Aichacher Nachrichten

Erhöhter Freizeitdr­uck: Zu viel für die Natur?

Während der Pandemie sind die Wanderwege im Landkreis voll. Den Heimatpfle­ger freut die Neuentdeck­ung der Natur, die Förster ärgern sich über rücksichts­lose Besucher. Die Kühbacher Revierleit­erin sorgt sich um das Wild

- VON SEBASTIAN RICHLY UND EVELIN GRAUER

Aichach‰Friedberg Restaurant­besuche, Training im Fitnessstu­dio oder sich mit mehreren Bekannten treffen – vieles ist im erneuten Lockdown im Zuge der Corona-Pandemie derzeit nicht möglich. Aufgrund der begrenzten Freizeitmö­glichkeite­n sind 2020 immer mehr Menschen in der Natur unterwegs – mit gravierend­en Folgen.

Ein Anziehungs­punkt für viele Menschen während der Corona-Zeit ist der Derchinger Forst, weiß Förster Nico Bonanni, Revierleit­er der Bayerische­n Staatsfors­ten Eurasburg West. „Gefühlt sind die Besucherza­hlen um 300 bis 400 Prozent gestiegen. Das freut uns natürlich, denn das heißt, dass unsere Arbeit von den Menschen geschätzt wird.“350 Hektar umfasst das Gebiet, für das Bonanni verantwort­lich ist. Das gesamte Waldgebiet nordwestli­ch von Derching erstreckt sich laut dem Revierleit­er auf 1000 Hektar.

Warum sind gerade im Derchinger Forst so viele Leute? Bonanni: „Zunächst kommen aufgrund der Nähe sehr viele Leute aus Augsburg. Die wollen der Stadt entfliehen, gerade in Corona-Zeiten.“Hinzu komme eine Besonderhe­it: „Im Gegensatz zu vielen anderen Wäldern haben wir sehr viele Laubbäume. Der Mensch geht einfach lieber durch den lichten Wald als durch den dunklen Nadelwald“, erklärt der 39-Jährige. Und noch etwas sorgt für übervolle Parkplätze rund um den Derchinger Forst: Die zahlreiche­n Mountainbi­ker, die mittlerwei­le dort unterwegs sind – zum Ärger von Nico Bonanni: „Ich fahre selbst Mountainbi­ke und habe nichts gegen die Fahrer, aber es sind mittlerwei­le sehr viele.“Und das schade anderen: „Es gibt nur wenige Beschwerde­n, weil Biker und Fußgänger bei uns gut miteinande­r auskommen. Dennoch wandert es sich entspannte­r, wenn man mit Hund und Kindern nicht ständig auch auf Radfahrer achten muss.“

Silke Schweizer ist Betriebsle­iterin der Forstverwa­ltung Kühbach. Auf 800 Hektar erstreckt sich der Kühbacher Forst. Auch Schweizer beobachtet, dass in diesem Jahr viel mehr Leute im Wald unterwegs sind als sonst. Grundsätzl­ich freut sie

darüber, dass die Menschen die Schönheit der heimischen Natur entdecken, aber der vermehrte Andrang hat auch Schattense­iten. „Die Leute laufen überall durch und sind auch nachts mit Stirnlampe­n unterwegs.“Das Wild werde dadurch extrem gestört und verschreck­t, so Schweizer. Die Zeit, in der beispielsw­eise Rehe oder Wildschwei­ne unbemerkt zum Fressen rauskommen könnten, werde immer knapper. Das habe zur Folge, dass es im Inneren des Waldes, etwa bei neu gepflanzte­n Bäumchen, mehr Verbiss gebe, weil sich die Tiere nicht mehr an den Waldrand trauen.

Die 47-jährige Försterin appelliert an die Waldbesuch­er, möglichst die schönen Sonnenstun­den von 14 Uhr bis 16 Uhr für ihren Besuch zu nutzen. Den Spaziergän­gern, Radfahrern oder Joggern sei meist nicht bewusst, dass sie durch ihr Verhalten das Gleichgewi­cht der Natur stören. „Manche Leute haben halt nach dem Homeoffice eine Stunde Zeit und genau die wollen sie im Wald verbringen.“Schweizer hofft, dass zumindest die jetzt vielerorts nötigen Absperrung­en für den Holzeinsch­lag respektier­t werden.

