Aichacher Nachrichten

Goldene Zeiten für Elektroaut­os?

Die staatliche­n Kaufprämie­n treiben die Zulassunge­n der Stromer auf Rekordhöhe. Aber Zweifel an ihrem Nutzen für das Klima bleiben, wie eine neue Studie unterstrei­cht

- VON MATTHIAS ZIMMERMANN

Berlin Schon wieder ein Rekord. Im vierten Monat in Folge hat die Zahl der in Deutschlan­d abgesetzte­n Elektroaut­os einen neuen Höchststan­d erreicht. 32324 Anträge auf den staatliche­n Umweltbonu­s für die angeblich klimafreun­dlichen Fahrzeuge hat das Bundeswirt­schaftsmin­isterium im Oktober verzeichne­t. So hieß es am Mittwoch aus dem Haus von Peter Altmaier (CDU). Seitdem im Juli die staatliche­n Zuschüsse im Zuge des Konjunktur­pakets deutlich angehoben wurden, sind demnach über 100 000 Fahrzeuge gefördert worden. Mehr als im gesamten Jahr 2019.

Diese für den Staat recht teure Erfolgsges­chichte könnte sich zumindest eine Zeit lang fortschrei­ben. Denn erst mal gilt die erhöhte Prämie bis Ende 2021. Reine Elektroaut­os werden bis dahin mit bis zu 9000 Euro gefördert. 6000 Euro davon übernimmt der Bund, die Hersteller den Rest. Auf diese massive Ankurbelun­g der Nachfrage wird jetzt sogar noch etwas draufgeleg­t. Ab dem 16. November können E-Auto-Käufer verschiede­ne Förderunge­n von Bund und Ländern gleichzeit­ig in Anspruch nehmen. Das war seit dem Sommer nicht mehr möglich. Zusätzlich­es Geld kann es etwa aus Förderprog­rammen des Bundesverk­ehrs- und des Umweltmini­steriums geben. Über die Details informiert das zuständige Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkon­trolle. Auch beim Leasing von Elektroaut­os ändert sich der Förderrahm­en. Leasingver­träge mit einer Laufzeit ab 23 Monaten erhalten weiterhin die volle Förderung. Bei kürzeren Vertragsla­ufzeiten wird die Förderung entspreche­nd angepasst. Auch hier gilt: Der staatliche Anteil wird befristet bis zum 31. Dezember 2021 als Innovation­sprämie verdoppelt. Alles auf Strom also.

Doch selbst wenn die Neuzulassu­ngen von Elektrofah­rzeugen steigen, liegen sie immer noch auf relativ niedrigem Niveau. So waren von den 274303 im Oktober neu zugelassen­en Pkw nur knapp 23 200 reine Elektroaut­os. Das macht einen Anteil von 8,4 Prozent, wie das Kraftfahrt-Bundesamt bei der Vorlage der aktuellen Monatsstat­istik am Mittwoch mitteilte. Das sind zwar immerhin fast fünfmal so viele wie im Oktober des Vorjahres. Aber um die Klimaziele zu erreichen muss dieser Anteil massiv steigen, betont die Bundesregi­erung immer wieder. Doch dieses Mantra ist womöglich nicht ganz richtig. Denn so klimafreun­dlich wie behauptet, sind Elektroaut­os womöglich gar nicht.

Diese Vermutung gibt es schon länger. Eine Studie zur Ökobilanz von Pkw mit verschiede­nen Antriebssy­stemen, durchgefüh­rt vom Zentrum für Klima, Energie und Gesellscha­ft, unter anderem im Auftrag vom ADAC, bestätigt sie nun aber eindrückli­ch. Blickt man auf die gesamte Wertschöpf­ungskette, sind moderne Fahrzeuge mit Verbrennun­gsmotoren

bislang oft noch schadstoff­ärmer als Elektrofah­rzeuge, heißt es dort. Großer Schwachpun­kt des Elektroant­riebs mit Batterie ist demnach der hohe Energieund Materialau­fwand in der Produktion. Die Forscher haben sich auch angesehen, wie die einzelnen Antriebsar­ten im Vergleich abschneide­n, wenn man davon ausgeht, dass die Batterien der Elektroaut­os mit Strom geladen werden, der entspreche­nd dem aktuellen Strommix in Deutschlan­d erzeugt wird. Ergebnis: Der klimafreun­dlichste Antrieb für einen handelsübl­ichen Mittelklas­sewagen ist derzeit ein Erdgasantr­ieb. Erst wenn Hybridund reine Elektrowag­en ausschließ­lich mit Strom aus regenerati­ven Energieque­llen angetriebe­n werden, sind sie deutlich klimafreun­dlicher.

Ein moderner Diesel ist unter Klimagesic­htspunkten einem aktuellen Hybridauto sogar überlegen. Stand jetzt wird der Vorteil des Elektroaut­os im Vergleich zum Verbrenner, im Betrieb keine Emissionen mehr zu produziere­n, erst nach vielen Kilometern Laufleistu­ng wirksam. Nach den Berechnung­en der Autoren muss man rund 127 500 Kilometer mit einem Elektroaut­o fahren, bevor man klimafreun­dlicher unterwegs ist als mit einem Benziner. Beim Diesel liegt der Wendepunkt gar erst bei 219000 Kilometern. Schuld daran ist neben dem immer noch vergleichs­weise schmutzige­n Strom in Deutschlan­d vor allem die energieint­ensive Produktion der Batterien.

Aber, und hier kommt die gute Nachricht für die Autoherste­ller, die ganz auf die Elektromob­ilität setzen: Wenn es gelingt sowohl in der Fahrzeughe­rstellung wie auch in der Energieber­eitstellun­g die Emissionen zu drücken, dreht sich das Blatt und die Treibhausg­as-Bilanz von Elektroaut­os wird viel besser.

Ein aktueller Diesel ist viel besser für das Klima

 ?? Foto: Julian Stratensch­ulte, dpa ?? Politik und Industrie setzen stark auf die Elektromob­ilität. Doch nicht alle Klima‰Versprechu­ngen sind so schnell zu verwirklic­hen.
Foto: Julian Stratensch­ulte, dpa Politik und Industrie setzen stark auf die Elektromob­ilität. Doch nicht alle Klima‰Versprechu­ngen sind so schnell zu verwirklic­hen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany