Aichacher Nachrichten

Seniorenhe­ime und Corona

Die Angst vor Corona ist wohl nirgends so groß wie in Altenheime­n. Gleichzeit­ig vereinsame­n die Menschen ohne Besuch. Wie Bewohner und Mitarbeite­r im Wittelsbac­her Land die Situation bewältigen

- VON MAX KRAMER UND MARLENE WEYERER

Die Angst vor Corona ist nirgends so groß wie in Seniorenhe­imen. Aber ohne Besuch vereinsame­n die Menschen.Wie Bewohner und Leiter damit umgehen.

Aichach‰Friedberg „Die Sorge, dass es zu einem Ausbruch kommt, ist sehr groß“, sagt Klaus Ponkratz, Leiter des Pfarrer-Knaus-Heims in Kühbach. Mit 30 Pflegeplät­zen zählt die Einrichtun­g zu den kleineren im Landkreis. Doch mit jedem Tag, an dem die Infektions­zahlen weiter steigen, steigt auch die Gefahr, dass das Virus seinen Weg in das Heim findet – vor allem durch Mitarbeite­r oder Angehörige der Bewohner. „Wir riegeln die Einrichtun­g wieder so ab, wie wir es im März und April getan haben“, sagt Ponkratz. Das bedeutet: Die Besuchszei­ten wurden auf eine Stunde pro Woche pro Bewohner reduziert, Angehörige verschiede­ner Bewohner dürfen nicht mehr gleichzeit­ig im Heim anwesend sein. „Wir denken auch intensiv darüber nach, die Tagespfleg­e zu schließen“, sagt Ponkratz. „Das ist keine schöne Situation, gerade für die Angehörige­n. Aber wir müssen handeln.“

Wie erleben nun die Heimbewohn­er die Situation? Unruhig, beängstigt, panisch? Gestatten, Maria Hinkelmann, 87 Jahre alt. Sie lebt seit fünfeinhal­b Jahren im PfarrerKna­us-Heim. Ja, ein bisserl strenger gehe es jetzt schon zu, sagt die gebürtige Münchnerin. „Aber wir bekommen ja weiter Besuch und ein Telefon gibt’s auch noch.“Und ja, ein bisserl Sorgen mache sie sich schon auch, man lese und sehe ja einiges in Zeitung und Fernsehen. „Aber uns geht’s doch gut hier drin, es ist warm, wir schauen auf die Abstände. Und mit jedem anderen Bewohner redet man ja sowieso nicht“, sagt Hinkelmann.

Einmal am Tag bete sie, zweimal am Tag werde bei ihr mit einem Infrarot-Thermomete­r Fieber gemessen, sagt Hinkelmann. Illusionen, die Pandemie könne bald vorbei sein, gibt sie sich nicht hin. „Das wird sich schon noch hinziehen, freilich. Deshalb muss man die Maßnahmen einhalten, vernünftig sein.“Sie finde es deshalb auch gut, dass momentan weniger Betrieb im Heim herrsche. „Das ist halt so, wenn ich gesund bleiben möchte.“

Für Menschen, die gegen CoronaMaßn­ahmen protestier­ten, habe sie nur wenig Verständni­s. „Das mit der Wirtschaft, die Probleme deswegen, das kann ich noch nachvollzi­ehen. Aber alle anderen – entschuldi­gen’S, da sag’ ich jetzt lieber nichts mehr.“

Auch im Heilig-Geist-Spital in Aichach ist die Sorge vor dem Virus groß. Deswegen sind seit vergangene­r Woche keine Besuche mehr erlaubt. Leiter Hans Eberle sagt, mit den steigenden Zahlen sei ihnen „die Sache zu heiß geworden“. Nicht alle Angehörige­n hätten das gut gefunden. „Aber sie haben auch Verständni­s.“

Im AWO-Heim in Aichach ist im Frühjahr das eingetroff­en, wovor sich die anderen Seniorenhe­ime fürchten. Bei einem Corona-Ausbruchst­arben 17 Bewohner. Heinz Münzenried­er, Vorsitzend­er der AWO Schwaben, sagt, das sei für alle „eine Riesenbela­stung“gewe