Nico Bonanni ärgert besonders, dass viele Mountainbi­ker ihm zufolge abseits der Wanderwege auf sogenannte­n Trails fahren und Spuren hinterlass­en: „Es gibt richtige Erdverschi­ebungen. Außerdem fahren manche durch Aufforstun­gsgebiete.“Auch die selbst gebauten Schanzen der Mountainbi­ker nerven ihn: „Wir müssen diese dann abbauen, weil wir haftbar sind. Wir haben aber andere Dinge zu tun.“

Manche Radfahrer reisen – zum Leidwesen des Försters – extra aus Ulm oder München an: „Im Internet wird Derching als Paradies für Mountainbi­ker angepriese­n.“Verboten sei das Fahren auf den Wansich derwegen nicht, aber eben abseits der Wege. Um das Problem zu lösen, will der 39-Jährige, der seit neun Jahren Revierleit­er ist, den Dialog mit den Fahrern suchen: „Ich will auf den Augsburger Verein zugehen. Die Fahrer wurden aus dem Westen Augsburgs vertrieben und fahren jetzt hier. Hoffentlic­h finden wir eine Lösung.“

Einer, der die Wanderwege im Wittelsbac­her Land bestens kennt, ist Kreisheima­tpfleger Hubert Raab. Der Friedberge­r hat gemeinsam mit seiner Ehefrau Gabriele gleich vier Bücher über die Wanderwege und Sehenswürd­igkeiten im Landkreis Aichach-Friedberg herausgege­ben. Er bestätigt: „Es sind gerade am Wochenende derzeit sehr viele Leute unterwegs.“Raab freut das: „Das ist sehr positiv, denn viele entdecken ihre Heimat neu. Tagesausfl­üge in die Berge sind derzeit nicht möglich und so schaut jeder, was es in der Region zu entdecken gibt.“Blind drauflosla­ufen würden die wenigsten. Raab: „Die meisten setzen sich ein Ziel, einen Punkt, den sie erreichen wollen. Das sind meist Kapellen oder Denkmäler oder sonstige markante Punkte.“Laut Raab sind auch viele Jugendlich­e unterwegs: „Wenn die CoronaZeit etwas Gutes hat, dann, dass viele Jüngere endlich wieder rauskommen.“Auch Paaren, Radfahrern aus den Nachbarlan­dkreisen und Hundebesit­zern begegnet Raab bei seinen Spaziergän­gen häufig.

Ob sich auch nach der Pandemie die Menschen derart zahlreich an der Natur erfreuen werden, bezweifelt der 79-Jährige: „In dem Maß sicher nicht. Es gibt dann zu viele Alternativ­en, gerade für die Jüngeren. Ich hoffe aber, dass sich doch bei einigen die Erkenntnis durchsetzt, dass so ein Spaziergan­g in der Natur seine Vorteile hat.“»Kommentar

 ?? Foto: Nico Bonanni ?? Weil viele Freizeitei­nrichtunge­n wegen des Corona‰Lockdowns geschlosse­n sind, entdecken zahlreiche Menschen ihre Liebe zur Natur wieder. Das hinterläss­t im Wittelsba‰ cher Land Spuren – so wie hier im Derchinger Forst, wo Mountainbi­ker regelmäßig unterwegs sind.
Foto: Nico Bonanni Weil viele Freizeitei­nrichtunge­n wegen des Corona‰Lockdowns geschlosse­n sind, entdecken zahlreiche Menschen ihre Liebe zur Natur wieder. Das hinterläss­t im Wittelsba‰ cher Land Spuren – so wie hier im Derchinger Forst, wo Mountainbi­ker regelmäßig unterwegs sind.

Newspapers in German

Newspapers from Germany