelle frei. Sie ist ein Baudenkmal mit ungewöhnli­cher Geschichte im Schatten der Ulrichsbas­ilika

- VON FRANZ HÄUSSLER

Die Ruine der Godehard-Kapelle ist ein außergewöh­nliches Baudenkmal: Sie wurde vor über 1000 Jahren gebaut, war jahrhunder­telang vergessen, ehe sie Bomben freilegten. Das heißt: Es sind ihre Umfassungs­mauern, die 1944 entdeckt wurden. Die Chorwand aus Tuffstein grenzt an die Peter-Kötzer-Gasse. Die schmale Gasse verläuft zwischen dem Milchberg und der Kirchgasse unterhalb der Basilika St. Ulrich und Afra. Sie trennt das Ulrichsvie­rtel und den Kirchenber­eich.

Eine bis zu zwei Stockwerke hohe Stützmauer bildet die Westseite der Peter-Kötzer-Gasse. Im Gartenbere­ich des Tagungshot­els Haus St. Ulrich ist die Mauer durch eine Wand aus grauen Tuffsteinb­löcken unterbroch­en. Auf einem goldglänze­nden Schild wird auf die Historie verwiesen: „Godehardsk­apelle. Vorromanis­che Kirche im Klosterbez­irk von St. Ulrich und Afra. Erbaut zwischen 950 und 1000“. Spektakulä­r ist der Blick nach oben: Der Chor der Ulrichsbas­ilika ragt darüber himmelwärt­s.

Die Kapelle ist nur als Ruine erhalten. Doch dieses Gemäuer ist das älteste Bauwerk der einstigen Benediktin­erabtei St. Ulrich und Afra. Das Kloster wurde anno 1006 gegründet. Zu dieser Zeit stand hier bereits eine Kapelle. Die Geschichte des Kloster- und Kirchenare­als ist in der 2004 eingericht­eten „Heiltumska­mmer“in der Ulrichsbas­ilika aufbereite­t. An den Ausstellun­gsraum ist eine Aussichtsk­anzel angefügt. Von dort aus sind die Reste der Godehard-Kapelle überblickb­ar. Der Zugang in die Ruine ist über das Areal des benachbart­en Hauses St. Ulrich möglich.

In der „Heiltumska­mmer“regen Funde zu einem Rückblick an. Um die Ulrichsbas­ilika kamen viele frühchrist­liche Bestattung­en ans Tageslicht. Allein innerhalb der Mauern der Godehard-Kapelle und westlich davon entdeckten Archäologe­n über ein Dutzend spätrömisc­he Gräber. Die Kapelle, die Ulrichsbas­ilika und das verschwund­ene Kloster wurden in einem antiken Gräberfeld errichtet. Dieser Friedhof bezeugt den Beginn des Christentu­ms in Augusta Vindelicum zwischen 300 und 400 nach Christus. Hier wurden Augsburgs frühe Christen bestattet. In diesem Bereich lebten vermutlich schon im 7. Jahrhunder­t Kleriker. Ihnen folgten vermutlich im Jahr 1006 die Benediktin­er.

Nach fast 800 Jahren wurden die Mönche enteignet und ihr Konvent bei der Säkularisa­tion 1802/03 aufgelöst. Die Klostergeb­äude wurden zur Kaserne. Bis zur Bombennach­t vom 25. auf den 26. Februar 1944 war ein Großteil der Klosteranl­age samt Kreuzgang erhalten. Einige Gebäude überstande­n das Inferno wurden noch über 20 Jahre lang bewohnt und von Firmen genutzt.

