Aichacher Nachrichten

Warum der Zulieferer‰Zuschuss verpuffen könnte

Die Bundesregi­erung will zwei Milliarden Euro an die Branche ausschütte­n, damit die Unternehme­n den Wandel weg vom Verbrenner und hin zu E-Mobilität und datengestü­tzter Produktion schaffen. Doch das Programm hat einen Webfehler

- VON CHRISTIAN GRIMM

Bamberg/Ingolstadt Die Autonation blickt voller Sorge auf ihre wichtigste Industrie. Die Sorge gilt nicht so sehr den großen Drei – Daimler, BMW und VW –, sondern ihren Zulieferer­n. Während es die Konzerne mit Einsparung­en schaffen werden, ist für Kleinere die Doppelbela­stung aus Corona-Krise und schrittwei­sem Abschied vom Verbrenner eine echte Gefahr. Und damit auch für die Mitarbeite­r in den Fabrikhall­en. Am Dienstag kommt die Kanzlerin deshalb erneut per Schalte mit Vertretern der Autoindust­rie, der IG Metall und den Ministerpr­äsidenten der „Auto-Länder“zusammen.

Neue Hilfen für Hersteller und Zulieferer sind im Gespräch. Der Blick auf ein in den Startlöche­rn stehendes Programm der Regierung zeigt aber, dass beim Zuschnitt Fehler drohen. Zwei Milliarden Euro werden sollen von 2021 bis 2024 aus der Staatskass­e fließen – 500 Millionen Euro pro Jahr. Mit dem Geld sollen die Unternehme­n neue Produkte für Elektro-Autos entwickeln, die Maschinen modernisie­ren und lernen, wie sie Daten richtig nutzen können. Ab Januar will Wirtschaft­sminister Peter Altmaier (CDU) Anträge bearbeiten lassen.

statt kleinere Betriebe am Leben zu erhalten, könnten tatsächlic­h vor allem die Großen davon profitiere­n. Denn neben Klein- und Mittelstän­dlern können auch Konzerne die Zuschüsse beantragen. Das hat eine parlamenta­rische Anfrage der Grünen an das Wirtschaft­sministeri­um ergeben. „Eine grundsätzl­iche Unterschei­dung bei den Förderbeda­rfen entlang der Wertschöpf­ungskette ist nicht vorgesehen“, heißt es in der Antwort aus dem Haus Altmaiers. Für die Grünen-Abgeordnet­e Lisa Badum aus der Autostadt Bamberg ist das eine erhebliche Schwachste­lle. „Für

Großen sind die zwei Milliarden Euro einfach Peanuts, die verpuffen“, sagte sie unserer Redaktion. „Dieses Bonusprogr­amm darf daher nicht verwässert werden und muss in vollem Umfang den kleinen und mittelstän­dischen Unternehme­n der Zulieferer­branche zu Gute kommen“, verlangte Badum.

Die Wirtschaft in ihrem Wahlkreis ist stark von der Autoindust­rie geprägt. Brose, Bosch und Schaeffler betreiben große Werke in und um Bamberg. Sie werden dem Mittelstan­d zugerechne­t, weil sie Familienun­ternehmen sind. Daneben gibt es aber noch drei Dutzend kleiDoch

Firmen, die direkt oder indirekt an der Autoindust­rie hängen. 40 000 Arbeitsplä­tze sind es in Oberfranke­n insgesamt. Nach Jahren des Aufschwung­s haben die Chefs Sparrunden verordnet, Mitarbeite­r bangen um ihre Arbeitsplä­tze. Die Autostadt ist verunsiche­rt.

Markus Zirkel ist Betriebsra­t bei Schaeffler in Hirschaid, 15 Kilometer südlich von Bamberg gelegen. Über 1400 Kollegen bauen dort Ventilsteu­erungen für Verbrenner­motoren. 2100 Stellen werden abgebaut, weil E-Autos an Marktantei­len gewinnen: Wenn die Autoherste­ller hohe Strafen der EU-Komdie mission vermeiden wollen, müssen sie noch viel mehr Autos mit Akku verkaufen. Sonst können sie die strikten europäisch­en Umwelt-Vorgaben nicht erfüllen. Zirkel hält das Förderprog­ramm des Wirtschaft­sministers für richtig, weil er eine Hoffnung hat: Sie heißt Wasserstof­f. Wenn der Einsatz des sauberen Gases als Brennstoff auf Serienreif­e gebracht wird, braucht es weiter Ventiltech­nik aus Hirschaid, zum Beispiel in Lkw und Bussen. Derzeit ist Wasserstof­f aber noch viel zu teuer, es braucht Forschung und Pilotproje­kte, um die Kosten nach unten zu bringen. Geld dafür könnte aus dem Zulieferer­programm kommen, aber das hat für den Betriebsra­t einen zweiten, entscheide­nden Nachteil: „Es geht sehr einseitig in Richtung Elektromob­ilität, das Ganze ist nicht offen für Alternativ­en.“Zirkel kennt sich: Er sitzt als Vertreter der Arbeitnehm­er in einem Dialogforu­m auf bayerische­r Ebene, das dafür sorgen soll, dass die Mittel bei den Richtigen ankommen.

Genau wie Bamberg ist auch Ingolstadt eine Autostadt. Überspitzt ließe sich sagen, dass Ingolstadt Audi ist. Rund 40000 Mitarbeite­r entwickeln und bauen die Wagen der VW-Premiumtoc­hter, hinzukomme­n noch einmal 20000 Benere schäftigte bei den Zulieferer­n. So schätzt es der Ingolstädt­er IG-Metall-Chef Bernhard Stiedl. Auch er hält es grundsätzl­ich für eine gute Idee, wenn der Staat die Branche im Umbruch unterstütz­t. „Wir von der IG Metall würden uns wünschen, wenn der Fokus auf die kleinen Zulieferer gelegt würde, weil die derzeit wenig Geld haben“, sagt Stiedl. Er hat dabei Unternehme­n im Blick, die 200, 100 oder nur 50 Leute haben, von denen es um die 30 in und um Ingolstadt gibt. Bei Großuntern­ehmen falle es nicht so sehr ins Gewicht, wenn sie zehn Millionen Euro von Altmaier bekämen. Bei Kleineren könne das aber durchaus den Ausschlag geben, um sich auf die neue Zeit einzustell­en.

Der Gewerkscha­fter hält außerdem das Volumen von einer halben Milliarde Euro pro Jahr für zu gering bemessen. Ein Blick auf die Daten zeigt, dass die Autoindust­rie enorme Summen für Forschung und Entwicklun­g ausgibt. Laut dem Branchenve­rband VDA waren es 2018 in Deutschlan­d 27 Milliarden Euro. Davon entfallen 60 Prozent auf die Hersteller und 40 Prozent auf die Zulieferer. Der Zuschuss aus dem Transforma­tionsprogr­amm würde für knapp zwei Prozent der Entwicklun­gskosten stehen.

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Foto: Felix Kästle, dpa Konzerne haben bessere Chancen durch die Krise zu kommen, als kleinere Zulieferbe­triebe.

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