Frau Schlegel gibt’s hier nur mit grüner Schürze
Ihre Familie hat seit 90 Jahren einen Stand auf dem Stadtmarkt. Philomena Schlegel erzählt, wie die Besucher ihr Einkaufsverhalten geändert und die Standbetreiber ihr Angebot angepasst haben / Serie (7)
Es wird kein Tag auf dem Stadtmarkt vergehen, an dem Philomena Schlegel nicht ihre grüne Schürze am Stand umgebunden hat. „Zum Stadtmarkt gehört auch Nostalgie dazu. Die Gärtnerschürze muss sein“, findet die Gemüsehändlerin. Der Augsburger Stadtmarkt ist in diesem Oktober 90 Jahre alt geworden. Die Schlegels sind eine der wenigen Familien, die dort von Anfang an mit einem Stand vertreten sind. In der Zeit hat sich viel verändert, erzählt die Händlerin. Das habe auch etwas mit dem Einkaufsverhalten der Frauen zu tun.
Dass der Stadtmarkt mal ihre zweite Heimat wird, hätte sich Philomena Schlegel einst wohl nicht vorstellen können. 1964 hat sie in die Gärtnerei-Familie Schlegel aus Oberhausen eingeheiratet und stieg in das Geschäft mit ein. „Bei der Gründung des Stadtmarktes vor 90 Jahren hatten meine Schwiegereltern einen festen Stand zugeteilt bekommen. Die Gärtnerei ist seit den ersten Stunden mit dabei“, sagt Schlegel mit einem gewissen Stolz. Als Schwiegertochter packte sie freilich mit an. „Mit der Zeit wurde der Stadtmarkt eine Sucht für mich“, verrät die Frau, die bei der Frage nach ihrem Alter nur lächelt.
Auf eines will Schlegel nicht verzichten: den persönlichen Kontakt zu den Kunden. Ein Teil sei mit den Schlegels sogar groß geworden. „Von den Kunden, die früher bei meinen Schwiegereltern einkauften, kommen jetzt die Kinder und Enkel zu uns.“Für die Händlerin ist das etwas Besonderes. Philomena Schlegel hat über die vielen Jahre einige Veränderungen auf dem Stadtmarkt miterlebt. Das betrifft etwa das Einkaufsverhalten der Kunden – vor allem der Frauen.
Früher noch sei der Stadtmarkt vor allem an den Vormittagen unter der Woche stark frequentiert gewesen. „Seit zehn bis 20 Jahren aber findet der Hauptverkauf am Freitag und Samstag statt, weil viele Frauen berufstätig sind.“Aus diesem Grund bietet die Familie an ihrem Stand zur Winterzeit fertig geputzten Rosenkohl an. „Die Frauen haben einfach nicht mehr so viel Zeit in der Küche“, ist ihre Erfahrung. Auch das Angebot des Stadtmarktes habe sich verändert.
„Mit dem aufkommenden Wohlstand ab den 60er Jahren wurde der Stadtmarkt bunter“, erzählt Schlegel. „Exotische Früchte kamen bei den Obstständen hinzu, Gärtnereien zogen außer Gemüse auch Blumen auf ihren Feldern und in den Treibhäusern, um sie dort zu verkaufen. Das war auch bei uns so.“Um bei dem immer breiter werdenden Angebot auf dem Stadtmarkt wettbewerbsfähig zu bleiben, beschloss die Familie irgendwann, sich zu spezialisieren.
An ihrem Stand verkaufen sie neben Gurken, Paprika, Feldsalat und Co. über 60 verschiedene Sorten Tomaten, wie Philomena Schlegel berichtet. Beratung gibt es freilich dazu. Denn jede Sorte habe ihren Geschmack. Der Kundenkontakt ist für Philomena Schlegel mit das Wichtigste. „Auf dem Stadtmarkt wird auf fast schon familiäre Weise gehandelt.“Die nächste Kundin steht an. Nun hat sie keine Zeit mehr, zu erzählen. Philomena Schlegel streicht mit den Händen ihre Schürze glatt und wendet sich der Dame zu.
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