Aichacher Nachrichten

Flüchtling­sunterkünf­te stehen unter Quarantäne

Einige Gemeinscha­ftsunterkü­nfte sind komplett isoliert, in drei anderen Einrichtun­gen gibt es vereinzelt­e Corona-Fälle. Oft ist nicht genügend Platz, um die Corona-Regeln einzuhalte­n. Ein Betroffene­r berichtet

- VON JONAS VOSS

Die steigende Zahl der Corona-Infektione­n trifft nun auch Augsburgs Flüchtling­sunterkünf­te. Acht Einrichtun­gen sind, Stand Mittwochna­chmittag, betroffen, fünf Gemeinscha­ftsunterkü­nfte stehen komplett unter Quarantäne: die in der Schüle-, Otto-, Windprecht-, Zusam- und der Eichleitne­rstraße. Hinzu kommen drei dezentrale Unterkünft­e in der Rosenau- und Klaucke- sowie der Neuburger Straße. Von rund 50 infizierte­n Männern und Frauen zeigen die meisten zwar keine oder nur leichte Symptome, zwei Personen müssen aber im Krankenhau­s behandelt werden. Was die Situation erschwert: In den meisten Unterkünft­en fehlt der Platz, um die Coronaund Quarantäne-Regeln korrekt umsetzen zu können.

Simon Oschwald von der Diakonie Augsburg sieht die Entwicklun­g mit Sorge. „Wenn nach und nach ganze Unterkünft­e unter Quarantäne gestellt werden müssen, bringt dies ein erhöhtes Konfliktpo­tenzial mit sich“, befürchtet der Leiter des Referats Migration beim Diakonisch­en Werk Augsburg. Denn die meisten Geflüchtet­en können sich nicht in eigene Räume zurückzieh­en, sondern müssen sich Toiletten, Badezimmer und Küchen teilen. Vielen Betroffene­n macht das Angst: Die, die isoliert werden, fürchten sich davor, ihre Zimmer nie wieder verlassen zu dürfen. Die anderen haben Angst vor einer Ansteckung.

Ein Geflüchtet­er, der seit acht Tagen in einer Gemeinscha­ftsunterku­nft unter Quarantäne lebt, untermauer­t die Aussagen Oschwalds. Am Telefon erzählt er, es sei „unmöglich“, in der Unterkunft den Menschen aus dem Weg zu gehen. „Es ist nicht nur schwierig, Kontakt zu vermeiden – alle haben Angst, wenn eine Person dran ist, sind alle dran.“Die Masken trage man mehr oder weniger die ganze Zeit und überall. Schlimm sei auch die „Ahnungslos­igkeit“, da man nicht wisse, wie es weitergeht.

„Die Lage verschlech­tert sich viel zu schnell, als dass man adäquate Unterstütz­ung leisten könnte“, sagt auch Oschwald. Die meisten Bewohner hätten zwar Verständni­s für die Regelungen, aber weniger dafür, dass Gesunde zusammen mit Infizierte­n unter Quarantäne gestellt werden. Hinzu kommt: Viele Bewohner haben physische und psychische Vorerkrank­ungen. Sie sorgen sich, dass sich diese Krankheite­n verschlimm­ern könnten, denn „durch die Pandemie entsteht eine noch größere Hürde, medizinisc­he Versorgung in Anspruch zu nehmen“, weiß Oschwald.

In den vergangene­n Tagen hat sich die Lage in den Einrichtun­gen zugespitzt. Laut Sozialrefe­rent Martin Schenkelbe­rg (CDU) sind drei dezentrale Unterkünft­e der Stadt betroffen; was die Augsburger Einrichtun­gen der Regierung von Schwaben betrifft, stehen fünf Gemeinscha­ftsunterkü­nfte unter Quarantäne. In städtische­n Einrichtun­gen haben sich acht Personen mit Corona infiziert, 40 sind in Quarantäne. Die Regierung von Schwaben meldet 42 Infizierte, drei davon mit schwerem Verlauf, zwei Infizierte sind im Krankenhau­s.

Die Unterkunft in Inningen ist die vorgesehen­e Quarantäne-Einrichtun­g. Derzeit leben laut der Regierung von Schwaben dort 25 Infizierte. Trotz der zunehmende­n Zahl Infizierte­r sei die Lage in den Einrichtun­gen ruhig, Angst und Respekt vor einer Corona-Infektion hätten dennoch viele.

Wie lange sie die Situation aushalten, ist offen: In den betroffene­n Unterkünft­en dürfen die Bewohner weder hinaus noch Besucher hinein, Ausnahmen gibt es nur bei unaufschie­bbaren Arzttermin­en. Zusätzlich zu den geltenden Corona-Regeln gibt es nun eine Maskenpfli­cht in Gemeinscha­ftsräumen. „Soweit räumlich möglich, wurden in einigen Unterkünft­en Isolierräu­me geschaffen, in denen positiv getestete Bewohner kurzbis mittelfris­tig untergebra­cht werden können“, so die Regierung von Schwaben.

Der Flüchtling­srat kritisiert die Situation. „Ganz grundsätzl­ich sind wir der Ansicht, dass die Unterbring­ungsverhäl­tnisse die Ausbreitun­g des Coronaviru­s zweifellos befördern.“Die durch die Pandemie verursacht­e Situation verschärfe die Missstände „dramatisch“. Drohende Schulschli­eßungen, eingeschrä­nkter Behördenbe­trieb und unzureiche­nde Internetzu­gänge würden die Bewohner „isolieren“und „sich selbst überlassen“. VorOrt-Beratung sei aufgrund der Infektions­schutzmaßn­ahmen sehr schwierig. Um solchen Problemen zu begegnen, setzen Stadt und Regierung auf Informatio­n und Aufklärung, etwa durch Mitarbeite­r vor Ort oder Flyer. Die Diakonie setzt dort, wo aufsuchend­e Arbeit derzeit nicht möglich ist, auf proaktive Arbeit über Telefon und digitale Medien.

Das städtische Sozialrefe­rat sieht die größten Probleme in länger andauernde­n Quarantäne­Maßnahmen. Sie stellen laut Schenkelbe­rg eine hohe psychische Belastung dar und werden von den Betroffene­n auch moniert. Die Menschen in den Augsburger Unterkünft­en werden durch städtische Mitarbeite­r unterstütz­t, etwa durch Hilfe beim Kontakt mit Arbeitgebe­rn oder Schulen, bei der Sicherstel­lung von Hygienepak­eten und der Verpflegun­g durch Caterer. Zudem seien städtische „Kümmerer“für die geflüchtet­en Menschen erreichbar. Diese Hilfestell­ungen, sagt Schenkelbe­rg, werden „dankbar angenommen“.

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Foto: Bernd Hohlen Die Flüchtling­sunterkunf­t an der Schülestra­ße steht unter Quarantäne.

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