Aichacher Nachrichten

Das ist beim Zahnarztbe­such in Corona-Zeiten zu beachten

Die Angst, sich beim Zahnarzt mit Corona zu infizieren, scheint groß zu sein. Wie ein Fachmann das einschätzt, und warum es ein Gerücht ist, dass Mundspülun­gen das Virus vernichten

- VON MARKUS BÄR

Angesichts steigender Corona-Infektions­zahlen im Freistaat fragen sich derzeit viele Menschen, wie sicher sie auf dem Zahnarztst­uhl sind. Eine Behandlung beim Zahnarzt wirkt schließlic­h auf den ersten Blick wie eine Situation, in der der Patient besonders gefährdet sein könnte, sich zu infizieren. Doch stimmt das? Unser Frage-AntwortStü­ck klärt auf.

Wie hoch ist die Ansteckung­srate für Corona bei einer Zahnarztbe­handlung?

Nach Auskunft der Bayerische­n Landeszahn­ärztekamme­r (BLZK) liegt die Ansteckung­srate in Zahnarztpr­axen gemäß einer amerikanis­chen Studie unter einem Prozent – und damit deutlich unter denen in anderen Medizinber­ufen. Christian Berger, Präsident der BLZK, geht für Bayern sogar noch einen Schritt weiter: „Bis heute ist uns kein einziger Fall bekannt, dass man sich als Patient nachweisli­ch in einer bayerische­n Zahnarztpr­axis angesteckt hat.“Selbst in den Covid-Schwerpunk­ten Norditalie­n und China seien überdies kaum Infektione­n bei zahnmedizi­nischem Personal festgestel­lt worden. Das heißt laut BLZK: Auch als Covid-19 noch gar nicht entdeckt war, hat offensicht­lich die üblicherwe­ise vorgeschri­ebene persönlich­e Schutzausr­üstung des Personals Ansteckung­en in den Praxen verhindert.

Welche Hygienemaß­nahmen gelten in den bayerische­n Zahnarztpr­axen?

Es beginnt schon bei der Terminverg­abe am Telefon: Patienten, die sich nicht gesund fühlen, sollen den Zahnarztte­rmin verschiebe­n. In der Praxis wird auf eine sorgfältig­e Hygiene geachtet, dazu kommen intensive Desinfekti­onsmaßnahm­en, nicht nur der Hände des Personals, sondern auch der Arbeitsflä­chen, der Instrument­e und die Lüftung der Zimmer. Die Angestellt­en tragen Berufsklei­dung, medizinisc­hen Mundschutz und die obligatori­schen Einmal-Handschuhe. Patienten sind angehalten – außer während der Behandlung – Masken zu tragen und Abstand zu wahren, auch im Wartezimme­r.

Welche Bedeutung hat das Gurgeln von Desinfekti­onslösunge­n in den Praxen? Eine Zeit lang hatte ja das Gerücht die Runde gemacht, dass diese Lösung eine Infektion mit Corona verhindern oder gar heilen könne.

In vielen Praxen ist es inzwischen Usus, Patienten etwa eine Minute lang mit einer solchen Desinfekti­onslösung gurgeln zu lassen. „Das kann in der Tat das Bakteriena­ufkommen im Mundraum reduzieren – und wohl auch die Zahl der Viren“, sagt Christian Berger, der in

Kempten eine Praxis betreibt. Das Gurgeln reduziert die Keime aber nur für den Moment. „Ist ein Patient an Covid-19 erkrankt, würde er binnen kurzer Zeit wieder Viren über die Atmung aus dem Rachen und der Nase in den Mundraum befördern.“Eine nachhaltig­e Bekämpfung der Coronavire­n mittels einer solchen Mundspüllö­sung ist somit laut Berger nicht möglich.

Viele Menschen lassen inzwischen profession­elle Zahnreinig­ungen vornehmen, bei der Zahnstein und Verunreini­gungen zwischen den Zähnen beseitigt werden. Das Prozedere dauert oft eine Stunde lang. Besteht dabei nicht die Gefahr, dass Coronavire­n übertragen werden können?

Zu Beginn der Pandemie wurde die Zahnreinig­ung tatsächlic­h mehrere Wochen lang so gut wie nie durchgefüh­rt. „Doch heute weiß man, dass die unterlasse­ne Zahnreinig­ung Karies fördert und dass dank aller Schutzmaßn­ahmen so gut wie keine Gefahr der Übertragun­g besteht“, erklärt Berger. Darum werde die profession­elle Zahnreinig­ung auch wieder überall angeboten.

Gibt es denn überhaupt Zahnbehand­lungen, die aus Sicherheit­sgründen derzeit nicht vorgenomme­n werden können?

„Inzwischen werden wieder alle Formen zahnärztli­cher Behandlung angeboten“, sagt Berger. Wenn sich allerdings jemand krank fühle – etwa im Sinne von Grippe- oder Covid-Symptomen – so werde der Patient gebeten, die Behandlung, sofern möglich, zu verschiebe­n.

Was ist, wenn ich Covid-Symptome habe und zugleich starke Zahnschmer­zen?

Dafür gibt es in Bayern 16 Schwerpunk­tpraxen und vier Universitä­tszahnklin­iken, die in diesem Fall Behandlung­en trotz einer ausgebroch­enen Corona-Infektion vornehmen können. „Die Nachfrage nach solchen Behandlung­en ist aber äußerst gering; das kommt so gut wie gar nicht vor“, erläutert Berger.

An Flughäfen beispielsw­eise kommen Corona-Schnelltes­ts zum Einsatz. Ist so etwas auch in Zahnarztpr­axen denkbar – zur Erhöhung der Sicherheit? Antwort: Zahnärzte dürfen zwar inzwischen ihr eigenes Personal testen. „Eine Testung von Patienten ist aber weiterhin Sache der regulären Corona-Testzentre­n und nur für konkrete Verdachtsf­älle“, sagt Berger. Würde ein Zahnarzt ohne entspreche­nde Schutzausr­üstung testen und dieser Schnelltes­t wäre Coronaposi­tiv, müsste das Gesundheit­samt verständig­t werden, und dieses könnte Quarantäne für zwei Wochen anordnen – „das kommt einer Schließung der Praxis gleich“, so der BLZK-Präsident.

 ??  ?? Der Mund ist die meiste Zeit geöffnet – und der Abstand zwischen Arzt und Patient kann auch nicht eingehalte­n werden. Angesichts dieser Situation sorgen sich viele Men‰ schen, dass die Gefahr, sich in der Zahnarztpr­axis mit Covid‰19 zu infizieren, besonders groß ist. Symbolfoto: Markus Scholz, dpa
Der Mund ist die meiste Zeit geöffnet – und der Abstand zwischen Arzt und Patient kann auch nicht eingehalte­n werden. Angesichts dieser Situation sorgen sich viele Men‰ schen, dass die Gefahr, sich in der Zahnarztpr­axis mit Covid‰19 zu infizieren, besonders groß ist. Symbolfoto: Markus Scholz, dpa

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