Uniklinik räumt Betten für CoronaPatienten frei
Die Zahl der Covid-19-Patienten am Universitätsklinikum ist weiter gestiegen, auch OPs werden deshalb verschoben. Das Gesundheitsamt vermutet in Augsburg eine hohe Dunkelziffer bei den Infektionen
Es war ein Satz, der in der vorigen Woche für Aufsehen gesorgt hat. Professor Helmut Messmann, der Pandemie-Beauftragte des Augsburger Universitätsklinikums, sagte angesichts der steigenden CoronaZahlen in der Region: „Die Lage am Universitätsklinikum ist in der Tat besorgniserregend. Es wäre untertrieben zu sagen, sie ist ernst.“Zu diesem Zeitpunkt waren an dem Großkrankenhaus 107 Patienten mit einer Corona-Infektion, davon 25 auf der Intensivstation. Sechs Tage später sind die Zahlen noch einmal gestiegen. Das Klinikum schließt deshalb weitere Normalstation und verschiebt Operationen, die nicht sein müssen.
Stand Mittwochvormittag seien an der Uniklinik 126 Covid-19-Patienten behandelt worden. 35 Patienten lagen auf der Intensivstation, zwölf mussten invasiv beatmet werden, sagt Sprecher Markus Unfried. In einem Interview mit unserer Redaktion hatte Professor Michael Beyer gewarnt, ab einer Zahl von 30 Corona-Infizierten auf der Intensivstation werde es eng. Um die Betroffenen trotzdem behandeln zu können, werde der Ablauf im Klinikum noch weiter „reorganisiert“, um über die Planung hinaus weitere Kapazitäten für die Versorgung von Corona-Patienten aufzubauen, so der Klinik-Sprecher. Operationen
dann verschoben, wenn es medizinisch vertretbar sei. So könnten sich zusätzliche Ärzte und Pflegekräfte um die Corona-Patienten kümmern.
Der Aufwand bei der Behandlung von Corona-Infizierten ist groß – die Mitarbeiter der Uniklinik müssen eine komplette Schutzausrüstung tragen. Aktuell könne man 42 Intensivbetten für Corona-Patienten zur Verfügung stellen, heißt es auf Anfrage. Damit waren am Mittwoch sieben Intensivbetten frei. Weil das Uniklinikum an seine Grenzen gerät, werden auch Corona-Patienten an anderen Krankenhäuser verlegt.
Unter anderem haben sich die Universitätskliniken in Ulm und Würzburg bereit erklärt, Patienten aus dem Augsburger Haus aufzunehmen. Markus Unfried sagt: „Aber auch in Krankenhäuser der Region – sofern sie noch nicht selbst von einer Zunahme an Corona-Pawürden tienten betroffen sind – können wir Patienten verlegen“. Die Solidarität unter den Kliniken, Ärzten und Pflegekräften sei sehr groß. „Gleichzeitig sehen wir, dass die Kapazitäten auch in den anderen Krankenhäusern zunehmend durch lebensbedrohlich erkrankte Patienten in Anspruch genommen werden“, so der Sprecher. Um die Verteilung der Patienten zwischen den Krankenhäusern in Nordschwaben kümmert sich nun auch Prof. Axel Heller. Der Uniklinik-Mediziner ist nun Krankenhauskoordinator für Stadt und Landkreis Augsburg sowie für die Kreise Aichach-Friedberg, Dillingen und Donau-Ries.
Am Mittwoch wurden in Augsburg 101 neue Fälle gemeldet, der Sieben-Tage-Wert stieg weiter leicht an auf 350 Infektionen innerhalb einer Woche pro 100.00 Einwohner – am Vortag lag die Inzidenz bei 346,3. Das Augsburger Gesundheitsamt geht von einer hohen Dunkelziffer bei den Corona-Infektionen aus. „Derzeit sind über 80 Prozent der in Augsburg bestätigten Covid-19-Fälle nicht auf bekannte Fälle zurückzuführen. Die Infizierten wissen meist nicht, wo sie sich angesteckt haben“, sagt Dr. Thomas Wibmer, der stellvertretende Leiter des Gesundheitsamtes. Das Infektionsgeschehen sei „sehr diffus“. Im Rahmen der Kontaktnachverfolgung könne das Gesundheitsamt nur bekannte Infektionsketten unternoch brechen. Viele Infizierte wissen nach Einschätzung des Gesundheitsamtes derzeit jedoch nichts über ihre Infektion – entweder, weil sie kaum oder nur leichte Symptome haben, oder, weil sie sich nicht testen lassen.
Thomas Wibmer schätzt, dass in Augsburg derzeit höchstens jede vierte bis achte Covid-19-Infektion tatsächlich erkannt wird. Bei rund 1000 Neuinfektionen im Stadtgebiet in den vergangenen sieben Tagen bedeute das, dass derzeit eigentlich mindestens 4.000 bis 8.000 Augsburgerinnen und Augsburger das Coronavirus in sich tragen. „Rein rechnerisch ist also aktuell mindestens jede 50. bis 100. Person aus Augsburg infiziert – oft auch unbemerkt“, sagt Wibmer. „Damit ist derzeit das Ansteckungsrisiko in Augsburg hoch.“Oberbürgermeisterin Eva Weber (CSU) richtet deshalb in einer Mitteilung erneut einen Appell an die Bürger: „Wenn wir unsere Kontakte auf das absolut nötige Minimum reduzieren, ist das Risiko, dass wir uns anstecken, geringer. Bitte machen Sie weiter mit. Nur, wenn wir alle gemeinsam Verantwortung übernehmen, können wir die Infektionszahlen senken.“ (z. B. Soldaten und Computersoftware im Gesundheitsamt). Hier wird viel Vertrauen verspielt. Wolfgang Strohmeier und Sandra Strohmeier Woppowa, Augsburg