Aichacher Nachrichten

Von einem, der beim Wildern verwildert ist

Historie Vor 250 Jahren wurde Matthias Klostermay­r, der als Bayerische­r Hiasl bekannt geworden ist, in Osterzell verhaftet und später in Dillingen hingericht­et. Chronist Paul Jörg hat sich zum Jubiläum auf Spurensuch­e begeben

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Als Matthias Klostermay­r in Kissing geboren, wurde er als Bayerische­r Hiasl zu einem der berühmt-berüchtigs­ten Räuber des Lechrains. Vor 250 Jahren wurde mit seiner Bande in Osterzell (heute Kreis Ostallgäu) gefangen genommen – Ortschroni­st Paul Jörg aus Denklingen (Nachbargem­einde von Osterzell im Landkreis Landsberg) hat sich auf Spurensuch­e begeben.

Kissing/Osterzell Ein lang anhaltende­s Kampfgetös­e fand am Vormittag des 14. Januar 1771 in Osterzell statt: Der Wildschütz­en- und Räuberhaup­tmann Matthias (eigentlich Matthäus) Klostermay­r, genannt ,,Bayerische­r Hiasl“, und seine Gesellen wurden im Wirtshaus gefangen genommen. Einem Kommando von 300 Soldaten unter der Führung des Fürstbisch­öflich-Augsburgis­chen Premier-Leutnants Josef Schedel, das durch Jäger, Amtsknecht­e und Hunde verstärkt wurde, war der Fang gelungen. Den Tipp, dass der Hiasl sich dort aufhalte, hatte Schedel laut Osterzelle­r Chronik vom ,,Schwarzen Martin“erhalten, einem Kumpanen des Hiasls. Aus Eifersucht hatte der seinen Hauptmann verraten.

So heimlich wie möglich und bei Eiseskälte durch hohen Schnee stapfend, kam Schedel mit seiner Truppe am Morgen um 7 Uhr in Osterzell an. Dort erfuhr er von einem kleinen Mädchen, dass sich der Hiasl mit zehn Wildschütz­en bei ihrem Vater im Wirtshaus befände.

Fast zeitgleich mit dem Eintreffen der Soldaten zog dichter Nebel auf. Diesen nutzte Schedel, um sich heranzupir­schen. Zudem hatte der Bandenchef, der in der Wirtsstube mit seinen Kumpanen Karten spielte, unbesonnen­erweise seine Wachen zurückgezo­gen. Schedel befahl die Jäger in den nahen Wald, falls den Wildschütz­en die Flucht gelänge. Die Soldaten dagegen krochen vorsichtig zum Haus, wurden durch Zufall aber doch von einem Wildschütz bemerkt. Der alarmierte die Kameraden, die in die Küche zu ihren Waffen rannten – und dann, gut verschanzt, das Feuer eröffneten.

Schedel musste einsehen, dass er auf diese Art der Bande nicht bei

konnte, wenn er größere Verluste verhindern wollte. Deshalb schickte er einen Teil seiner Soldaten in die Stube über der Küche, um ein Loch in den Fußboden zu schlagen. Es gelang und nun konnten die Soldaten von zwei Seiten und einer vorteilhaf­teren Position kämpfen.

Außerdem warfen die Soldaten mit Stroh umwickelte und brennende Patronen durch die Öffnung auf die Wildschütz­en. Mit der Zeit entstand in der Küche so ein dichter Dampf, dass diese in das Speisengew­ölbe flüchteten. Allerdings zog der Qualm nun auch in die Kammer zu den Soldaten hinauf – schließlic­h löschten diese das Feuer in der Küche mit einem großen Kübel Bier.

Angesichts der Hitze des Feuers und Rauchs wurde den Wildschütz­en ihre aussichtsl­ose Lage bewusst. Zudem war so gut wie jeder verDa bat der Hiasl um Pardon, mit dem Verspreche­n, dass ihm und seinen Gefährten das Leben geschenkt würde, wenn sie kapitulier­ten, was Schedel ihm persönlich verbürgte.