Beim „Enttrümmer­n“einer an die Peter-Kötzer-Gasse stoßenden Ruine kamen Tuffsteinm­auern zum Vorschein. Bomben hatten in einem ehemals dreistöcki­gen Gebäude am Rand des Klosterare­als uraltes Tuffsteing­emäuer freigelegt. Historiker identifizi­erten das Mauerwerk: Es waren Überreste einer rund 1000 Jahre alten Kapelle. Sie war vergessen, da sie bereits vor Jahrhunder­ten zweckentfr­emdet und überbaut worden war. Bei den mehrfachen Umnutzunge­n wurden Fenster und Türen vermauert. An dem Gebäude, in dem die Kapelle verschwund­en war, deutete äußerlich nichts mehr auf den einstigen Kirchenrau­m.

Zwischen 1953 und 1956 untersucht­en Bauforsche­r die 1944 zum Vorschein gekommenen Gemäuer und Archäologe­n widmeten sich dem Untergrund des Baudenkmal­s. Forschunge­n ergaben, dass es ursprüngli­ch eine Marienkape­lle war. Die Archäologe­n konnten Spuren von zwei Vorläuferb­auten nachweisen. Die Bauzeit der ältesten Kapelle könnte um 800 gewesen sein. Ab dem Jahr 1277 ist St. Godehard als Mitpatron der Kapelle nachweisba­r. Er lebte von 960 bis 1038, war Benediktin­erabt und Bischof. Anno 1131 wurde er heiliggesp­rochen.

Bereits um 1400 wurde die Kapelle zweckentfr­emdet. Im Kirchenrau­m wurden Ziegelpfei­ler hochgemaue­rt, darauf ein Obergescho­ss gesetzt und als Mönchsrefe­ktorium (Speisesaal) genutzt. Bei dieund ser Baumaßnahm­e wurde vermutlich die Südseite des Tuffsteinb­aus durch eine Ziegelmaue­r mit großen Spitzbogen­fenstern ersetzt. Diese Mauer mit vier Fensterhöh­len ist erhalten. Die freigelegt­en Baureste ermöglicht­en es, 1957 die historisch­e St.-Godehard-Kapelle wieder in ihrem Urzustand sichtbar zu machen. Einbauten wurden entfernt, zugemauert­e Fenster wieder geöffnet.

Seit dem Bau des am 27. Februar 1975 eingeweiht­en Bildungsze­ntrums und Tagungshot­els „Haus St. Ulrich“auf dem einstigen Klostergel­ände südlich der Ulrichsbas­ilika steht die über 1000-jährige Godehard-Kapelle wieder im Blickfeld. Sie befindet sich in der Nordosteck­e des Hotelareal­s.

Im Chorraum steht ein steinerner Altartisch, ein Dach schützt den Chor der ansonsten offenen Umfassungs­mauern. Ein schmiedeei­sernes Gitter und ein Tor erlauben den Blick in die Kapelle, verwehren aber aus Sicherheit­sgründen den Zugang zu dem Gemäuer. Nur zu besonderen Anlässen ist das älteste erhaltene oberirdisc­he Bauwerk auf dem Areal der einstigen Benediktin­erabtei betretbar.

 ?? Fotos (3): Franz Häußler ?? 1000 Jahre Baugeschic­hte südlich der Ulrichsbas­ilika: Die zwischen 950 und 1000 erbaute Godehard‰Kapelle wird vom 1975 eröffneten Haus St. Ulrich überragt.
Fotos (3): Franz Häußler 1000 Jahre Baugeschic­hte südlich der Ulrichsbas­ilika: Die zwischen 950 und 1000 erbaute Godehard‰Kapelle wird vom 1975 eröffneten Haus St. Ulrich überragt.
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Foto: Hosemann Auf der Luftaufnah­me ist die Ruine der Godehard‰Kapelle (Bildmitte) zwischen der Peter‰Kötzer‰Gasse (rechts) und dem Haus St. Ulrich erkennbar.
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Blick durch den gesicherte­n Zugang zur Kapellenru­ine.
 ??  ?? Dieses Schild verweist auf die Historie des Gemäuers.
Dieses Schild verweist auf die Historie des Gemäuers.

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