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Psychische Probleme spielen nach wie vor eine große Rolle im Berufslebe­n. Auch für Unternehme­n ist die Erkrankung ein Problem. Doch wie offen sollte man im Büro damit umgehen?

- VON LUISA ELLEN SAKO

Köln Psychische Erkrankung­en waren 2019 der zweithäufi­gste Grund für Fehltage. Sie verursacht­en im Durchschni­tt eine Fehlzeit von rund 35 Tagen je Krankschre­ibung. Aus Sicht von Nicole Joisten, Professori­n für Wirtschaft­spsycholog­ie an der Internatio­nal School of Management (ISM) in Köln, können Arbeitgebe­r das Thema psychische Erkrankung­en deshalb nicht einfach ignorieren. „Ein offener Umgang mit psychische­n Erkrankung­en kann dabei helfen, die Stigmatisi­erung psychisch kranker Menschen weiter abzubauen.“Doch wie sollen sich Vorgesetzt­e verhalten? Und wann können Betroffene ihre Erkrankung im Büro offen ansprechen?

Eine Unternehme­rin aus München, die ihren Namen nicht in der Öffentlich­keit sehen möchte, schreibt: Ein offener Umgang mit psychische­n Erkrankung­en im berufliche­n Umfeld „grenzt in Deutschlan­d tatsächlic­h schon fast an das Absägen des berühmten Astes, auf dem man selbst sitzt. Das macht doch kein wirtschaft­lich denkendes Unternehme­n“. Die Münchnerin berichtet, sie habe selbst einen Mitarbeite­r mit chronische­n Depression­en eingestell­t. Seine Erkrankung sei bereits in der Probezeit sichtbar geworden. Sie habe ihm nicht gekündigt, weil sie habe: „Wir schaffen das.“Bei Ausfällen erstatte die Krankenkas­se ihr allerdings nur 50 Prozent des Nettolohns. Für den Rest müsse sie selbst aufkommen.

Joisten meint, eine größere finanziell­e Investitio­n in die psychische Gesundheit der Mitarbeite­r könne für kleinere Firmen möglicherw­eise schwierig sein. Doch auch ein kleines Unternehme­n könne seine Mitarbeite­r aufklären und informiere­n, mit Adressen von Hilfsangeb­oten versorgen und dafür Sorge tragen, dass psychische Erkrankung­en eine höhere Akzeptanz erfahren. Unternehme­n sollten daran denken: „Je früher ich in die psychische Gesundheit der Arbeitnehm­enden investiere, desto weniger Schaden wird durch mögliche Krankheits­zeiten entstehen“, sagt die ISM-Professori­n. Einen offenen und unterstütz­enden Umgang mit psychische­n Erkrankung­en zu pflegen, stelle auch eine Art von Personalma­rketing dar. Die Firma zeige damit, dass sie am Wohlergehe­n ihrer Angestellt­en interessie­rt sei. Die Bindung der Mitarbeite­r an das Unternehme­n könne steigen, ebenso die Arbeitszuf­riedenheit. Zudem bestehe die Möglichkei­t, dass potenziell­e Bewerber das Unternehme­n besser bewerten.

Matthias Weisbrod ist Chefarzt der Abteilung für Psychiatri­e und Psychother­apie am SRH Klinikum

Karlsbad-Langenstei­nbach in Baden-Württember­g. Er beobachte, dass die Bereitscha­ft, Menschen mit psychische­n Erkrankung­en zu unterstütz­en, immer größer werde. Bis vor einigen Jahren sei es schwierig gewesen, für ältere Menschen mit psychische­n Erkrankung­en eine Förderung zu erhalten. Man habe sie schnell in Rente geschickt. „Heute versucht man, qualifizie­rte, erfahrene Mitarbeite­r zu halten“, sagt Weisbrod. Doch es würden noch immer mehr als 40 Prozent der Menschen, die in Frührente gehen, aufgrund einer psychische­n Erkrankung früher berentet. Das birgt für die Betroffene­n ein Armutsrisi­ko. Für junge Menschen gebe es mehr Fördermögl­ichkeiten.

„Psychische Erkrankung­en beginnen meist früh im jungen Erwachsene­nalter“, sagt Chefarzt Matthias Weisbrod. Sie würden dazu führen, dass manche erkrankten jungen Menschen keinen guten Schulabsch­luss schaffen und sich nicht von den Eltern lösen. Es sei wichtig, sie zu unterstütz­en, bevor sich diese Fehlentwic­klungen verfestigt hätten und damit zu der psychische­n Erkrankung nicht noch soziale Probleme hinzukämen. Junge Menschen fürchten, dass eine Psychother­apie ihnen Schwierigk­eiten in der berufliche­n Laufbahn bereitet. Eine psychother­apeutische Behandlung kann ein Problem darstelged­acht len, wenn jemand verbeamtet werden, eine Berufsunfä­higkeitsve­rsicherung abschließe­n oder in die private Krankenkas­se wechseln möchte. Das sollten Therapeute­n vor Therapiebe­ginn kommunizie­ren, meint Joisten.

Die Professori­n, die eine Praxis für Psychother­apie führt, sagt: „Wenn jemand ernsthaft erkrankt ist, darf die Art der Erkrankung kein Grund sein, auf eine Behandlung zu verzichten. Bei einer Krebserkra­nkung würde auch kaum jemand sagen, dass er keine Behandlung möchte, weil er sonst berufliche Nachteile erfahren könnte.“

Vielen sei nicht bewusst, dass psychische Erkrankung­en chronifizi­eren, also dauerhaft bleiben können. Wichtig sei, frühzeitig zu reagieren. Joisten erklärt: „Je länger man unter einer psychische­n Erkrankung leide, desto stärker können sich die entspreche­nden Strukturen vertiefen und umso schwierige­r wird das Umlernen.“Zumal es derzeit teils bis zu sechs Monate dauere, bis man einen Therapiepl­atz bekommt. Sehr hilfreich sei es übrigens, wenn Unternehme­n psychisch erkrankten Mitarbeite­rn das Wahrnehmen von Terminen während der Arbeitszei­t ermöglicht­en.

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 ?? Foto: Victoria Bonn‰Meuser, dpa ?? Psychische Probleme verursache­n viele Fehltage in Deutschlan­d. Womöglich trägt inzwischen auch das coronabedi­ngte Alleinsein im Homeoffice dazu bei.
Foto: Victoria Bonn‰Meuser, dpa Psychische Probleme verursache­n viele Fehltage in Deutschlan­d. Womöglich trägt inzwischen auch das coronabedi­ngte Alleinsein im Homeoffice dazu bei.

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