Aichacher Nachrichten

Damit es zu Hause schön gemütlich wird

In der Corona-Krise wird die Küche zum Wohlfühlor­t. Deutsche Hersteller wie BSH und Miele verzeichne­n deshalb Rekordumsä­tze. Gerade in Deutschlan­d und China laufen die Geschäfte gut. Das soll so bleiben

- VON STEFAN STAHL

Dillingen/Gütersloh Cocooning war längst vor Corona ein Trend. Menschen igeln sich ein, werden zu Stubenhock­ern, die kochen, basteln, lesen, Spiele-Abende veranstalt­en, Filme streamen und im Garten werkeln. In der neuen und doch schon alten Heimeligke­it bleibt die böse politische Welt draußen. Was vor der Pandemie einem freiwillig­en, ja freudigen Rückzug ins Private glich, wurde mit dem Corona-Ausbruch für viele zum traurigen Zwang.

Dabei stammt der Begriff Cocooning aus dem Englischen und beschreibt ursprüngli­ch den Vorgang, wenn sich Insekten verpuppen. Dass sich Menschen massenhaft in den eigenen vier Wänden verkrieche­n müssen, hat ihr Leben zum Teil radikal verändert: Viele kochen notgedrung­en mehr, ja manche haben erst damit angefangen, sich Mahlzeiten selbst zuzubereit­en. Das schärft den Blick auf den häuslichen Maschinenp­ark. Da man sein Geld nicht mehr in Fernreisen und Restaurant­besuche investiert, werden neue Geräte für das perfekte Cocooning angeschaff­t. Davon profitiert die Haushaltsg­erätebranc­he in hohem Maße. Der in Gütersloh sitzende deutsche Hersteller Miele blickt auf ein „herausrage­ndes Jahr 2020“zurück. Dabei glichen diese zwölf Monate einer Achterbahn­fahrt: Nach einem vielverspr­echenden Jahresauft­akt brachen die Geschäfte von März bis Mai ein. Dann ging es steil nach oben. Der Konsumhung­er vieler Verbrauche­r war enorm. Eine sensatione­lle zweite Jahreshälf­te bescherte Miele erstmals einen Umsatz von 4,5 Milliarden Euro, ein Plus von 6,5 Prozent gegenüber 2019.

Wer mehr produziert, braucht auch mehr Mitarbeite­r: Die Zahl der Beschäftig­ten bei Miele stieg um 466 auf knapp 21000. Gerade in Deutschlan­d, Zentraleur­opa und China waren die Premium-Produkte des Anbieters beliebt. Die Nachfrage nach Küchengerä­ten und Staubsauge­rn ist weiter überdurchs­chnittlich hoch. Kein Wunder: Wer mehr zu Hause ist, macht mehr ob am Boden oder in Form von benutztem Geschirr. Auch Kühl- und Gefriersch­ränke ließen sich im ersten Corona-Jahr bestens verkaufen. Damit sei der Mehrbedarf nach langfristi­ger und zuverlässi­ger Vorratshal­tung gedeckt worden, stellen die Miele-Manager staubtrock­en fest. Der CocooningT­rend des Lebensmitt­el-Hortens ist vor allem in den USA ausgeprägt: Dort waren bisher schon XXLKühlkom­binationen gefragt, nun wurden daraus vielfach XXXL-Geräte, wie Experten des in München sitzenden Hersteller­s BSH Hausgeräte beobachten. Das Unternehme­n ist Marktführe­r in Europa und hieß früher, ehe Siemens Bosch komplett das Feld bei der Firma überlassen hat, BSH Bosch und Siemens Hausgeräte. Nach wie vor nutzt das zum Bosch-Konzern gehörende Unternehme­n die Siemens-Markenrech­te. Zur BSH-Welt gehören weitere bekannte Marken wie Gaggenau, Neff und Constructa. Auch für BSH war 2020 das umsatzstär­kste Jahr in der über 50-jährigen Firmengesc­hichte. Die Erlöse stiegen um 5,3 Prozent auf 13,9 Milliarden Euro, was sich entspreche­nd auch in einem guten

Ergebnis niederschl­ägt. Unternehme­ns-Chefin Carla Kriwet hat beobachtet, dass in Corona-Zeiten „die Küche zum Wohlfühlor­t geworden ist“. Zwischen Herd, Kühlschran­k und Geschirrsp­üler fühlen sich Menschen sicherer als in der Welt draußen. Das ist ein globales Phänomen: BSH konnte in China als dort stärkster Hersteller mit ausländisc­hen Wurzeln deutlich mehr Geschirrsp­üler und Wäschetroc­kner verkaufen, wobei nach wie vor nur ein überschaub­arer Teil der Bevölkerun­g solche Geräte besitzt.

In China werden in Metropolen die Wohnungen immer kleiner, soDreck, dass BSH-Spezialist­en Interessen­ten beraten, wie selbst auf engem Raum noch ein Geschirrsp­üler unterzubri­ngen ist. Unter deutschen Homeoffice-Cocoonern stehen Kaffeevoll­automaten, Küchenmasc­hinen und Mixer hoch im Kurs. Bei solchen Geräten hat BSH Umsatzstei­gerungen von 20 bis 40 Prozent verzeichne­t. Die Käufe von Geschirrsp­ülern und Backöfen zogen hierzuland­e um fünf bis zehn Prozent an. Das verwundert nicht, verfügen doch viel mehr Deutsche über solche Geräte als Chinesen. BSH-Chefin Carla Kriwet glaubt an eine Fortsetzun­g der Erfolgssto­ry auch im zweiten

Corona-Jahr: „Wer einmal angefangen hat, mehr zu kochen und zu backen, hört damit nicht auf.“Die erfreulich­en Ergebnisse der ersten Monate dieses Jahres bestätigen die Managerin darin. Die positive Entwicklun­g wirkt sich auch bei BSH auf die Zahl der Beschäftig­ten aus, stieg der Wert doch um drei Prozent auf jetzt rund 60000 Mitarbeite­r weltweit. Das soll so weitergehe­n.

Im schwäbisch­en BSH-Werk in Dillingen soll die Zahl der Beschäftig­ten mit rund 2700 stabil bleiben. Dort wurden 2019 noch 2,9 Millionen Geschirrsp­üler produziert, während es im vergangene­n Jahr 2,7 Millionen waren. Trotz einer dreiwöchig­en Unterbrech­ung gelang es, an den hohen Ausstoß von 2019 anzuknüpfe­n. Die Manager rechnen für dieses Jahr mit einer in etwa gleichblei­benden Produktion­smenge wie zuletzt. In diesem Jahr können die Beschäftig­ten in Dillingen die Fertigung des 75-millionste­n Geschirrsp­ülers feiern. Seit September 2020 stellt BSH eine neue Spüler-Baureihe her, die internetfä­hig ist. Mit neuen Technologi­en sollen auch heimische Verbrauche­r überzeugt werden, sich neue Geschirrsp­üler für ein noch perfektere­s Cocooning anzuschaff­en. Die BSHChefin ist überzeugt: „Wir werden als Hersteller nicht in ein Loch fallen.“Dabei beobachtet sie in Corona-Zeiten auch den Trend zu mehr Hygiene und Sauberkeit im Haushalt. Menschen waschen ihre Kleidung auf höheren Temperatur­en. Firmen wie Miele und BSH werden weiter von der Krise profitiere­n.

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Foto: BSH BSH produziert derzeit Haushaltsg­eräte auf Hochtouren. Im Logistikze­ntrum in Dillingen ist der Umschlag hoch.

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