Lockdown bringt Taxifahrer in Existenznot
Arbeit Das Taxigewerbe ist darauf angewiesen, dass Menschen zum Einkaufen, zum Essen oder zum Arzt fahren. Die Corona-Beschränkungen haben das Geschäft fast zum Erliegen gebracht. Das treibt Fahrer in die Sozialhilfe
Der zweite Lockdown betrifft das Taxigewerbe zwar nur mittelbar – aber das mit voller Wucht. Wenn niemand mehr Lust hat, einkaufen zu gehen, Gastwirtschaften und Klubs geschossen sind und selbst Arztbesuche verschoben werden, bedeute das für die Augsburger Taxifahrer – obwohl sie fahren dürfen – Umsatzeinbußen von 70 Prozent und mehr, sagt der Vorsitzende der Augsburger Taxigenossenschaft, Ferdi Akcaglar. Vielen Taxifahrern stehe das Wasser deshalb bis zum Hals.
Ilhan Dürüst ist Taxifahrer aus Überzeugung. Während seiner Ausbildung zum staatlich anerkannten Fremdsprachenkorrespondenten setzte sich der Augsburger zum ersten Mal hinters Steuer eines Taxis – und ist bei dem Beruf geblieben. Nach über 20 Jahren hat der 42-Jährige sein eigenes Taxi und eine eigene Konzession – und geht, wie er sagt, einer Arbeit nach, die er liebt. Weshalb er sich auch von den Schwierigkeiten, welche die Pandemie gerade mit sich bringt, nicht unterkriegen lassen möchte. „Ich bin Unternehmer mit Leib und Seele und werde die Flinte so schnell nicht ins Korn werfen“, sagt er.
Doch viel Freude mache ihm die Arbeit gerade nicht. Ein Taxi muss fahren, um Geld zu verdienen. In „normalen“Zeiten war sein Fahrzeug immer auf Achse, wenn Dürüst nicht selber fahren konnte, dann waren zwei Aushilfsfahrer für ihn unterwegs. „Am Wochenende ist das Fahrzeug normalerweise praktisch 24 Stunden im Einsatz“, berichtet der Unternehmer. Aber jetzt ist nichts mehr normal. Seine Aushilfsfahrer musste er entlassen, schließlich erwirtschaftet das Taxi gerade nicht mal den Mindestlohn.
Der Arbeitstag von Ilhan Dürüst hat derzeit oft zwölf Stunden – die vor allem mit Warten gefüllt sind. „Das Finanzielle ist das eine – aber wenn man Stunde um Stunde wartet, und kein Fahrgast zusteigt, geht das auch auf die Psyche“, berichtet der Fahrer. Und wenn dann, beispielsweise, nach zwei Stunden an seinem Standplatz am Kaufland in Oberhausen eine Rentnerin zusteigt, die sich ihre Einkäufe drei Straßen weiter nach Hause fahren lässt – dann hat er in dieser Zeit sechs Euro verdient. „Wartezeit, eine Tasse Kaffee beim Warten und die Fahrzeugkosten – da bleibt dann halt nichts übrig“, rechnet er vor.
Immerhin geht gerade ein wenig Geschäft, sagt Dürüst – während des ersten Lockdowns im April haben viele Unternehmer ihre Fahrzeuge stillgelegt, um die hohe Versicherung zu sparen. „Abmelden ging zumeist nicht, weil ja auch die Ämter zu waren – aber bei einigen Versicherungen konnte man den Vertrag zumindest ruhen lassen“, sagt der Taxifahrer. Jetzt hat er in einer Tagesschicht fünf bis sechs Fahrten – zu normalen Zeiten ist das Fahrzeug auf 15 Touren unterwegs.
Die Taxigenossenschaft bestätigt die Zahlen des Unternehmers. „Die Leute halten sich zurück und gehen kaum noch in die Stadt – das sehen wir an den Auftragszahlen“, sagt Ferdi Akcaglar. Ein bis zwei Stunden ist ein Taxi momentan am Tag auf der Straße, die übrige Zeit steht es. In Augsburg lagen die durchschnittlichen Kosten für eine Taxifahrt zuletzt bei 12,50 Euro – man könne sich ausrechnen, welchen Stundenlohn die Fahrer bei sechs Fahrten am Tag erwirtschaften, so Akcaglar.
Die Wochenenden und Nächte, traditionell die beste Zeit fürs Taxigewerbe, fallen fürs Geschäft total aus. Keine Klubs, keine Diskotheken, keine Restaurants, in denen Alkohol konsumiert wird. „Nachts kann man nicht mehr vom Lockdown light sprechen – nachts ist das Geschäft tot“, weiß der Genossenschaftschef. Und auch Weihnachtsfeiern und feuchtfröhliche Silvesterfeiern werden in diesem Jahr wohl ausfallen. Im Dezember werde sich die Branche in diesem Jahr voraussichtlich nicht wieder erholen können.
209 Taxis gibt es in Augsburg – bislang hätte seines Wissens noch kein Unternehmer aufgegeben, sagt der Vorsitzende der Taxigenossenschaft. Allerdings werde es immer schwerer, Fahrer zu finden, die sich diesen Job antun wollen. „Das Fahrpersonal wird konstant weniger – jetzt mit Corona kommt ja noch ein höheres Risiko für die Fahrer dazu.“Erst vor Kurzem sei ein Corona-Patient aus dem Uniklinikum ausgebüxt – und ließ sich mit dem Taxi nach Hause fahren. „Viele Fahrer fühlen sich mit diesem Risiko nicht wohl“, weiß Akcaglar.
Während der ersten Welle gab es für die Taxifahrer Soforthilfen – die allerdings nur für die Betriebskosten der Taxis verwendet werden durften. „Die Unterstützung war hilfreich – allerdings kann sich von den Betriebskosten niemand etwas zum Essen kaufen“, sagt Akcaglar. Er berichtet von Kollegen, die Antrag auf Grundsicherung gestellt haben, weil das Geschäft nicht mehr zum Leben reicht. Die jetzt von der Bundesregierung angekündigten Soforthilfen, lassen die „nur“indirekt betroffenen Branchen außen vor. Verschiedene bayerische Taxiverbände haben deshalb jetzt einen Brandbrief an an den bayerischen Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) und an die Verkehrsministerin Kerstin Schreyer (CSU) geschrieben, in denen sie fordern, dass auch das Taxigewerbe an den geplanten außerordentlichen Wirtschaftshilfen für betroffene Branchen beteiligt wird.
Taxis seien immer da – weshalb sie offenbar von den Verantwortlichen übersehen würden, sagt Ferdi Akcaglar. Dabei könnten die Taxifahrer aufgrund der Beförderungspflicht nicht mal eine Nacht lang streiken, um auf sich aufmerksam zu machen. Doch wenn der Beruf nicht mehr zur Existenzsicherung reiche, könne niemand sagen, wie viele Fahrer die Krise durchhielten.