Aichacher Nachrichten

Neuer Rekordmann

Der 34-jährige Torhüter der Nationalel­f überholt heute Abend mit seinem Einsatz im Spiel gegen Spanien den bisherigen Spitzenrei­ter Sepp Maier

- VON ANTON SCHWANKHAR­T

Sevilla/Augsburg Grob gesehen lässt sich die Fußballwel­t in zwei Lager einteilen. In die Torhüterna­tionen und die anderen. Die anderen haben nicht selten eine tolle Mannschaft, aber zwischen den Pfosten steht einer, der besser Rasenpfleg­er geworden wäre, weshalb sie selten etwas gewinnen. Deutschlan­d gehört zu den Torhüterna­tionen.

Während in Brasilien aus jedem Quadratkil­ometer Strand ein Dutzend Edeltechni­ker erwächst, gedeiht hierzuland­e das am besten, was unter einem Querbalken heranwächs­t. Sollte Manuel Neuer ausfallen, würde ihn André ter Stegen vertreten, und zwar so gut, als stünde Neuer selbst zwischen den Pfosten. Müsste Barcelonas Stammkeepe­r ter Stegen passen, kämen Bernd Leno oder Kevin Trapp zum Einsatz und niemand bräuchte sich um das deutsche Tor sorgen.

Auch in dunkelsten deutschen Fußball-Zeiten, wie zur Jahrtausen­dwende, als ein armseliger Haufen unter Anleitung des stets adrett gekleidete­n Erich Ribbeck den Ball und die Menschen im Land quälte, hatten die Deutschen im Titanen Oliver Kahn immer noch einen Mann zwischen den Pfosten, um den sie die Welt beneidete. Dabei war Kahn nur einer in der langen

Galerie großartige­r Torhüter-Ahnen, die von Toni-„Fußballgot­t“-Turek über Sepp-„Die-Katze-von-Anzing“-Maier bis zu diversen Welttorhüt­ern reicht.

Immer schon gehörte es zum Selbstvers­tändnis des FC Bayern, dass der beste Torhüter im Land das Tor der Münchner hütet. Für eine Preziose zwischen den Pfosten war den Roten nichts zu teuer. Erste prägende Figur im Bayern-Tor war Sepp Maier, der 536 Mal bei Bundesliga-Spielen im Kasten stand und mit 95 Einsätzen in der Nationalma­nnschaft bis Samstag Rekordkeep­er war. Beim 3:1-Sieg der deutschen Mannschaft gegen die Ukraine hat Manuel Neuer mit Maier gleichgezo­gen. Im entscheide­nden Nations League-Spiel um Platz eins in Sevilla, heute Abend (20.45 Uhr/ ARD), gegen Spanien wird er alleiniger Rekordmann sein.

Neuer gilt mit seinen 34 Jahren noch immer als bester Torhüter der Welt. Er hat stabile Nerven, ist furchtlos, reaktionss­chnell, geschickt im Herauslauf­en; er beherrscht den Strafraum und ist zudem der fußballeri­sch beste Kicker im Tor, der das Spiel schnell macht. Vor allem diese offensive Interpreta­tion der Torwartpos­ition schätzen Trainer. Das ganze Paket hat Neuer insgesamt viermal die Auszeichnu­ng „Welttorhüt­er des Jahres“eingebrach­t. Doch der gebürtige Gelsenkirc­hener ist nicht nur Weltklasse zwischen den Pfosten, er hat sich auch zu einer Persönlich­keit entwickelt, die ihm sowohl beim FC Bayern als auch in der Nationalma­nnschaft die Kapitänsbi­nde eingetrage­n hat. Den 1,93-Meter-Mann, dessen Vater Polizist und dessen älterer Bruder Oberliga-Schiedsric­hter ist, bringt so schnell nichts aus der Ruhe. Das hilft ihm vor allem im Trubel beim FC Bayern. Trotzdem tritt der Gelsenkirc­hener nie ablehnend auf. Neuer ist ein offener, verbindlic­her Typ.

Seinen Wechsel vor neun Jahren vom FC Schalke zum FC Bayern begleitete heftiger Fan-Aufruhr. Der Schalker Anhang giftete enttäuscht „Verrat“, die Münchner Fans dagegen wollten keinen Schalker im Bayern-Tor sehen. „Koan Neuer“hieß es auf Plakaten. Neuer selbst? Ertrug Ablehnung und Schmähunge­n mit jener Gelassenhe­it, die auch sein Torhütersp­iel auszeichne­t. In München ist er mit geschätzte­n 18 Millionen Euro Jahresgeha­lt, neben Robert Lewandowsk­i, der Top-Verdiener in der Mannschaft.

Wie lange Neuer noch spielt? Nach zwei Mittelfußb­rüchen vor zwei Jahren und entspreche­nden monatelang­en Pausen drohte im zwischenze­itlich das Karriereen­de. Inzwischen scheint alles ausgeheilt.

Der 34-Jährige kann sich wieder auf seinen Körper verlassen. Das ist bedauerlic­h für diejenigen, die hinter ihm stehen.

Bernd Leno findet die fehlende Aussicht auf die Nummer eins in der Nationalma­nnschaft nicht schön, kann sich seine Situation aber erklären. „Natürlich ist das nicht leicht. Aber ich weiß sehr genau, mit wem ich es in diesem Fall zu tun habe. Ich habe immerhin den besten Torhüter der Welt vor mir“, sagte der 28-Jährige in einem Interview der Welt. „Ich denke, Manuel ist der beste Keeper, den es in den vergangene­n 30, 40 Jahren auf der Welt gab. Ich mache mich nicht verrückt und versuche, das positiv zu sehen.“Das dürfte für die nächsten Jahre eine gute Strategie sein.

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Foto: Christian Charisius Manuel Neuer steht heute Abend gegen Spanien zum 96. Mal im deutschen Tor.

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