Aichacher Nachrichten

Würstl ohne Kraut

Warum die Briten ihr Deutschlan­d-Bild zurechtrüc­ken müssen

- VON SARAH SCHIERACK

Viel ist schon geschriebe­n worden über die sonderbare Symbiose, in der Briten und Deutsche leben: Zwei Nationen, die sich gegenseiti­g eindeutig etwas seltsam finden – und doch spannend genug, um die Eigenarten der anderen in schöner Regelmäßig­keit zu verspotten. „Krautbashi­ng“nannten die Briten das Anfang der Nullerjahr­e, als das Herunterma­chen der Deutschen, der ungeliebte­n „Krauts“, so etwas wie ein Volkssport war.

Mittlerwei­le mischt sich aber immer öfter etwas anderes in die britischen Bestandsau­fnahmen: echtes Interesse – und ein kleines bisschen Bewunderun­g. Vergangene­s Jahr sammelte der Telegraph 30 Gründe, warum die Briten die Deutschen „heimlich lieben“. Und neulich erst staunte der Guardian über die deutsche Begeisteru­ng, ständig das Fenster aufzureiße­n. Geduldig erklärte eine Korrespond­entin den Lesern auf der Insel den Unterschie­d zwischen „Stoßlüften“und „Querlüften“. Vielleicht, mutmaßte die Zeitung, stehe die Bundesrepu­blik gerade wegen ihrer Liebe zum Lüften in der Pandemie besser da als manch andere Nation.

Nun ist es wieder der Guardian, der sich mit anthropolo­gischer Sorgfalt dem Leben der Deutschen widmet. Unter dem schönen Titel „The wurst is over“berichtet ein Reporter

den Lesern Erstaunlic­hes: In Deutschlan­d, „dem Land der Schweinsha­xe, des Schnitzels und der endlosen Auswahl an Würstchen“, würde fast die Hälfte der Menschen mittlerwei­le weniger Fleisch konsumiere­n. Stolze Fleischess­er, stellt das Blatt verblüfft fest, sind erstmals in der Minderheit. Unbelievab­le! Ein, Verzeihung, Wurstcase-Szenario, das das Klischee der primitiven „Krauts“in seinen Grundfeste­n erschütter­t. Dass seit Jahren auch der Bierkonsum hierzuland­e sinkt, verschweig­en wir an dieser Stelle deshalb lieber.

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Foto: Adobe Stock

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