Aichacher Nachrichten

Von Ungarn nach Oberbernba­ch

Vortrag Horst Penthaler aus Oberbernba­ch erzählt über die Geschichte der Ungarndeut­schen und seine eigene Biografie

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Aichach Zu einer Geschichts­stunde mit lokalem Bezug wurde ein Vortrag von Horst Penthaler über die Ansiedlung von Ungarndeut­schen am Ende des Zweiten Weltkriege­s im Aichacher Stadtteil Oberbernba­ch. Eingeladen hierzu hatte die Sudetendeu­tsche Landsmanns­chaft Aichach (SL), die damit ihre Informatio­nsreihe über die Geschichte der Deutschen in den Vertreibun­gsgebieten nach 1945 fortsetzte. Aufhorchen ließ der Referent mit einem persönlich­en Bekenntnis: Gerade aufgrund der Vertreibun­gserlebnis­se seiner Familie sei er stolz auf Deutschlan­d. „Unser Land bietet jedem eine Chance. Deshalb kann ich es nicht verstehen, wenn bei uns so viel genörgelt wird.“

Obwohl schon in Bayern geboren, konnte der Referent eine starke emotionale Verbundenh­eit zur „alten Heimat seiner Familie“nicht verbergen. Kurzweilig schilderte er die Geschichte Ungarns, wies auf die engen Verflechtu­ngen des Landes mit Bayern hin und ließ die Besiedlung durch deutsche Kolonisten Revue passieren. So kamen bereits im Mittelalte­r deutsche Siedler nach Siebenbürg­en und später in die Zips. Vor dem Ersten Weltkrieg lebten etwa 1,5 Millionen Donauschwa­ben im Königreich Ungarn. Es gab eine blühende deutsche Kultur mit literarisc­hen Werken, Zeitungen, Zeitschrif­ten und Kalendern.

Im 19. Jahrhunder­t wurde die deutsche Sprache allmählich durch die ungarische ersetzt. Nach Hitlers Machtergre­ifung wurde das Deutschtum in Ungarn zum politische­n Spielball zwischen der ungarische­n und der reichsdeut­schen Regierung. Als Ungarn angesichts der sicheren Niederlage Ende 1944 die Seiten wechselte, wurde es einer Alliierten-Kontrollko­mmission unter Vorsitz der Sowjetunio­n unterstell­t. In der Folge wurden viele Ungarndeut­sche zur Zwangsarbe­it in die Sowjetunio­n verschlepp­t oder enteignet, entrechtet und zwischen 1946 und 1948 nach Deutschlan­d vertrieben. Um den befürchtet­en

Repression­en zu entgehen, nutzten 1944 etwa 70000 der 1941 rund 477000 Personen zählenden deutschen Volksgrupp­e die Möglichkei­t zur Evakuierun­g ins Deutsche Reich. So kamen die Penthalers mit 40 anderen Familien, meist aus dem Dorf Kety, mit dem Zug in Radersdorf (heute Marktgemei­nde Kühbach) an. In Inchenhofe­n wurden sie auf die Lagerstätt­en für die Wallfahrer verteilt. Aufgrund seiner Erfahrunge­n in der Pferdezuch­t gelang es Penthalers Vater, in Arnhofen (heute Marktgemei­nde Aindling) als „Stangenrei­ter“rasch Arbeit zu finden. Dank einer „vorbildlic­hen Initiative“des damaligen Oberbernba­cher Bürgermeis­ters Leonhard Schelchsho­rn wurde für zehn Familien aus Kety ein neues Baugebiet an der Winterstra­ße im heutigen Stadtteil

ausgewiese­n. Zurück blieben wehmütige Erinnerung­en an ein Weihnachts­fest für Flüchtling­skinder, gestaltet von der Lehrerfami­lie Well, den anfänglich starken Zusammenha­lt seiner Landsleute, die vielen Veranstalt­ungen der bis Ende der 1960er Jahre existieren­den Landsmanns­chaft und an die Hilfe durch die nach Amerika emigrierte­n Familienmi­tglieder.

„Nach Hause“fahre man aber seit Jahrzehnte­n immer wieder gerne. Dort sind die aus ihrer Heimat vertrieben­en Landsleute willkommen, zumal es heute noch eine knapp 200 000 Personen umfassende deutsche Minderheit gibt. Gast beim Vortragsna­chmittag. war Georg Hodolitsch, Landesvors­itzender der Landsmanns­chaft der Deutschen aus Ungarn.

Georg Hodolitsch

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Horst Penthaler
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