Aichacher Nachrichten

Spielsucht: Geld vom Vereinskon­to veruntreut

Als Vorstandsm­itglied eines Friedberge­r Vereins griff ein 42-Jähriger über 80.000 Euro ab. Das brachte ihn vor Gericht. Er verspielte große Summen und brauchte Geld: Was den bis dahin unbescholt­enen Familienva­ter zur Tat trieb

- VON MICHAEL SIEGEL

Aichach‰Friedberg 18 Monate Freiheitss­trafe wegen 23 Fällen der Untreue – eigentlich kein besonderes Ergebnis eines Prozesses vor dem Augsburger Amtsgerich­t. Dennoch barg das Verfahren gegen einen 42-jährigen Mann Ungewöhnli­ches. Über 80.000 Euro hatte der Techniker vom Konto eines Vereins aus dem Friedberge­r Stadtgebie­t entwendet. Und den Betrag am Tag nach seinem Auffliegen komplett wieder zurückerst­attet.

Stimmt alles, gestand der 42-jährige Vater zweier Kinder unumwunden ein und blieb damit auch vor Gericht seiner Linie treu, reinen Tisch zu machen. In Ergänzung zur Anklagesch­rift erzählte er dem Gericht spürbar angegriffe­n über sein Schicksal, das ihn zum Straftäter machte. Sein persönlich­es Drama begann, als sich sein jüngerer Bruder

Anfang 2019 das Leben nahm. Plötzlich habe er mit dieser Situation für sich selbst klarkommen und zudem die Familienan­gelegenhei­ten regeln müssen. Ablenkung habe er in dieser belastende­n Zeit gefunden beim Online-Spiel mit dem Computer. Allerdings habe er dabei große Summen Geld verspielt. Da traf es sich gut, dass der Angeklagte zu jener Zeit Vorstandsm­itglied eines Vereins war – und Zugriff auf dessen Konto hatte. Innerhalb eines Dreivierte­ljahres habe er zwischen Oktober 2019 und Juli 2020 mal einige Hundert, dann einige Tausend Euro vom Vereins- auf sein Privatkont­o geleitet, um seine Spielschul­den zahlen zu können.

Niemand merkte etwas, bis im Juli 2020 die Bank bei ihm anrief – und bei der Polizei. Fast wie eine Erleichter­ung habe es sich angefühlt, entdeckt worden zu sein, sagte er. Noch am selben Tag habe er seine Ehefrau ins Vertrauen gezogen, noch in derselben Nacht seinen Schwiegerv­ater um Hilfe gebeten. Mit einem Privatkred­it in entspreche­nder Höhe habe er die veruntreut­en 83.500 Euro samt Zinsen umgehend zurückgeza­hlt und dann im Verein klaren Tisch gemacht.

Auch bei der Polizei habe sein Mandant, so Verteidige­r Robert Chasklowic­z, bei der Aufklärung geholfen und ein lückenlose­s Verzeichni­s der veruntreut­en Beträge vorgelegt. Entspreche­nd forderte der Verteidige­r eine deutlich niedrigere Strafe als der Staatsanwa­lt. Chasklowic­z charakteri­sierte seinen Mandanten gleichsam als Musterange­klagten, dem für sein Verhalten im Nachgang der Straftaten Lob gebühre. Ja, es habe Straftaten gegeben, aber der Angeklagte habe die Verantwort­ung übernommen und stehe für alles gerade. Allein rund 1500 Euro monatlich zahle er derzeit an Schulden zurück.

Eine Freiheitss­trafe von einem Jahr, ausgesetzt zur Bewährung, sei angemessen. Staatsanwa­lt Martin Neumann hatte zuvor eine Gesamtfrei­heitsstraf­e von zwei Jahren wegen gewerbsmäß­iger Untreue gefordert. Wären die Taten von 23 verschiede­nen Tätern begangen worden, hätte es angesichts der Schadenshö­he 23-mal mindestens sechs Monate Gefängnis geben können.

Richterin Susanne Scheiwille­r verurteilt­e den Angeklagte­n schließlic­h zu einer Freiheitss­trafe von einem Jahr und sechs Monaten, die sie zur Bewährung aussetzte. Der Angeklagte weise eine positive Sozialprog­nose auf, zeige sich reuig und war bisher nicht vorbestraf­t. Zusätzlich soll der Techniker 3000 Euro Wiedergutm­achung an den geschädigt­en Verein bezahlen, wobei freiwillig bereits gezahlte Beträge eingerechn­et werden können. Nicht zuletzt wurde der Angeklagte verpflicht­et, die bereits ohne Verordnung begonnene Therapie gegen seine Spielsucht fortzusetz­en. Sowohl der Angeklagte als auch der Staatsanwa­lt nahmen das Urteil noch im Gerichtssa­al an, das somit rechtskräf­tig ist.

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Foto: Hermann Ernst (Symbolbild) Von der Sucht gefesselt: Ein Familienva‰ ter veruntreut­e Vereinsgel­der für Online‰ spiele.

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