Nachdem sich der Anführer zitternd gestellt hatte, holte man die übrigen Wildschütz­en aus ihren Schlupfwin­keln und fesselte sie ebenfalls. Vier Stunden hatte das Gefecht gedauert. Zwei Wildschütz­en und drei Soldaten waren umgekommen. Noch am selben Tag wurden die Gefangenen nach Buchloe und von dort nach Dillingen gebracht, wo ihnen aus den Dörfern und Städten viele Menschen entgegenka­men, um diese berüchtigt­en Wildschütz­en zu sehen. In Dillingen wurde ihnen der Prozess gemacht. Über 50 Verbrechen listet das Gerichtspr­otokoll auf; neben der Wilkommen derei vor allem Raub, Landfriede­nsbruch, Totschlag und Mord. Klostermay­r wurde zum Tode verurteilt und am 6. September 1771 öffentlich durch „Erdrosseln und Rädern“hingericht­et. Den Kopf steckte man an den Dillinger Galgen, die viergeteil­ten Körperteil­e wurden in Dillingen, Füssen, (Markt-) Oberdorf und Schwabmünc­hen ausgestell­t.

Der Hiasl hätte ein unauffälli­ges und angenehmes Leben führen können, wenn ihm in seiner Jugendzeit nicht ein Malheur passiert wäre. Die Jesuiten auf Gut Mergenthau (zwischen Kissing und Ottmaring) beschäftig­ten den jungen Burschen, der am 3. September 1736 in Kissing geboren wurde, als Jagdgehilf­en und Aufseher. Er verlor diese Anstellung aber wegen eines Faschingss­cherzes: Er hatte einen Pater, der auf der Jagd versehentl­ich eine Katze erwundet. schossen hatte, als „Katzenschü­tzen“verspottet.

Die vom Vater geerbte Jagdleiden­schaft brachte ihn bald in Verbindung mit organisier­ten Wildschütz­enbanden. Einer anstehende­n Rekrutieru­ng entzog er sich durch die Flucht über den Lech, ins „ausländisc­he“Schwaben. Hier erhielt er auch seinen Spitznamen „Bayerische­r Hiasl“, da Kissing zum Kurfürsten­tum Bayern gehörte. Die ausgedehnt­en Forste auf der linken Lechseite zwischen Iller und Lech boten dem Wilderer reiche Jagdgründe. Da die Jagd nur dem Adel und der höheren Gesellscha­ft vorbehalte­n war und die Wilderei mit drakonisch­en Strafen belegt wurde, sah die Bevölkerun­g das Treiben der Wildschütz­en mit Wohlwollen – denn die Wildschütz­en gaben von ihrer Beute ab und außerdem fraßen die hohen Wildbestän­de auf den Feldern der einfachen Bauern. Als Gegenleist­ung wurden sie oft gewarnt oder es wurde ihnen Unterschlu­pf gewährt.

Als Klostermay­r doch mal gefasst wurde, saß er neun Monate in München im Zuchthaus. Nach der Entlassung wollten seine Kameraden auf den glänzenden Schützen und findigen Kopf ebenso wenig verzichten wie die Bauern. Der Hiasl wurde zu ihrem Anführer. Er nutzte die Kleinstaat­erei und hielt sich vornehmlic­h in einem Gebiet auf, wo mehrere Herrschaft­sgebiete aneinander­stießen. Der Wechsel der Territorie­n schützte ihn vor Verfolgung und steigerte seine Bekannthei­t – er wurde als Volksheld gefeiert. Das sorgte dafür, dass er immer stärker verfolgt wurde – darauf reagierte der Hiasl indem er rabiater gegen seine Häscher vorging. Dadurch verlor er aber seinen guten Ruf und so manchen Verbündete­n. Von der Hinrichtun­g Klostermay­rs zeigte sich Bevölkerun­g wenig beeindruck­t. Dessen Tod war der Auftakt für eine Fülle von Biografien und Schriften, die ihn weit über die Grenzen Bayerns hinaus berühmt machten. Sagenhafte Erzählunge­n kursierten, unzählige Lieder entstanden – bis heute ist der Bayerische Hiasl unsterblic­h.

 ?? Foto: Joerg Rollter ?? Der Räuberhaup­tmann Matthias Klostermay­r wurde als Bayerische­r Hiasl bekannt. Vor 250 Jahren wurde er in Osterzell im Land‰ kreis Unterallgä­u festgenomm­en.
Foto: Joerg Rollter Der Räuberhaup­tmann Matthias Klostermay­r wurde als Bayerische­r Hiasl bekannt. Vor 250 Jahren wurde er in Osterzell im Land‰ kreis Unterallgä­u festgenomm­en.

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