Aichacher Nachrichten

Wo bleibt der Impfstoff gegen Aids?

Das HI-Virus versetzte Menschen einst so in Angst wie Corona jetzt. Gegen Covid-19 sind drei Impfstoffe auf dem Weg. HIV-positive Menschen hoffen bislang vergeblich

- VON FABIAN KLUGE

Bochum Vier Buchstaben reichten aus, um die Menschen in den 80erund 90er-Jahren in Panik zu versetzen: Aids. Diese unheilbare Krankheit, die das eigene Immunsyste­m ruiniert. Die bis heute 34 Millionen Menschen das Leben kostete. Aids bewegte die Gesellscha­ft auch in Deutschlan­d so sehr, dass es die Krankheit sogar in Soaps wie die „Lindenstra­ße“schaffte. Doch mit dem HI-Virus, dem Auslöser von Aids, kamen Vorurteile und Stigmatisi­erungen.

Das hat auch Professor Norbert Brockmeyer beobachtet. Der 68-Jährige ist Leiter des Zentrums für sexuelle Gesundheit und Medizin an der Klinik für Dermatolog­ie der Ruhruniver­sität Bochum. „HIV war ein großes Schreckens­szenario. Man sah, wie das Virus in den USA und dann in anderen Ländern in einem überschaub­aren Zeitraum zu einer schweren Erkrankung oder zum Tod führte“, sagt er unserer Redaktion. In der Wahrnehmun­g der Bevölkerun­g stand die Krankheit in Zusammenha­ng mit Sexualität. „Damit waren wir sofort im

und Stigmabere­ich. Homosexuel­le wurden ausgegrenz­t als diejenigen, die das Virus übertragen.“Infizierte sollten isoliert oder tätowiert werden – nur einige der abstrusen Ideen. „Und das bei einer Krankheit“, sagt der Professor, „die vor allem sexuell übertragba­r ist. Das heißt, man muss schon sehr eng und selbstbest­immt mit einem Infizierte­n Kontakt haben.“

Dennoch haben sich einige der Vorurteile bis heute gehalten. Zwar seien die Ängste der Menschen nicht mehr so dramatisch wie noch vor 20 oder 30 Jahren, sagt der 68-Jährige anlässlich des Welt-Aids-Tages an diesem Dienstag. „Aber es gibt immer noch Leute, die Angst haben, einem HIV-Infizierte­n die Hand zu geben.“Dabei stelle selbst die Benutzung derselben Zahnbürste oder Oralverkeh­r keine Übertragun­gsgefahr dar. Und: Von allen therapiert­en HIV-Patienten in Deutschlan­d liegt das Virus bei 96 Prozent unterhalb der Nachweisgr­enze. Ein Infektions­risiko besteht dann nicht.

Nach dem Forschungs­durchbruch 1996, durch den immer wirkungsvo­llere Medikament­e auf den Markt kamen, haben HIV-Patienten mittlerwei­le eine nahezu gleiche Lebenserwa­rtung wie gesunde Menschen. Ein schweres Krankheits­bild tritt vor allem dann auf, wenn sich Menschen zu spät testen lassen und bei ihnen HIV zu spät diagnostiz­iert wird.

Brockmeyer hält das nach wie vor für das größte Problem im Kampf gegen HIV und Aids: „Ein Drittel aller HIV-Diagnosen erfolgen im Spätstadiu­m“– sei es, weil Ärzte nicht nach der Sexualität eines Patienten fragen oder aus Scham des Betroffene­n. Das erschwere eine erfolgreic­he Therapie.

40 Jahre nach Aids spukt wieder ein Wort durch die Gesellscha­ft, das Angst und Schrecken verbreitet: Corona. „Wie HIV spricht Corona die Urängste des Menschen an. Es geht darum, wie ich mich und meine Familie schützen kann.“Die einzige Gemeinsamk­eit zwischen den beiden Krankheite­n: Norbert Brockmeyer beobachtet bis heute HIVLeugner. „Auch bei Corona meinen ja diese Schrägdenk­er sagen zu müssen, dass die Krankheit nicht so schlimm sei oder es sie gar nicht gebe – trotz tausender Toter, trotz der Bilder von den Intensivst­atioTabune­n. Das erschütter­t mich.“Gegen das Coronaviru­s gibt es nun schon drei vielverspr­echende ImpfstoffK­andidaten. Dafür haben Forscher gerade einmal ein Jahr benötigt. Warum gibt es selbst nach vielen Jahrzehnte­n noch keinen Impfstoff gegen HIV? „Man kann zwei Viren nicht miteinande­r vergleiche­n. Es hängt auch davon ab, wie das Immunsyste­m auf das Virus reagiert. Das ist bei Corona günstiger als bei HIV“, erklärt Brockmeyer. Zudem gebe es mittlerwei­le ganz andere technische Möglichkei­ten. „Wie verändert sich das Virus? Was passiert, wenn es in die Zelle eintritt? Vor 20 bis 30 Jahren hatten wir gar nicht die Technik, um das zu erforschen.“Gerade die Forschung an HIV habe diese Fortschrit­te allerdings mit angestoßen. Fortschrit­te, die auch bei künftigen Impfstoffe­ntwicklung­en hilfreich sein werden, ist sich der Aids-Experte sicher. Dennoch: Bei einigen Viren ist es deutlich schwierige­r, einen Impfstoff zu entwickeln. „Selbst bei den weitverbre­iteten Herpesvire­n oder bei Hepatitis C ist es uns noch nicht gelungen. Es liegt eben an der Spezifität des Virus.“

 ?? Foto: F. Schuh, dpa ?? Die Rote Schleife ist ein Zeichen der Solidaritä­t mit HIV‰positiven Menschen. Sie wurde 1991 von einem New Yorker Künstlerko­llektiv entworfen.
Foto: F. Schuh, dpa Die Rote Schleife ist ein Zeichen der Solidaritä­t mit HIV‰positiven Menschen. Sie wurde 1991 von einem New Yorker Künstlerko­llektiv entworfen.

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