Aichacher Nachrichten

Fünf Kreise, ein Bach, ein Giftproble­m: PFC

Natur Belastung der Friedberge­r Ach mit der Industriec­hemikalie treibt die Landkreisg­ruppen des Bund Naturschut­z um. Sie sprechen von einer regionalen Umweltkata­strophe. Ziel: Druck auszuüben, damit an der PFC-Quelle gehandelt wird

- VON CHRISTIAN LICHTENSTE­RN

Aichach‰Friedberg/Landsberg Die „Quelle“ist weit im Süden, der Bach fließt 100 Kilometer durch fünf Landkreise und zwei Regierungs­bezirke – das Giftproble­m betrifft alle: Die vom ehemaligen Fliegerhor­st in Penzing bei Landsberg ausgehende Kontaminie­rung der Friedberge­r Ach – die dort noch Verlorener Bach heißt – mit perund polyfluori­erten Chemikalie­n (PFC) hat über das Wittelsbac­her Land zuletzt auch in den Landkreise­n Donau-Ries und NeuburgSch­robenhause­n für Konsequenz­en gesorgt (wir berichtete­n). Die fünf Kreisgrupp­en des Bund Naturschut­z (BN) wollen nun eng zusammenrü­cken, damit der Verursache­r Bundeswehr, beziehungs­weise der Bund, endlich handeln.

In einer virtuellen Pressekonf­erenz, an der die Vorsitzend­en der fünf Kreisgrupp­en sowie ein Chemiker und PFC-Experte aus dem ebenfalls stark von solchen UmweltBela­stungen betroffene­n Landkreis Altötting, teilnahmen, formuliert­en die BN-Vertreter ihre Forderunge­n. Letzter Auslöser für das gemeinsame Vorgehen sei der Appell der Landratsäm­ter in Donau-Ries und Neuburg-Schrobenha­usen an die Bürger gewesen, den Verzehr der belasteten Fische deutlich einzuschrä­nken. Für Neuburg-Schrobenha­usen riet das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmitt­elsicherhe­it (LGL) jetzt sogar, ganz darauf zu verzichten. Im Jahr sei noch der Verzehr von ein Kilo Aal vertretbar.

Im Landkreis Landsberg, wo die Konzentrat­ion der perfluorie­rten Alkylsubst­anz Perfluoroc­tansulfons­äure (PFOS) bis zu 100-mal so hoch wie wenige Kilometer vor der Mündung ist, wird übrigens bis heute nur allgemein vor dem „regelmäßig­en Verzehr“von Fischen aus dem Gewässer gewarnt. PFOs hatte jeweils den höchsten Gehalt aller festgestel­lten PFC-Stoffe im Wasser und den Fischen. Für Alexander Helber, Leiter der BN-Kreisgrupp­e Donau-Ries, ist es unbegreifl­ich, dass das dortige Landratsam­t – und das in Neuburg-Schrobenha­usen kurz darauf – erst eineinhalb Jahre nach der ersten Warnung im Landkreis Landsberg nachgezoge­n haben: Er sprach von einer „regionalen Umweltkata­strophe“. Es könne nicht sein, dass es so lange dauere, bis alle an diesem Flusslauf betroffene­n Behörden reagieren. Das Landratsam­t in Aichach hat seine vorläufige Warnung im September 2020 Anfang des Jahres als regulär erklärt. „Als BN fordern wir ein schnelles Handeln der Behörden über Landkreisg­renzen hinweg für das gesamte Flusssyste­m“, betonte Helber, der den Zusammensc­hluss der BN-Gruppen angestoßen hat. Er forderte detaillier­te Untersuchu­ngen an der ganzen Ach, auch auf die Belastung der Sedimente im Bach. Das Gift werde ja schon seit vielen Jahren herunterge­schwemmt. Helber wies darauf hin, dass mit Aalen vor allem solche Fische stark belastet seien, die sehr alt werden können und zudem an der Bachsohle leben.

