Flüchtlingsunterkünfte stehen unter Quarantäne
Einige Gemeinschaftsunterkünfte sind komplett isoliert, in drei anderen Einrichtungen gibt es vereinzelte Corona-Fälle. Oft ist nicht genügend Platz, um die Corona-Regeln einzuhalten. Ein Betroffener berichtet
Die steigende Zahl der Corona-Infektionen trifft nun auch Augsburgs Flüchtlingsunterkünfte. Acht Einrichtungen sind, Stand Mittwochnachmittag, betroffen, fünf Gemeinschaftsunterkünfte stehen komplett unter Quarantäne: die in der Schüle-, Otto-, Windprecht-, Zusam- und der Eichleitnerstraße. Hinzu kommen drei dezentrale Unterkünfte in der Rosenau- und Klaucke- sowie der Neuburger Straße. Von rund 50 infizierten Männern und Frauen zeigen die meisten zwar keine oder nur leichte Symptome, zwei Personen müssen aber im Krankenhaus behandelt werden. Was die Situation erschwert: In den meisten Unterkünften fehlt der Platz, um die Coronaund Quarantäne-Regeln korrekt umsetzen zu können.
Simon Oschwald von der Diakonie Augsburg sieht die Entwicklung mit Sorge. „Wenn nach und nach ganze Unterkünfte unter Quarantäne gestellt werden müssen, bringt dies ein erhöhtes Konfliktpotenzial mit sich“, befürchtet der Leiter des Referats Migration beim Diakonischen Werk Augsburg. Denn die meisten Geflüchteten können sich nicht in eigene Räume zurückziehen, sondern müssen sich Toiletten, Badezimmer und Küchen teilen. Vielen Betroffenen macht das Angst: Die, die isoliert werden, fürchten sich davor, ihre Zimmer nie wieder verlassen zu dürfen. Die anderen haben Angst vor einer Ansteckung.
Ein Geflüchteter, der seit acht Tagen in einer Gemeinschaftsunterkunft unter Quarantäne lebt, untermauert die Aussagen Oschwalds. Am Telefon erzählt er, es sei „unmöglich“, in der Unterkunft den Menschen aus dem Weg zu gehen. „Es ist nicht nur schwierig, Kontakt zu vermeiden – alle haben Angst, wenn eine Person dran ist, sind alle dran.“Die Masken trage man mehr oder weniger die ganze Zeit und überall. Schlimm sei auch die „Ahnungslosigkeit“, da man nicht wisse, wie es weitergeht.
„Die Lage verschlechtert sich viel zu schnell, als dass man adäquate Unterstützung leisten könnte“, sagt auch Oschwald. Die meisten Bewohner hätten zwar Verständnis für die Regelungen, aber weniger dafür, dass Gesunde zusammen mit Infizierten unter Quarantäne gestellt werden. Hinzu kommt: Viele Bewohner haben physische und psychische Vorerkrankungen. Sie sorgen sich, dass sich diese Krankheiten verschlimmern könnten, denn „durch die Pandemie entsteht eine noch größere Hürde, medizinische Versorgung in Anspruch zu nehmen“, weiß Oschwald.
In den vergangenen Tagen hat sich die Lage in den Einrichtungen zugespitzt. Laut Sozialreferent Martin Schenkelberg (CDU) sind drei dezentrale Unterkünfte der Stadt betroffen; was die Augsburger Einrichtungen der Regierung von Schwaben betrifft, stehen fünf Gemeinschaftsunterkünfte unter Quarantäne. In städtischen Einrichtungen haben sich acht Personen mit Corona infiziert, 40 sind in Quarantäne. Die Regierung von Schwaben meldet 42 Infizierte, drei davon mit schwerem Verlauf, zwei Infizierte sind im Krankenhaus.
Die Unterkunft in Inningen ist die vorgesehene Quarantäne-Einrichtung. Derzeit leben laut der Regierung von Schwaben dort 25 Infizierte. Trotz der zunehmenden Zahl Infizierter sei die Lage in den Einrichtungen ruhig, Angst und Respekt vor einer Corona-Infektion hätten dennoch viele.
Wie lange sie die Situation aushalten, ist offen: In den betroffenen Unterkünften dürfen die Bewohner weder hinaus noch Besucher hinein, Ausnahmen gibt es nur bei unaufschiebbaren Arztterminen. Zusätzlich zu den geltenden Corona-Regeln gibt es nun eine Maskenpflicht in Gemeinschaftsräumen. „Soweit räumlich möglich, wurden in einigen Unterkünften Isolierräume geschaffen, in denen positiv getestete Bewohner kurzbis mittelfristig untergebracht werden können“, so die Regierung von Schwaben.
Der Flüchtlingsrat kritisiert die Situation. „Ganz grundsätzlich sind wir der Ansicht, dass die Unterbringungsverhältnisse die Ausbreitung des Coronavirus zweifellos befördern.“Die durch die Pandemie verursachte Situation verschärfe die Missstände „dramatisch“. Drohende Schulschließungen, eingeschränkter Behördenbetrieb und unzureichende Internetzugänge würden die Bewohner „isolieren“und „sich selbst überlassen“. VorOrt-Beratung sei aufgrund der Infektionsschutzmaßnahmen sehr schwierig. Um solchen Problemen zu begegnen, setzen Stadt und Regierung auf Information und Aufklärung, etwa durch Mitarbeiter vor Ort oder Flyer. Die Diakonie setzt dort, wo aufsuchende Arbeit derzeit nicht möglich ist, auf proaktive Arbeit über Telefon und digitale Medien.
Das städtische Sozialreferat sieht die größten Probleme in länger andauernden QuarantäneMaßnahmen. Sie stellen laut Schenkelberg eine hohe psychische Belastung dar und werden von den Betroffenen auch moniert. Die Menschen in den Augsburger Unterkünften werden durch städtische Mitarbeiter unterstützt, etwa durch Hilfe beim Kontakt mit Arbeitgebern oder Schulen, bei der Sicherstellung von Hygienepaketen und der Verpflegung durch Caterer. Zudem seien städtische „Kümmerer“für die geflüchteten Menschen erreichbar. Diese Hilfestellungen, sagt Schenkelberg, werden „dankbar angenommen“.