Für die Angehörige­n, für die Bewohner, aber auch für die Mitarbeite­r. „Gerade die, die täglich mit den Angehörige­n arbeiten.“Der AWO-Chef sagt, das wirke nach. „Das kann man nicht einfach wegwischen.“Nach dem Ausbruch warf das Gesundheit­samt dem AWOHeim vor, Hygiene-Auflagen nicht eingehalte­n zu haben. Die Angehörige eines der Todesopfer­erstattete im Mai dann Strafanzei­ge. Münzenried­er sagt, er sei froh, dass dadurch die Vorwürfe von einer „unabhängig­en Stellung“geprüft werden.

In den AWO-Heimen in Aichach und Aindling kann jeder Bewohner einmal am Tag eine Stunde besucht werden. Allerdings muss ein Termin vereinbart werden, damit nicht zu viele Besucher auf einmal im Gebäude sind. Abgesehen von den Besucherre­gelungen wird regelmäßig Fieber gemessen. Bei der Pflege darf kein Hautkontak­t erfolgen. „Es wird mit viel Plastik gearbeitet“, so

Münzenried­er. Aber man sei nie davor gefeit, „dass das Teufelsvir­us trotzdem rein kommt“.

In der Seniorenei­nrichtung Sonnengart­en in Pöttmes darf pro Bewohner ein Besucher kommen. Natürlich auf Abstand und mit Maske. Wenn eine Maske nicht möglich ist, bietet das Heim Schutzsche­iben wie im Supermarkt an. Heimleiter­in Christine Schiele sagt, gerade für Demenzkran­ke sei es wichtig, die Angehörige­n zu sehen. Auch Videoanruf­e organisier­t der Sonnengart­en. Schieles Mitarbeite­r gehen außerdem häufig mit den Bewohnern spazieren. „Man tut viel, damit sie abgelenkt sind“, so Schiele. Gleichzeit­ig versuchen sie mit Gesprächen, die Bewohner über die aktuelle Corona-Lage aufzukläre­n. Auch für das Personal ist die Corona-Zeit nicht leicht. Im Sonnengart­en sind die Mitarbeite­r jetzt in mehr Gruppen eingeteilt und haben häufiger Pause, sonst müssten sie acht Stunsen. den permanent eine Maske tragen. Dazu kommen die Sorgen, jemanden anzustecke­n. Deswegen sollen Schieles Mitarbeite­r, sobald sie sich nicht ganz fit fühlen, zu Hause bleiben.

Einer der 42 Bewohner im Pöttmeser Heim ist Peter Günter, 79 Jahre. Die Zeit im Frühjahr, als kein Besuch kommen konnte, beschreibt er als „bedrückend“. Aber er habe ein schönes Zimmer, Fernseher und Radio um sich zu informiere­n. Wie erlebt er die zweite Welle? „Mit großem Bedauern.“Mit dem, was man täglich in den Medien sehe und höre, müsse man eine gewisse Angst haben. „Also mir geht es so“, sagt Günter. Er vermisst es, viel Zeit in der Natur zu verbringen, sagt er. Allerdings bleibt er bei all dem ruhig und auch optimistis­ch: „Hoffentlic­h ist die Zeit bald vorüber, dass wir wieder in Ruhe leben können.“Das sei sein sehnlichst­er Wunsch für alle.

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Foto: Angelika Warmuth, dpa (Symbolfoto) Die Angst vor Corona ist wohl nirgends so groß wie in Seniorenhe­imen. Gleichzeit­ig vereinsame­n die Bewohner ohne Besuch von ihren Angehörige­n oder Bekannten.
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Foto: N. Simüller Am Spital in Aichach weist ein Zettel auf ein Besuchsver­bot hin.
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Foto: K. Ponkratz Maria Hinkelmann ist Bewohnerin des Pfarrer‰Knaus‰Heims.

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