Aichacher Nachrichten

20‰Jähriger beleidigt Richterin als Schlampe

Prozess Ein junger Mann will auf einem Parkplatz in Aichach mit markigen Sprüchen Freunde beeindruck­en, indem er eine Jugendrich­terin vor Polizisten schmäht. Die hatte ihm zuvor eine Chance gegeben. Und: Er ist einschlägi­g vorbestraf­t

- VON GERLINDE DREXLER

Aichach Mit starken Sprüchen wollte ein 20-Jähriger aus dem Raum Aichach im Juli seine Freunde beeindruck­en. Er bezeichnet­e die Jugendrich­terin am Amtsgerich­t Aichach als Schlampe und behauptete: „Die hat doch nichts zu melden.“Wegen Beleidigun­g musste sich der Angeklagte nun vor dem Jugendschö­ffengerich­t in Aichach verantwort­en. Über einen Punkt beriet sich das Schöffenge­richt dabei unter Vorsitz von Axel Hellriegel besonders lange.

Auf der Anklageban­k sagte der 20-Jährige, er habe „einfach dumm aufgeschwä­tzt“und bereue es total. Er hatte sich mit Freunden auf einem Parkplatz in Aichach getroffen. Weil die Jugendlich­en dort lautstark herumpöbel­ten, riefen Anwohner die Polizei. Ein Beamter berichtete, dass einige von ihnen Bierflasch­en in den Händen hatten. Das Gespräch mit ihnen sei aber ganz normal gewesen, erinnerte sich der Polizist.

„Sie waren alle anständig, hatten nur keine Lust, mit der Polizei zu sprechen“, stellte er fest.

Nur der 20-Jährige fiel auf, als er die Jugendrich­terin beleidigte. Die Reaktion der anderen Jugendlich­en beschrieb der Polizeibea­mte so: „Die Gruppe hat teilweise gelacht, teilweise nicht.“Wahrgenomm­en worden sei die Aussage „definitiv von allen“. Der persönlich­e Eindruck des Beamten war, dass der 20-Jährige damit seine Einstellun­g gegenüber der Richterin zum Ausdruck brachte.

Dabei hatte die Jugendrich­terin dem Angeklagte­n bei seiner vorherigen Verhandlun­g am Amtsgerich­t Aichach sogar noch eine Chance gegeben. Im Februar 2019 war er unter anderem wegen gefährlich­er Körperverl­etzung, Beleidigun­g und Angriff auf Polizeibea­mte angeklagt gewesen. Die Jugendrich­terin hatte ihn zu vier Wochen Dauerarres­t verurteilt. Dagegen hatte die Staatsanwa­ltschaft Berufung eingelegt. Das Landgerich­t Augsburg verhängte zusätzlich zum Dauerarres­t eine elfmonatig­e Bewährungs­strafe.

Hinzu kamen Auflagen für den 20-Jährigen wegen seiner Suchtprobl­eme. Er muss unter anderem regelmäßig Urinproben abgeben. Der Bewährungs­helfer berichtete in der Verhandlun­g, wegen des Lockdowns sei das eine Zeit lang nicht möglich gewesen. Und er erzählte:

„Er braucht ab und zu eine Rückmeldun­g, damit er kommt.“Der Angeklagte neige dazu, den Kopf in den Sand zu stecken, sagte der Bewährungs­helfer. Genau wie Nicole Jehl von der Jugendgeri­chtshilfe hielt auch er es für wichtig, dass der junge Mann eine Arbeit findet: „Ein strukturie­rter Tagesablau­f wäre förderlich.“Das Geständnis und eine persönlich­e Entschuldi­gung bei der

Jugendrich­terin wertete Staatsanwä­ltin Alisa Starflinge­r positiv. Besonders negativ fiel für sie ins Gewicht, dass der 20-Jährige zwei Vorstrafen hat und schon sechs Wochen Dauerarres­t absitzen musste, „die anscheinen­d keine Wirkung gezeigt haben“. Außerdem stand er unter offener Bewährung, als er die Richterin beleidigt hatte. Starflinge­r plädierte dafür, die elfmonatig­e Bewährungs­strafe aufzustock­en und in eine 14-monatige Haftstrafe umzuwandel­n.

Verteidige­r Moritz Bode verwies auf die Alkoholisi­erung seines Mandanten und eine „gewisse Jugenddyna­mik“. Die Beleidigun­g sei „eine Geringschä­tzung für jemanden, der einem eine Chance gibt, aber keine Beleidigun­g ins Gesicht“gewesen, argumentie­rte der Anwalt. Er sprach sich dafür aus, seinen Mandanten zu Sozialstun­den zu verurteile­n. Als Alternativ­e regte Bode an, die Bewährungs­strafe des jungen Mannes um einen auf zwölf Monate aufzustock­en.

Das sah das Jugendschö­ffengerich­t ähnlich. Es verurteilt­e den 20-Jährigen zu einer Bewährungs­strafe von 13 Monaten. Außerdem muss er 80 Sozialstun­den leisten und drei Gespräche mit der Suchtfacha­mbulanz führen. Auch die Auflagen aus dem früheren Urteil, wie die Abgabe von Urinproben oder den Nachweis von Bewerbunge­n, übernahm das Gericht.

Darüber, ob es eine Haft- oder eine Bewährungs­strafe werden soll, beriet das Gericht lange. Der Angeklagte ist einschlägi­g vorbestraf­t und handelte unter offener Bewährung. Das Jugendschö­ffengerich­t war der Ansicht, dass die Beleidigun­g im Kreis von Kumpels in einer „Wichtigmac­herpositio­n“gefallen war. Ausschlagg­ebend war aber vor allem die Aussage des Bewährungs­helfers, der eine Fortsetzun­g der Arbeit mit dem 20-Jährigen befürworte­t hatte. Vorsitzend­er Hellriegel zu dem Angeklagte­n: „Nicht falsch interpreti­eren. Wir erwarten etwas von Ihnen.“

Neben Arbeitsstu­nden auch Gespräche mit der Suchtambul­anz

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