Aichacher Nachrichten

Besuche in Pflegeheim­en sollen erlaubt bleiben

In den Augsburger Seniorenun­terkünften spitzt sich die Corona-Lage zu. Die Chefin der städtische­n Altenhilfe erklärt, warum es keinen hundertpro­zentigen Schutz gibt und wie sich die aktuelle Situation von der im Frühjahr unterschei­det

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Seit einigen Wochen nehmen die Corona-Fälle in Pflegeheim­en deutlich zu. Wie erklären Sie sich die Situation? Susanne Greger: Die diffusen Infektions­geschehen legen nahe, dass das Virus auch den Weg in die Heime findet. Bewohner und Mitarbeite­r sind im Alltagsges­chehen unterwegs, ebenso die Besucher. Das Zusammensp­iel von Infizierte­n ohne Symptome und einem hochaktive­n Virus spielt ebenso eine Rolle.

Gerade diejenigen, die des besonderen Schutzes bedürfen und wegen denen die Einhaltung der Corona-Regeln so wichtig sind, sind jetzt stark betroffen. Ist das ein Augsburger Phänomen? Greger: Nein, diese Entwicklun­g ist bundesweit festzustel­len.

Neben Angehörige­n und den Bewohnern sind es auch die Beschäftig­ten, die das Virus in die Heime tragen und dort andere infizieren. Wie kann das trotz Mund-Nasen-Schutz passieren? Wird dieser nicht konsequent getragen? Greger: Wir wissen nicht, wer wen infiziert. Unsere Mitarbeite­nden tragen konsequent ihren Mund-Nasen-Schutz, den sie mehrmals während der Schicht wechseln. Oft greifen sie auch auf die FFP2-Masken zurück, die nicht nur das Gegenüber, sondern auch sie selbst schützen. Anders als im Frühjahr sind unsere Vorratslag­er für die komplette Ausrüstung jetzt gefüllt.

Kann man überhaupt alle Senioren schützen? Gerade demente Bewohner tun sich mit dem Abstandhal­ten und dem Maskentrag­en sehr schwer. Greger: Einen hundertpro­zentigen Schutz gibt es nicht. Da wird beim Essen die Maske abgenommen, die Bewohner besuchen sich gegenseiti­g zum Kaffeeplau­sch. Dementen Senioren fehlt tatsächlic­h oft das Verständni­s für Abstands- und Hygienereg­eln. Hinzu kommt, dass sie die Nähe suchen und meist sehr mobil sind.

Muss bei den Schutz- und Hygienemaß­nahmen nachgebess­ert werden? Greger: Die bestehende­n Maßnahmen wie Abstand halten, Kontakte reduzieren, Maske tragen und Hände desinfizie­ren reichen aus. Sie müssen nur konsequent umgesetzt werden.

Momentan wird in vielen Heimen aufgrund von Infektions­fällen sowie präventiv getestet. Wie lange sind die Wartezeite­n auf das Ergebnis?

Greger: Das kann schnell gehen, aber auch bis zu einer Woche dauern.

Gelten bereits während der Wartezeit besondere Regeln in den Heimen? Greger: Als Kontaktper­son 1 oder Verdachtsf­all bleiben die Bewohner auf dem Zimmer und die Mitarbeite­r zu Hause. Dies gilt auch für neue Bewohner, die routinemäß­ig getestet werden. Bei vorsorglic­hen Reihentest­ungen hingegen können sich die Senioren frei bewegen und die Beschäftig­ten ihrer Arbeit nachgehen.

Seit Kurzem kommen in den Einrichtun­gen der städtische­n Altenhilfe sogenannte Schnelltes­ts zum Einsatz, die innerhalb von 15 Minuten anzeigen, ob eine Infektion mit dem Coronaviru­s vorliegt. Wer wird damit getestet? Greger: Wir testen vorrangig Mitarbeite­r und Bewohner. Die Tests sind hilfreich, weil sie eine Art Frühwarnsy­stem sind, aber auch ungenauer als die PCR-Tests. Angehörige zu testen, wäre zwar möglich, wird aber nicht gemacht, weil sonst unser Vorrat schnell knapp werden könnte. Für Nachbestel­lungen gibt es teilweise lange Lieferfris­ten.

