Großer Polizeieinsatz in Flüchtlingsunterkunft
Die Einrichtung in der Augsburger Proviantbachstraße steht unter Corona-Quarantäne. Die Bewohner sind überrascht. Angst und Sorge führen zu Tumulten
Aus einem Fenster der Flüchtlingsunterkunft in der Proviantbachstraße ertönt Musik – Reggae, Bob Marley. Vor der Unterkunft stehen zu dieser Zeit – es ist etwa halb zwei am Nachmittag – rund zehn Polizeifahrzeuge, die meisten davon Busse. Die Beamten stehen auf dem Fußgängerweg, sie haben sich vor dem Eingangsbereich der Unterkunft postiert. Dort diskutieren sie mit Bewohnern und den zuständigen Security-Mitarbeitern. Die Bewohner bleiben auf Abstand zu den Beamten, immer wieder benutzen sie ihre Hände, um das Gesagte zu unterstreichen. Alle tragen einen Mundschutz. Zu diesem Zeitpunkt sind die Beamten bereits seit etwa einer Stunde vor Ort.
Sie seien gerufen worden sie, erklärt Polizeirat Thomas Seitz, stellvertretender Leiter der Polizeiinspektion Augsburg Süd, weil es unter den Bewohnern einen Aufruhr gab. Die Ursache: Die Unterkunft steht seit Donnerstagmorgen unter Quarantäne, Corona ist auch hier angekommen. In den vergangenen Wochen hatte das Virus auch in den Augsburger Flüchtlingseinrichtungen immer stärker um sich gegriffen, vor rund einer Woche waren über 550 Geflüchtete in Quarantäne.
Laut der Regierung von Schwaben leben in der Unterkunft in der Proviantbachstraße aktuell 87 Personen – bisher ist ein positiver Corona-Test zu verzeichnen. Der Bewohner wurde bereits in eine dafür vorgesehene Unterkunft in NeuUlm verlegt. Die Unterkunft in der Proviantbachstraße ist eine von 16 staatlichen Einrichtungen in Schwaben, die aktuell unter Quarantäne stehen.
Unter den Bewohnern, so erklärt es Polizeirat Seitz, führe das verständlicherweise zu Unmut und auch Ängsten. Anders als die meisten Menschen in Augsburg verfügen Flüchtlinge in den Unterkünften meist nicht über viel Privatsphäre. Dazu kommt im Fall der Proviantbachstraße, dass die Unterkunft
über kein Internet verfügt. Das brauchen die Menschen hier aber, um Kontakt in ihre Heimatländer zu halten, um sich über
Jobangebote zu informieren oder bürokratische Angelegenheiten zu regeln. Einsatzleiter Seitz sagt, es sei in solchen Fällen normal, dass die Polizei mit einem größeren Aufgebot anrücke – schließlich wisse man vorher nicht, was genau einen vor Ort erwarte. Der Einsatz in der Proviantbachstraße sei letztlich ohne größere Auseinandersetzungen verlaufen. Straftaten wurden keine verübt.
Während die Polizeibeamten sich wieder auf den Rückweg machten, wurde vor der Unterkunft noch zwischen Sicherheitsdienst und Bewohnern diskutiert. Zwei Männer sagten, sie verstünden nicht, wieso nun alle Bewohner unter Quarantäne stünden. Einer der beiden erklärte, er habe zwei Kinder zu versorgen und sei deswegen darauf angewiesen, arbeiten zu gehen. Quarantäne könne er sich nicht leisten. Ohne Internetempfang habe er nicht einmal regelmäßig Kontakt zu seiner Familie im Heimatland.