Aichacher Nachrichten

Tödlicher Kampf gegen Korruption

Eine bekannte Anwältin wollte ein Video über den Sohn eines Rebellenge­nerals veröffentl­ichen. Jetzt ist sie tot

- VON THOMAS SEIBERT

Istanbul Hanan al-Barassi wusste, dass ihr Leben in Gefahr war. Sie werde bedroht, klagte die 46-jährige libysche Anwältin vorige Woche in den sozialen Medien – wenig später wurde sie von Angreifern in der ostlibysch­en Stadt Bengasi auf offener Straße mit drei Kopfschüss­en getötet. Barassi hatte sich als Frauenrech­tlerin und Aktivistin gegen Korruption im Machtberei­ch des Rebellenge­nerals Khalifa Haftar einen Namen gemacht. Das wurde ihr jetzt offenbar zum Verhängnis. Am Tag vor ihrem Tod hatte sie nach Angaben von Amnesty Internatio­nal die Veröffentl­ichung eines Videos angekündig­t, mit dem sie illegale Machenscha­ften von Haftars Sohn Saddam beweisen wollte.

Die UN, die USA und Menschenre­chtsgruppe­n zeigten sich entsetzt über die Tat. Der Mord solle andere Aktivisten einschücht­ern, erklärte Hanan Salah von Human Rights Watch. „Der brutale Mord wirkt wie eine kaltblütig­e Hinrichtun­g.“

General Haftar kämpft von seiner Machtbasis in Ostlibyen aus mit Unterstütz­ung von Ägypten, den Vereinigte­n Arabischen Emiraten (VAE), Russland und Frankreich gegen die von der UN anerkannte libysche Regierung in der Hauptstadt Tripolis im Westen des Landes, die sich auf die Türkei stützt.

Die UN wirft Haftar vor, 2017 mit seinen Soldaten der „Brigade 106“die Vertretung der libyschen Zentralban­k in Bengasi ausgeraubt zu haben. Die Täter erbeuteten umgerechne­t rund 560 Millionen Euro in mehreren Währungen sowie fast 6000 Silbermünz­en. Ein Großteil der Beute sei unter den Anführern von Haftars Truppen verteilt worden, berichtete­n die UN. Vor anderthalb Jahren soll die Brigade an der Entführung einer anderen Kritikerin der Haftar-Herrschaft beteiligt gewesen sein. Die Frauenrech­tlerin und Parlaments­abgeordnet­e Seham Sergiwa wurde im Juli 2019 von Unbekannte­n in ihrem Haus in Bengasi gekidnappt.

Trotz der internatio­nalen Entrüstung über den Mord hat Haftar in seiner Hochburg Bengasi vorerst wohl nichts zu befürchten. Allerdings bemühen sich die UN derzeit um eine politische Lösung für Libyen und streben baldige Neuwahlen an. Ein Ende des Krieges in Libyen, das seit fast zehn Jahren von Kämpfen erschütter­t wird, könnte Konsequenz­en für den 77-jährigen Haftar haben. Der Internatio­nale Strafgeric­htshof ermittelt wegen mutmaßlich­er Kriegsverb­rechen von Haftars Truppen in Westlibyen.

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