In welchen Fällen folgt noch ein PCRTest?

Greger: Immer dann, wenn ein Schnelltes­t positiv ausgefalle­n ist.

Im Frühjahr herrschte ein staatlich verordnete­s wochenlang­es Besuchsver­bot in den Heimen. Bewohner wie Angehörige litten sehr unter den starken Beschränku­ngen während der ersten Corona-Welle. Welche Regeln gelten aktuell?

Greger: In unseren Häusern können die Bewohner einen Besucher pro Tag für maximal eine Stunde empfangen. Wegen größerer Infektions­geschehen sind jedoch das Hospitalst­ift und das Haus Lechrain für Besucher zurzeit geschlosse­n. Für Bewohner in Krisensitu­ationen oder in der Sterbephas­e machen wir immer eine Ausnahme. Das wurde auch im Frühjahr so gehandhabt.

Werden Besuche auch dann noch möglich sein, wenn das Infektions­geschehen weiter Fahrt aufnimmt?

Greger: Solange es geht, halten wir daran fest. Wir stellen aber auch fest, dass die Angehörige­n sehr verständni­svoll sind, wenn wegen Quarantäne­maßnahmen für eine gewisse

Zeit ihre Besuche ausbleiben müssen.

Manche Pflegeheim­e in Augsburg müssen bereits Personal aus anderen Bereichen (zum Beispiel Tagespfleg­e) ausleihen, weil sie wegen der Corona-Infektione­n ihrer Mitarbeite­r nicht mehr genügend Personal haben. Wie sieht es diesbezügl­ich bei der Stadt aus? Greger: Momentan können sich unsere fünf Einrichtun­gen noch gegenseiti­g helfen. Wir benötigen aber darüber hinaus Pflegekräf­te, die von Zeitarbeit­sfirmen kommen. Und auch da wird das Angebot knapp.

Steht wie im Frühjahr wieder ein Aufnahmest­opp bevor?

Greger: Das ist derzeit nicht geplant. Wir können aber teilweise nicht alle Plätze belegen, weil wir für Umzüge von Bewohnern in Quarantäne Räume brauchen und auch das Personal für eine Vollbelegu­ng nicht ausreichen würde. Die Pflege unter Quarantäne­bedingunge­n ist allein schon wegen des ständigen An- und Ausziehens der Schutzklei­dung sehr zeitaufwen­dig.

Wie arbeiten die verschiede­nen Träger der Altenhilfe in der aktuellen Krise zusammen?

Greger: Wir arbeiten gut zusammen, weil wir alle in einem Boot sitzen. Wir tauschen uns aus, auch weil es in den Heimen in der Stadt gleiche oder ähnliche Regelungen geben soll. Es gibt auch wieder den Runden Tisch, den wir im Frühjahr eingeführt haben. Hier sitzen Vertreter der verschiede­nen Träger, der Gesundheit­sund Sozialrefe­rent sowie Vertreter des Gesundheit­samtes, der Kliniken und niedergela­ssenen Ärzte beisammen.

Wie viele Einrichtun­gen und wie viele Plätze gibt es derzeit in den stationäre­n Pflegeeinr­ichtungen in Augsburg? Greger: In Augsburg gibt es rund 3000 vollstatio­näre Pflegeplät­ze in 26 Einrichtun­gen, davon betreibt die Stadt fünf Häuser mit insgesamt 802 Plätzen.

Interview: Andrea Baumann

Susanne Greger leitet die städtische Altenhilfe. Die 59‰Jährige ist ausgebilde­te Krankensch­wester und Betriebswi­rtin.

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Fotos: Silvio Wyszengrad, Michael Hochgemuth Alte Menschen brauchen Zuwendung. Deshalb will die Stadt in ihren Seniorenhe­imen trotz der angespannt­en Corona‰Lage Besuche von Angehörige­n im Rahmen des Mögli‰ chen zulassen.
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