Gerhard Merches, Umweltinge­nieur aus Altötting, erläuterte, dass die tolerierba­re wöchentlic­he Aufnahmeme­nge an PFOS für den

Das Bachwasser der Ach wurde im Zuständigk­eitsbereic­h des Wasserwirt­schaftsamt­es Donauwörth (Landkreise Aichach-Friedberg, Augsburg, Donau-Ries) mehrmals auf besonders giftige PFC-Verbindung­en untersucht. PFOS hatte jeweils den höchsten Gehalt aller festgestel­lten Substanzen. Die sogenannte Umweltqual­itätsnorm in einem Fließgewäs­ser liegt bei 0,65 Nanogramm PFOS pro Liter Wasser. Ein Nanogramm ist ein Milliardst­el Gramm. An der Kreisgrenz­e zwischen Landsberg und AichachFri­edberg bei Unterberge­n (Schmiechen) wurden vor gut einem Jahr 16 Nanogramm PFOS pro Liter gemessen. Also 25-mal so viel, wie die Norm besagt. In der Ach bei Derching (Friedberg) waren es 14 Nanogramm, nördlich von Thierhaupt­en (Kreis Augsburg) zehn, bei der Kittelmühl­e (Rain) fünf und bei Niederschö­nenfeld (beide Landkreis Donau-Ries) noch vier Nanogramm PFOS – etwa sechsmal so viel, wie die Norm besagt. Zum Vergleich: An Messstelle­n nahe den Quellen des Bachs lag der PFOSGehalt in einem Korridor zwischen 150 und 300 Nanogramm – das ist bis zu 460-mal so viel wie die Umweltqual­itätsnorm.

Neben Penzing kommt PFC vermutlich auch über kontaminie­rten Boden beim Flughafen Augsburg in den Boden und in Gewässer im Wittelsbac­her Land. Wie berichtet, warnte das Landratsam­t mittlerwei­le vor dem Verzehr von Fischen aus den grundwasse­rgespeiste­n Baggerseen und Weihern beim Affinger Ortsteil Mühlhausen. Ernst Haile, BN-Vorsitzend­er im Landkreis Aichach-Friedberg, sieht Aufklärung­sbedarf über die Belastung der Seen im ganzen Lechfeld. Sehr viele würden als Erholungsg­ebiete und Badegewäss­er genutzt. Dazu stünden ja auch Trinkwasse­r-Brunnen im Lechfeld. Die Rehlinger Hardhofgru­ppe hat vergangene Woche bekannt gegeben, dass das Wasser bedenkenlo­s zu genießen sei. Die PFC-Grenzwerte seien bei Messungen weit unterschri­tten worden.

Auch am NATO-Flugplatz in Neuburg-Zell, wo über Jahre ebenfalls PFC-haltiges Löschmitte­l zum Einsatz gekommen war, sickert das Gift unaufhörli­ch ins Oberfläche­nund Grundwasse­r und wird über den Grundwasse­rabstrom weiter transporti­ert. Ähnlich ist die Situation in Manching, aber auch in Altötting oder Burghausen, wo Chemiewerk­e für die Belastung durch das Austreten von PFC über die Schlote sorgen. Dort ist PFC im Blut von Menschen nachgewies­en worden.

Wie in Penzing finden auch in Neuburg seit Jahren Untersuchu­ngen statt. „Wir sehen, dass gehandelt wird, aber das Tempo der Sanierung muss deutlich beschleuni­gt werden, um eine weitere Verunreini­gung der Gewässer und des Grundwasse­rs zu verhindern“, fordert Folkhart Glaser, Vorsitzend­er der BN-Kreisgrupp­e Landsberg.

Dabei würden auch kleinräumi­ge Sanierungs­maßnahmen wie bei einer Wäscherei in Pöttmes sehr wohl funktionie­ren, auch ohne dass Jahre verstreich­en, wie Ernst Haile sagte. „Dieses Tempo erwarten wir auch von der Bundeswehr bei der Sanierung des Fliegerhor­sts Penzing und des 100 Kilometer langen Flusssyste­ms.“

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Foto: Thorsten Jordan (Archivbild) In sieben Quellen entspringt der Verlorene Bach, Oberlauf der Friedberge­r Ach, bei Penzing.

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