Lieder fürs Pilgern
Melodieschätze des Mittelalters, gehoben von Sabine Lutzenberger und vorgetragen von ihrem Ensemble in St. Moritz
Hildegard von Bingen bezeichnet in ihrem „Ordo Virtutum“die reuigen Seelen als Peregrine – Pilger auf der Suche nach dem richtigen Weg. Auf solchen Seelenwegen begleitete das Ensemble Per-Sonat in der Moritzkirche bei einer musikalischen Andacht zum Katharinentag. Sabine Lutzenberger, eine Spezialistin für Alte Musik, durchstöberte für das Repertoire Handschriften des Mittelalters aus drei berühmten Frauenklöstern in Spanien und Italien.
Voller Sehnsucht steckt diese Vokalmusik. Sie drängt zum Aufbruch, beschwingt den Schritt und entzündet das Innere im Verlangen nach einer tieferen spirituellen Erfahrung. Dabei ist es egal, ob die Wallfahrt nur eine zeremonielle Prozession in der eigenen Kirche ist oder eine beschwerliche Pilgerreise nach Santiago de Compostela, zu den Apostelgräbern nach Rom oder nach Jerusalem ins Heilige Land. Freude und Begeisterung klingen in den Liedern an, mit kraftvoller Rhythmik und zugleich mit zarten, einfühlsamen Melodien, die der innigen Verehrung
der Muttergottes dienen. Oft eilt eine Stimme voraus und reißt die anderen förmlich mit oder sie finden sich zum anmutigen Kanon zusammen, der ein längeres Wegstück anregend zu verkürzen vermag.
Auch die Heilige Katharina von Alexandrien, die zweite Patronin der Moritzkirche, sei eine Pilgerin gewesen, erklärte Pfarrer Helmut Haug. Ihr Kloster auf dem Berg Sinai gilt als das älteste der Welt. Ihrer
Klugheit soll in der Spätantike kein heidnischer Gelehrter gleichgekommen sein, weshalb sie gehasst, verfolgt und gefoltert wurde. In ihrer Liebe zu Christus habe Katharina eine Ruhe gefunden, die sie unverletzlich machte. Neben der Gottesmutter war Katharina im Mittelalter die meist verehrte Heilige, auch ein Frauenkloster in Augsburg war ihr geweiht. Eine Motette dieser Kommunität atmet Gotteslob und Gemeinschaft in harmonischem Zusammenklang der Stimmen.
Aus dem Codex Las Huelgas der Zisterzienserinnen von Santa Maria la Real schöpfte Sabine Lutzenberger mehrstimmige Messegesänge, die sie im Wechselgesang mit Christine Mother und Sarah Newman vortrug. Und wie eine Litanei klang der Lobgesang der franziskanischen Bruderschaft aus Cortona über den grausamen Tod des Erlösers. Pfarrer Haug und Pastoralreferentin Brigitte Schwarz gaben den von dieser puren Musik ergriffenen vielen Zuhörern in der nächtlichen Moritzkirche lyrische Impulse mit – etwa Dorothee Sölles: „Höre nicht auf, mich zu träumen, mein Gott!“